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leider auch, wie ich in einem, aus Wisconsin stammenden Telegramm erfuhr, das Mr. Laurie mir überreichte. Auf dem Weg zu der Frau, die unbedingt die Kommode haben wollte, war mein Vater mitsamt unserem Fuhrwerk in einen Steinschlag geraten und weder unsere beiden Pferde, noch er hatten überlebt. Ich war klarerweise völlig am Boden zerstört, hatte meinen Vater geliebt, woran sich auch in Zukunft niemals etwas ändern wird, und selbst wenn er nicht wirklich tot, jetzt bei Gott, meiner Mutter, Reverend Johnson, Vince und den anderen Engeln und Heiligen im Himmel ist, so fällt es mir dennoch schwer, seinen Tod zu akzeptieren. Erst der Reverend, dann meine Mutter und nun mein Vater, drei meiner wichtigsten Personen in meinem Leben und alle mussten viel zu früh diese Welt verlassen, mussten viel zu früh nach oben. Zufall? Das sowieso nicht, denn ich glaube nicht an Zufälle, glaube daran, dass Gott für jeden Menschen ein ganz spezielles Schicksal ausgewählt hat, alles so geschieht, wie er es für richtig hält, glaube jedoch auch daran, dass ich den Menschen, die mir mehr als alles andere bedeuten, Unglück bringe, nicht nur der Reverend, sondern auch meine Eltern, allem voran mein Vater wegen mir sterben mussten. Immerhin trug auch ich meinen Teil dazu bei, dass sich die Frau aus Wisconsin davon überzeugen ließ, die Kommode zu kaufen und sie sich ihr zustellen zu lassen, trieb meinen Vater damit regelrecht in sein Unheil. Dass mein Vater diesen schrecklichen Unfall erlitten hatte, sprach sich heute in Mankato rasch herum und so kamen bereits am Vormittag die ersten Bekannten und Freunde von uns zu mir, kamen, um mich aufzuheitern, mir Mut zuzusprechen, wollten unbedingt ins Haus, um mit mir von Angesicht zu Angesicht zu reden, doch das, was sie auf ihrem Herzen hatten, mussten sie vor der Haustür loswerden, denn ich ließ sie nicht herein. Ich wollte niemanden sehen und will es auch nach wie vor nicht, wollte und will keine Menschen um mich haben, will lediglich, dass mein Vater und Reverend Johnson bei mir sind, ja, auch mein Vater war heute bei mir zu Besuch, war wohl auch hier, um mich zu beruhigen, mich wissen zu lassen, dass es ihm gut geht. Dass es ihm dort oben an nichts fehlt, er dort hervorragend aufgehoben ist, war mir jedoch bereits von Vornherein klar, wesentlich lieber wäre es mir gewesen, wenn er noch viele Jahre hier unten bei mir auf die Erde geblieben, Gott ihn mir nicht so zeitig weggenommen hätte. Ich blicke aus dem Fenster, blicke auf die Straße herab, die vor unserem Laden vorbeiführt, und auf der sich ein paar Männer und Frauen tummeln, von denen mir die meisten fremd sind, und auch Cassandra ist draußen, sitzt gegenüber auf der Stufe einer Terrasse und starrt unseren Laden an. Als sie mich entdeckt, lächelt sie mich an und winkt mir, und ich wende mich ab. Ich will mit ihr nichts mehr zu tun haben, mit niemandem in dieser Stadt und überhaupt mit keinem Menschen mehr, bringe allen ohnehin nur Pech.
2. Dezember 1810
Gestern Nacht träumte ich wieder von Matthew, der Reverend möchte, dass ich ihn so nenne, träumte jedoch leider nicht von meinem Vater. Dieser hatte nämlich keine Zeit, um mich zu besuchen, lernte erst einmal sein neues Zuhause im Himmel kennen und traf sich mit meiner Mutter, verstorbenen Bekannten, Freunden und Verwandten, doch dafür träumte ich neben Matthew unter anderem auch von seinem besten Freund Vince, lernte diesen dank Matthew endlich kennen. Wie Matthew es mir bereits bei unserem Ausritt verraten hatte, ist Vince ein witziger und netter Kerl, der tagsüber nur durch Lakritze aus der Ruhe zu bringen ist, und auch ebenso liebenswürdig wie Matthew ist, was wohl auch der Grund dafür gewesen war, dass dieser mich zu ihm geführt, mich mit ihm bekannt gemacht hatte. Vince hätte mich wohl aufmuntern, mich von meinem Schmerz ablenken sollen, bestimmt wollte Matthew mir damit eine Freude bereiten, indem er mir jemanden vorstellte, der ihm wichtig war, ihm am Herzen lag, und ich weiß die Mühe von Vince und ihm auch sehr zu schätzen, bin ihnen auch sehr dankbar dafür, dass sie sich diese überhaupt gemacht hatten und das auch noch eigens für mich, nur leider war sie völlig umsonst. Eigentlich hatte ja alles gut begonnen, hatte der Plan der beiden auch wunderbar funktioniert, mir dabei geholfen, meinen Schmerz wenigstens für einige Momente lang zu vergessen, doch dieser Erfolg fand jäh ein Ende, als ich Vince ebenso wie meine Eltern und Matthew ins Verderben stürzte. Zwar musste Vince nicht so wie die anderen sterben, dies war und ist Gott Lob nicht möglich, Engel nämlich unsterblich sind, aber es genügte mir bereits, dass er bei dem Versuch, mir zu demonstrieren, welch ein tolles Pferd er hatte, von diesem herunterfiel, bei einem missglückten Sprung von diesem abgeworfen wurde. Gott Lob können sich Engel auch nicht verletzen, empfinden keine körperlichen Schmerzen, denn dieser Unfall hätte für ihn, sowohl auch für das Pferd, das ebenfalls unverwundbar war, übel ausgehen können, wobei jetzt sicher viele der Meinung sind, dass ihnen, Vince und dem Pferd sowieso nichts zugestoßen wäre, Träume ohnehin nur Hirngespinste, nicht real wären, womit dort auch niemanden wirklich etwas passieren konnte, doch ich bin, zumindest was jene Träume mit Matthew und von jetzt an auch Vince anbelangt, anderer Meinung. Dass die meisten der Träume der Menschen wirklich nur Träume, nichts weiter als Phantastereien sind, will ich gar nicht bestreiten, stimme dem sogar zu, weil es tatsächlich so ist, aber Träume, bei denen Engel ihre Finger im Spiel haben, sind keineswegs nur Träume, sind Reisen in andere Welten, die jedoch genauso real sind wie die Welt, wenn man wach ist. Zwar wollten Matthew und Vince es nicht wahr haben, hielten es für Unsinn, dass Vinces Unfall mein Verdienst gewesen war, beharrten darauf, dass er selbst dafür verantwortlich, es außerdem wirklich nichts weiter als bloß ein Unfall gewesen war, doch dies behaupteten sie sicherlich nur, damit ich mich nicht noch schlechter fühlte, als ohnehin schon. Ich bat die beiden Engel, mich in Zukunft in Ruhe zu lassen, nicht