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heißt das. Andererseits gibt es die Tüchtigkeit des Soldaten der regulären Armee, des Polizisten. Es gibt die Tüchtigkeit des Regierungs-Politikers. Die Tüchtigkeit des Abgeordneten der Opposition ist schon zweifelhafter und die Tüchtigkeit eines Gegners gar des ganzen Systems ist ein Ding der Unmöglichkeit.
Das ist die Frage, von der ich nicht abgehe. Wird die Notwendigkeit zur Revolution in den intelligenten Schichten der Bourgeoisie besser erkannt als in den unteren Schichten und welche Gründe gibt es dafür?
Eine Gesellschaft erzeugt mit den sie erhaltenden Kräften gleichzeitig auch die sie überwindenden. Die eine Gesellschaft überwindenden Kräfte können nur in der Gesellschaft selbst erzeugt werden. Kräfte aus anderen Gesellschaften können die Übelstände eines Gemeinwesens nicht ändern, da sie nicht wissen, was geändert werden muß. Sie können nur erobern.
Gegen internationale Machtverhältnisse müssen auch die überwindenden Kräfte international sein, deshalb erscheinen sie in manchen Weltgegenden als von außen kommend. In Wahrheit sind auch solche Kräfte von der eigenen Gesellschaft erzeugt, da sie beim Wirken der Gesellschaft nach außen entstehen. Die nach außen wirkende Gesellschaft erweitert sich in ihrer Rückwirkung auf die innere Gesellschaft um einen äußeren Bereich. Besser sprechen wir über Randzonen oder von Metropole und Hinterland.
Wenn dereinst Cleverness verpönt sein wird, muß jeder, der aufsteigt, Angst haben, als Cleverer entlarvt zu werden. Dabei muß einer aber auch vor Verleumdung geschützt werden, sonst erstickt das geistige Leben.
Der Aufsteiger hat heute schon ein schlechtes Gewissen, obwohl Erziehung und Propaganda die Cleverness keineswegs problematisieren. Sie sehen den Aufsteiger als den Tüchtigeren und dieser braucht keine moralischen Bedenken zu haben. Wenn der Aufsteiger aber seine Herkunft mit anderen vergleicht, hat er schon heute ein schlechtes Gewissen. Deshalb übertreibt er die Anstrengungen des Erfolges, schreckt die anderen ab und duckt Frau und Kinder. Seine harten Reaktionen kommen aus schlechtem Gewissen. Der Ruf nach Ruhe und Ordnung ist Eingeständnis von Unsicherheit und Anfang vom Ende. Kiesingers Reaktionen zeigen, daß er weiß, nicht der Gipfel der Nation zu sein und daß es nicht legitim ist, daß er dem Volk vorsteht.
2. Die kommunistische Macht
Und weiter geht es.
Der Aufsteiger wird von der Bourgeoisie mit den raffiniertesten Mitteln, die je die Menschheit entwickelte, gefesselt. Früher wurde verstoßen, der nicht mittat. Der aus früherer Herrschaft Verstoßene war in den unteren Schichten ungefährlich, denn Unzufriedenheit schüren war infolge der überbordenden Macht der Herrschenden sinnlos. Heute, wo die reale Macht der Beherrschten größer ist, als die Macht der Herrschenden, kann der aus den oberen Schichten in die unteren Schichten Zurückkehrende, wenn er in den unteren Schichten aufgenommen wird, durch seine Enthüllungen tatsächlich Revolten erzeugen.
In der agrarisch orientierten Wirtschaft des Mittelalters brachte Streik keinen Zusammenbruch des Systems. Der Herr lebte von den Vorräten und die Bauern verhungerten. Oder der Herr geht ins Ausland. Der Grundbesitz bleibt ihm ja. Wird eben ein Jahr lang nicht geerntet. Das bringt nur die Leute um, nicht den Herrn. Im Kapitalismus aber wird der Herr durch das ein Jahr lang stillgelegte Werk ruiniert, die Zinsen können nicht bezahlt werden, die Maschinen veralten, die Konkurrenz schnappt Kunden weg. Im Kapitalismus ist Grundbesitz ein Teil der Produktionsmaschine, wie die Werkhallen und die Arbeitskraft der Arbeiter. Das kann dem Herrn durch Streik entzogen werden.
