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zu sah ich Tiere, die ich nur aus Dokumentationen kannte. Als wir an einer Stelle langsamer fahren mussten, konnte ich auf dem Boden einen gigantischen Tausendfüßler erkennen und bekam eine Gänsehaut. Die Natur war hier wirklich unberührt. Ein echtes Abenteuer, das hatten wir doch gewollt. Jack schien die Umgebung nichts auszumachen, im Gegenteil, er schien eher einfach über die ganzen Wunder zu staunen und sich gar nicht sattsehen zu können. Ab und an zeigte er auf etwas; mal ein besonderer Baum, manchmal ein Tier, welches er zwischen dem ganzen Grün entdeckt hatte.
„Ich glaub, wir müssen einen anderen Weg finden“, sagte Javier irgendwann und drosselte das Tempo des Wagens. Vor uns war ein Baum auf der Straße. Javier verließ den Jeep, rauchte. Wir stiegen ebenfalls aus und sahen uns um. Jack ging zu Javier und betrachtete den Baumstamm. Ich sah mich einfach um, bis ich plötzlich eine Bewegung im Unterholz bemerkte. Ein Pfeil schoss nur um Haaresbreite an meinem Kopf vorbei. Ich schrie auf und rannte los, Javier und Jack ebenfalls. Weitere Pfeile folgten und blieben im Unterholz stecken. Meine Lunge brannte, aber ich durfte nicht aufhören. So schnell wie möglich rannte ich, doch dann stolperte ich über eine Wurzel und fiel der Länge nach hin. Unsanft landete ich auf dem Boden und riss mir meine Haut auf. Ich sah, wie Jack zu mir gehen wollte, aber Javier ihn packte und sie weiterrannten. Keine 10 Sekunden später, spürte ich ein Ziehen in der rechten Schulter und dann wurde alles schwarz um mich herum.
Als ich aufwachte, war das erste, was ich wahrnahm, ein seltsames Geräusch. Eine Art Dröhnen, das von allen Seiten zu kommen schien. Ich öffnete die Augen und befand mich in Dunkelheit; nur von etwas weiter weg war ein schwaches Licht zu sehen. Ich versuchte meine Arme zu bewegen und es funktionierte. Was war passiert? Ich rappelte mich auf. Langsam stolperte ich dorthin, wo es zumindest etwas Licht gab. Es war ein hoher felsiger Gang, der eine Biegung machte. Schritt für Schritt wurde es heller – an den Wänden sah ich kryptische Zeichen, vor denen ich stehenblieb. Genau diese hatte ich doch schon einmal gesehen? Im Museum wurde mir schlagartig klar. Was zur Hölle war passiert? Ich konnte mich nur noch daran erinnern, wie ich versuchte vor diesen Pfeilen zu entkommen und erwischt worden war. Alles danach und dazwischen war weg. War ich die ganze Zeit ohnmächtig gewesen? Langsam ging ich um die Ecke und hielt inne. Das Dröhnen schien von dort zu kommen. Ich wurde noch vorsichtiger, noch langsamer. Als ich sah woher das Dröhnen kam, erstarrte ich, wich kurz darauf etwas zurück. Dann hörte ich ein Stampfen und fing an zu rennen, aber ich wurde einfach gepackt und in die Luft gehoben. Vor mir stand eine riesige gelbliche Frau, die mich mit smaragdgrünen Augen anfunkelte. Es war die Göttin der Jagd. Ich hatte sie im Museum gesehen. Das konnte nicht wahr sein. Sie zeigte drei Reihen spitzer Zähne. „Du bist endlich aufgewacht“, sagte sie mit einer seltsamen Stimme, die allerdings nicht aus ihrem Mund zu kommen schien, sondern langsam aus dem Felsen kroch. „Also bist du es, der dieses Jahr für das Dorf bei der Jagd antritt.“ Ich starrte sie an und wollte nur noch aufwachen. Das musste ein Trip oder ein Albtraum sein. Sie setzte mich wieder auf dem Boden ab und blickte höhnisch auf mich herunter.
„Sag jetzt endlich etwas.“ Keine Sekunde nachdem ich die Wörter gehört hatte, hatte ich plötzlich hatte ich überall Schmerzen und krümmte mich zusammen. „Ich weiß nicht, wo ich bin, keine Ahnung ... ich.“ „Dann mach ich dich mal mit den Regeln vertraut.“ Sie bleckte wieder ihre Zähne, was wohl eine Art Lächeln war. „Es ist Jagdsaison und du wurdest ausgewählt, um die Jagd zu bestreiten. Keine Sorge; ich lasse dir einen Vorsprung. Wenn du es schaffst irgendwie hier herauszukommen, bist du frei. Wenn ich dich vorher fange, dann ist es bald vorbei mit dir. Verstanden?“ Ich antwortete nicht. „VERSTANDEN?“, dröhnte es von den Wänden und ich bekam wieder Schmerzen. „Also. Komm schon. Renn.“ Es dauerte nur einen Augenblick bis ich verstand. Und ich rannte. Rannte zurück in die Dunkelheit, in der ich eben erst erwacht war. Mein Gehirn lief auf Hochleistung während ich den endlosen Gang entlanghastete. Bald kam ich an die erste Abzweigung. Nach links, die nächste rechts, links, links, rechts, geradeaus, rechts, rechts, links. Hinter mir hörte ich die schnellen gewaltigen Schritte, die die Wände erbeben ließen. „Ich fang dich“, dröhnte es aus dem Stein. Ich wollte aufhören, wollte aufgeben, aber ich konnte nicht, auch wenn die Schmerzen unglaublich waren.
