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mehr in meine Nähe zu kommen, warf ihnen an den Kopf, dass ich auch mit ihnen nichts mehr zu tun haben wollen würde, als sie ablehnten, mir diesen Wunsch zu gewähren, und diesen zu äußern, war mächtig schwer für mich, schmerzt mich jetzt noch, denn nicht nur, dass ich Vince und Matthew damit verletzt habe, es war noch dazu auch nicht mein voller Ernst. Natürlich wollte und will ich sie bei mir haben, sie nicht verlieren! Natürlich wäre ich auch mit Vince sehr gerne befreundet, hab ihn ebenso wie Matthew unheimlich lieb, doch es ist wie es ist. Wenn die zwei nicht wollen, dass ihnen noch mehr Unheil wiederfährt, müssen sie mir fern bleiben, was Matthew jedoch nicht sonderlich zu stören scheint, ihn nicht davon abschreckt, mich trotzdem zu besuchen. Ebenso wie auch gestern versuchte ich heute erfolglos, meine Trauer um meinen Vater zu bewältigen, sie in Arbeit zu ersticken, was manchen angeblich auch gelingen soll, jedoch nicht bei mir. Ich hab einfach keinen Spaß mehr am Malen, kann mich damit einfach nicht trösten, mich dadurch auf andere Gedanken bringen, und darum lag ich meistens bloß weinend auf meinem Bett, anstatt mich meiner Lieblingsbeschäftigung zu widmen. Auch heute klopften Leute, darunter auch Clarissa, ständig an unsere Haustür, boten mir an, mir in meiner schwierigen Zeit beizustehen, wollten, dass ich ihnen sage, wenn ich irgendwas brauche, doch ich brauche nichts und niemanden, brauche lediglich Matthew an meiner Seite. Selbst wenn ich ihm keineswegs schaden möchte, nicht möchte, dass ihm wegen mir noch mehr Unglück geschieht, so kann ich mich nicht dagegen wehren, dass ich mich nach ihm sehne, wenn er nicht bei mir ist, mein Herz in meiner Not nach ihm ruft, ich ihn wirklich mehr als dringend brauche.
4. Dezember 1810
Wirklich erholt von meiner Trauer hab ich mich in den letzten beiden Tagen nicht, fühle mich im Großen und Ganzen sogar noch elender und schuld daran ist nicht bloß Vaters Tod, sondern auch das Fieber, das ich mir gestern Nacht eigefangen habe. Mir war irgendwie seltsam zumute, als ich heute Morgen aufwachte, hatte und habe auch nach wie vor Kopfschmerzen, habe kaum Appetit und schwindelig ist mir mitunter auch. . Es war mir aber trotzdem egal, dass bis auf meinen Eltern, bei denen ich mich mittlerweile auch bereits dafür entschuldigt habe, dass sie wegen mir nicht mehr als Menschen hier unten sein können, ihnen kein längeres Leben hier auf der Erde vergönnt gewesen war, bis auf sie, Matthew und Vince niemand da war, der sich um mich kümmerte. Ja, auch Vince zählt, seit Matthew uns einander vorgestellt hatte, zu meinen Gästen, lässt sich von mir nicht mehr abwimmeln, will offenbar trotz der Konsequenzen, die eine Freundschaft mit mir haben kann, mein Kamerad sein, will, ebenso wie auch ich es tief in meinem Herzen will, dass wir Freunde sind. Ich war abgesehen von der Trauer um meinen Vater dank meiner Eltern, Vince und Matthew und somit nicht zuletzt auch dank Gott rundum zufrieden, kam auch ohne einen anderen Menschen zurecht, womit Cassandra und die anderen Bewohner von Mankato ruhig bleiben hätten können, wo sie waren, sich wirklich nicht in meine Angelegenheiten mischen hätten müssen, doch nicht mein Wille geschieht, sondern jener von Gott, was irgendwo auch gut so ist, selbst wenn ich nicht immer mit seinen Entscheidungen einverstanden bin, und so habe ich die Leute nun erst recht am Hals, anstatt meinen Frieden vor ihnen zu haben. Ebenso wie die Menschen, mich miteingeschlossen, den Grund nicht nachvollziehen können, wenn ihnen etwas Grauenhaftes passiert, so kann ich es jetzt nicht nachvollziehen, warum Gott es zugelassen hat, dass die Leute sich gewaltsam Zutritt in mein Haus verschafften. Ich gebe ja zu, wenn ich an deren Stelle gewesen wäre, hätte ich vermutlich auch so gehandelt, hätte mich immense Sorgen gemacht, wenn jemand, den ich gern habe, zwei Tage lang nie auf meine Rufe antwortet und sich nicht einmal mehr am Fenster blicken lässt, besonders nach solch einem verheerenden Schicksalsschlag wie der Tod meines Vaters, doch nach dem Rechten sehen, hätten sie aber dennoch nicht müssen, wollten sich eben vergewissern, dass mir nichts zugestoßen ist, was sie sich im Nachhinein aber auch sparen hätten können. Ich war ziemlich erschrocken, als Cassandra und einige unserer Nachbarn, darunter auch Mr. Laurie und Mr. Franklin, plötzlich in meinem Zimmer standen und mich aus meinem Schlaf rissen, hätte schwören können, ich hätte mir nur eingebildet, jemand wäre in unser Haus gekommen. Vor allem bei Cassandra war das Entsetzen groß, vor allem sie war außer sich vor Sorge um mich, weil ich krank bin, und obwohl ich unsere Nachbarn und sie aufforderte, wieder zu gehen, sogar wütend wurde, sie mit allen Kräften dazu drängte, zu verschwinden, ist Cassandra noch immer hier, nach wie vor bei mir und verpflegt mich, kümmert sich um mich wie eine liebevolle Mutter, wie meine Mutter sich stets um mich gekümmert hatte, wenn ich krank gewesen war. Inzwischen haben wir uns auch schon ausgesprochen, uns wieder versöhnt und als ich ihr erklärte, weswegen ich trotz der Tatsache, dass sie meine allerbeste Freundin ist, auch sie aus unserem Haus werfen, sie los werden hatte wollen, ihr vor drei Tagen nicht gewinkt hatte, um damit zu bezwecken, dass sie unsere Freundschaft abhakte, mich vergaß, reagierte sie genauso verständnislos wie Vince und Matthew, bestritt, dass ich am Pech anderer Schuld hätte, ihre Schicksale negativ beeinflusse, nahm meine Angst, sie könnte wegen mir verunglücken oder so, einfach nicht ernst, meinte daraufhin nur, dass sie bereit sei, dies zu riskieren. Matthew, Vince und sie mögen meine Behauptung lächerlich finden, es lächerlich finden, dass ich verflucht bin, überzeugt davon, dass ich Recht habe, bin ich aber trotzdem.
5. Dezember 1810
Ich finde es schön, krank zu sein. Wirklich. Jetzt, wo ich krank bin, fühl ich mich Vince und ganz besonders Matthew näher denn je zuvor und ich genieße es sehr, ihnen nahe zu sein. Außerdem hätte ich ohne meine Erkältung, meinem Fieber Cassandra vermutlich als Freundin tatsächlich verloren, hätte es irgendwann zutiefst bereut, sie von mir weggestoßen zu haben, bereue es