Die Herren sind heute Leute der Industrie. Ein Jahr Streik würde sie völlig vernichten. Eigentlich waren sie es nach Ende des zweiten Weltkrieges schon, aber wir haben zugelassen, daß sie ihre alten Positionen wieder aufbauten. Wir hatten keine Organisation, kein Bewußtsein unserer Macht. Ein Jahr Streik würde die Herren heute völlig vernichten. Warum nicht die Streikenden? Die Streikenden besetzen das Land und bringen die nicht streikenden Bauern zur Aufrechterhaltung der Agrarproduktion und damit der Lebensmittelversorgung. Die Streikenden steigern sogar die Agrarproduktion durch Mitarbeit am Lande. Ein Verteilungssystem für Lebensmittel muß errichtet, das bestehende Transportsystem konfisziert werden. Streik der Zukunft heißt nicht Fernbleiben von den Arbeitsplätzen, sondern Besetzung der Produktionsmittel und Verwendung derselben zur Aufrechterhaltung von Versorgung, Ruhe und Ordnung im Sinne der Streikenden.
Im Streik die neuen Organisationen aufbauen. Keiner würde bei anhaltender Streiklage auch nur ein Gramm weniger zu essen haben. Mieten werden nicht bezahlt, die Wohnungen der Streikenden bleiben erhalten, sie werden von Arbeitstrupps instand gehalten, wenn möglich sogar verbessert. Streiken heißt nicht Nichtstun, es heißt, die Lohnarbeit niederlegen und seine Arbeitskraft den Streikkomitees zur Verfügung stellen, aufdaß Sinnvolles geschehe und den Herren nicht die Schadenfreude gegönnt wird, daß unter der Herrschaft des Pöbels alles zusammenbricht.
Ein ganzes Jahr Streik ohne Einbuße an Unterkunft und Verpflegung, siehe dazu auch Fridjoff Bergmanns Konzept der zyklischen Halbjahresarbeitslosigkeit. Hat es so etwas in der Menschheitsgeschichte schon einmal gegeben, ist es nicht fast das Paradies? Der Streik oder Bergmanns Arbeitslosigkeit liegt nicht im Fernbleiben von der Arbeit, sondern im Besetzen der Produktionsmittel und Handhabung derselben im Sinne der Menschheitsziele. Ein ganzes Jahr Streik, aktive Arbeitslosigkeit, ohne Einbuße an Unterkunft und Verpflegung, ist heute möglich und der Tod des Kapitalismus.
Früher war Streik Selbstmord der agrarischen Leibeigenen. Mit der Niederlegung der Arbeit nahmen sie dem Volk das Brot weg. Einzig der kriegerische Bauernaufstand war möglich. Für Streik waren die Machtverhältnisse zu ungünstig. Im industriellen Streik von heute sind Unterkunft und Verpflegung, die Aufrechterhaltung der Verkehrs- und Informationsmittel, sowie Gesundheitsdienst und Schule gesichert, aber in Kampfzeiten entbehrliche zivilisatorische Bedarfe liegen wahrscheinlich darnieder. Auf wessen Rücken spielt sich das ab?
Der Industrielle wird vernichtet und damit die sogenannten Arbeitsplätze. Die gesellschaftlichen Basisfunktionen bleiben erhalten. Das findet aber nicht auf dem Rücken der Bauern statt, wie man nach der Besetzung des Landes durch die Industriearbeiter annehmen könnte. Es heißt nicht, Industriearbeiter streiken, besetzen das Land und konfiszieren die Ernte. Die Streikenden arbeiten ja auf dem Lande mit. Bisher haben Kriege und andere Krisen den Bauern gegenüber dem Lohnarbeiter bevorteilt. Bisher garantierte das Leid der streikenden Proletarier die Sicherheit der Herrschenden. Jetzt verzichtet das ganze Volk gleichermaßen auf die entbehrlichen zivilisatorischen Bedürfnisse.
Bei der Übernahme des Landes durch die Industriearbeiter müssen Arbeiter- und Bauernräte zur Organisation der Basisbedürfnisse gegründet werden. Bei Übernahme des Landes durch die Industriearbeiter sind die Herrschenden gezwungen, zu kämpfen oder das Land zu verlassen. Die Arbeiter- und Bauernräte verweigern ihnen auch nur die geringste Zuteilung. Die Herren werden in Gewahrsam genommen.
Hier ist nichts