Links, rechts, rechts, links, links, links, links. Ich rannte einen schmalen Gang entlang, als ich etwas in der Mauer bemerkte. Eigentlich hatte ich keine Zeit, aber ich stoppte, drehte um, sah es mir genau an. Es war eine knapp ein Meter hohe und breite Öffnung im Stein. Ich ging auf die Knie und kroch langsam hinein. Atemlos versuchte ich in dem winzigen Tunnel voranzukommen und schürfte mir dabei die Haut auf. Kam sie hier vielleicht nicht hin, war das ein Ausgang? Vielleicht würde es auch in irgendeiner Sackgasse enden? Was war besser? Zu verdursten oder von diesem Monster gefangen zu werden?
Irgendwann wurde das Licht stärker. Ich kroch weiter, aber wie aus dem Nichts spürte ich Erschütterungen im Stein. Es fühlte sich an wie ein Erdbeben. Ich hatte keine Ahnung, wodurch sie verursacht wurden und es war mir auch völlig egal. Unter Schmerzen mühte ich mich ab weiterzukommen, durfte, konnte nicht aufhören. Es gab nichts anderes mehr. Irgendwann schaffte ich es endlich raus. Der Tunnel hatte wieder in einer Höhle mit meterhohen Wänden geendet. Doch diesmal war oben eine Öffnung zu sehen – Tageslicht! Die Erde bebte wieder. Ich rannte zu der Wand und kletterte so gut ich konnte nach oben. Immer wieder rutschte ich ab und schnitt mir tief in die Haut, aber ich schaffte es Stück für Stück nach oben. Nach endlosen Torturen war ich endlich an der Oberfläche angekommen. Ich hatte es geschafft. Ich war frei! Vor mir breitete sich die ruinöse Anlage der Worrenaki aus. Ich atmete tief ein und aus und erst jetzt wurde der ganze Schmerz real – als hätte mein Körper ihn die ganze Zeit zurückgehalten. Es dauerte einige Sekunden, doch dann bemerkte ich ein Rascheln.
Keine dreißig Meter vor mir, sah ich wie der Rezeptionist auf mich zulief. Man würde mich retten! Weg von diesem Albtraum, zurück ins Hotel und mit dem nächsten Flieger nach Hause. Oder… Ich stockte. „Hab ich dich“, sagte er und im Bruchteil einer Sekunde zog er eine Pistole und schoss mir ins Knie. Ich schrie auf und brach zusammen. „Wir werden dich gleich mal hübsch wieder zu Alma bringen“, sagte er. „Ich hab es geschafft. Ich hab gewonnen“, wimmerte ich. „Ja, das stimmt. Aber ... was du wahrscheinlich nicht weißt, ist, dass sie eine verdammt schlechte Verliererin ist. Wenn sie verliert, wird sie in die Stadt kommt und sich alle holen. Ich kann dich nicht gehen lassen.“ „Warum ich, warum?“ „Du bist eben hingefallen. Dein Kumpel wird das Alibi geben für die ganze Geschichte.“ Er nahm mich huckepack. „Es tut mir wirklich leid; ich weiß, dass es nicht fair ist. Zum Glück hab ich dich gefunden, bevor sie's bemerkt hat. Der Sender an deinem Rücken macht sich echt bewährt. Du kannst ihn unten ruhig entfernen, er wird dir nicht helfen. Mit dem Knie kannst du sowieso nicht mehr irgendwo rausklettern.“
„Lassen Sie mich gehen! LASSEN SIE MICH!“, schrie ich und schlug nach ihm, doch er trug mich unbekümmert weiter.
„Wie kannst du so arrogant sein und glauben, dass dein Leben mehr wert wäre, als das einer ganzen Stadt?“
Mit diesen Worten rollte er mich die Öffnung hinunter.
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Das ist nicht möglich, denke ich, als ich auf den Fernseher starre. Es ist eine Doku über die Worrenaki und ihre Legenden. Ich wusste, dass es mir nicht gut tun würde, wenn ich sie schaue, aber ich musste.
Es ist nun fast ein ganzes Jahr her, dass Samuel und ich nach Chile gefahren sind. Bis jetzt ist er nicht aufgetaucht. Die örtliche Polizei hatte sich des Falls angenommen, aber auch nach massiven Druck der britischen Botschaft wurden keine Ergebnisse erzielt. Nachdem wir Samuel damals zurückgelassen hatten, waren wir zurück in die Stadt. Tags darauf waren der Rezeptionist und sein Bruder spurlos verschwunden. Alles andere ist viel zu schnell passiert. Ich glaube nicht, dass Samuel noch lebt.
Es wird eine Nahaufnahme von den alten Malereien gemacht; auf ein Gesicht, welches eindeutig dem Rezeptionisten gehört. Eine Gänsehaut überkommt mich. „Die Legende der Worrenaki besagt, dass zwei Sucher jedes Jahr ein Opfer finden, um den Hunger von Alma, der Göttin der Jagd zu stillen. Jahr für Jahr wurde ein neues Opfer ausgewählt“, sagte der Sprecher. Es wurde auf das zweite Gesicht des Suchers gezoomt und es war eindeutig das Gesicht des Bruders. Die zwei Sucher. Womit hatte ich es zu tun? War Samuel einer göttlichen Jagd zum Opfer gefallen? War er das Opfer gewesen? Ich zittere, als auf das Gesicht des Opfers gezoomt wurde. In den alten Malereien war sein Gesicht zu sehen.
Samuel war von Anfang an verloren. Für die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft.