Wie ich Katze bei Baumgarts wurde - Page 7

Bild zeigt Dieter J Baumgart
von Dieter J Baumgart

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uns vor einem Haus, das ich nicht kannte. Ich hatte tatsächlich schon befürchtet, es ginge wieder zurück in die Katzenkommune. Der Fahrstuhl blieb mir erspart. Aber wir kamen dann in ein Zimmer, und das war so eigenartig, daß ich jetzt noch nicht weiß, wie ich das beschreiben soll. In diesem Zimmer waren noch einige andere Tiere mit ihren Menschen: Katzen, Hunde und auch ein Vogel. Ein Hund hatte ein ganz dickes, weißes Bein, und eine Katze saß ganz in meiner Nähe. Und über allem hing ein Geruch, den ich nicht kannte. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll, denn es roch nach vielen Sachen, vor allem aber nach Angst, nach allgegenwärtiger Angst, wie ich es noch nie erlebt hatte! Alle waren sie sehr still, die Tiere und ihre Menschen, und die Katze neben mir hat mich nur ganz traurig angesehen. Manchmal ging eine Tür auf, ein vollkommen weißer Mensch schaute heraus – der hatte sogar weißes Fell auf dem Kopf – und eines der Tiere verschwand mit seinem Menschen in dem anderen Zimmer. Dann war es wieder still. Ich habe den Dieter mit großen Augen angesehen, aber der war auch ganz anders als sonst, redete nur mal leise mit mir und streichelte mich immer wieder. Dann ging die Tür auf, der weiße Mensch schaute in die Runde, da stand der Dieter plötzlich auf, mein Zitterherz rutschte endgültig in den Keller, und schon waren wir in einem Zimmer mit einem großen silbrigen Tisch in der Mitte. Und da roch es noch viel stärker nach Angst. Mit meinen sämtlichen Pfoten krallte ich mich an den Dieter – und dann ging das alles ganz schnell. Ich glaube, der weiße Mensch hatte mich gepiekt – und als ich die Augen wieder aufmachte, da war ich zu Hause, im Zimmer mit dem Kletterbaum und dem großen Kasten, dessen Gebimmel und Geschnaufe jetzt in meinen Ohren schönste Katzenmusik war. Eingewickelt in dicke Decken lag ich da und mußte wohl sehr lange geschlafen haben. Keine Erinnerung an Fahrstuhl oder Auto, und auch die Henkelhöhle war nicht in Sichtweite. Meine Menschen standen um mich herum und fletschten wieder einmal die Zähne, und ich stellte fest, daß mir meine Zunge aus dem Maul hing und schon ganz trocken war. Mit großer Mühe brachte ich sie hinter die Zähne, das war so anstrengend, daß ich gleich darauf wieder einschlief. Als ich dann zum zweiten Mal wach wurde, ging das alles schon etwas besser, und so wühlte ich mich langsam aus der Decke, denn der Durst war groß und zum Glück stand der Wassernapf auch ganz in der Nähe. Aber ihr könnt es mir glauben: es war doch ein weiter Weg. Ich hatte einfach keine Beine und kippte hinten immer wieder um. Das muß wohl schon komisch ausgesehen haben, aber meine Menschen schienen das ganz in Ordnung zu finden, und auch dieser schreckliche Geruch nach Angst, der mir noch im Fell hing, ließ nach und beunruhigte mich nicht mehr. Mir half zwar keiner, aber sie schienen doch aufzupassen, daß mir nichts passierte, und das war schon ganz beruhigend. Pingelig, wie ich nun einmal bin, machte ich mich auch gleich auf den Weg zum Klo. Es war ja nur ein halber Meter, aber da bin ich dann doch mehr hinein gestolpert als gegangen. Am Bauch hing ein weißer Lappen, der nach einigen Tagen von allein abfiel. Die kahle Stelle, die darunter zum Vorschein kam, hat zwar gejuckt, aber es war zu ertragen. Viel wichtiger war, daß ich wieder unterwegs sein konnte: klettern, klauen, Schränke aufräumen.
          Ach, ich erinnere mich an eine besonders lustige Sache: Eines Tages hatte ich es wieder einmal geschafft, bis ins obersten Fach vom Kleiderschrank zu springen. Erst auf einen Stuhl, von da auf einen kleineren Schrank und dann schräg hinüber in ein volles Fach. Das roch so gut da drin, und ich konnte mich richtig hineinkuscheln. Und immer, wenn ich mich drehte, um es noch bequemer zu haben, machte es hinter mir „blupp“. So lange, bis außer mir selbst nichts mehr im Fach war. Und als ich mal nachsehen wollte, wo die Sachen alle geblieben waren, da kam Spätzlein dazu: „Mensch, Coco!!“ Na, ich bin dann direkt auf den weißen Berg unten gesprungen und weg in die Küche, wo aber leider nichts Schmackhaftes herumlag. Ich meine, es wäre ja ein Abwasch gewesen. Wenn der Ärger schon da ist, dann kommt es auf ein bißchen mehr auch nicht an – finde ich jedenfalls. Aber Spätzlein war gar nicht so verärgert, und am Ende hat sie sogar wieder die Zähne gefletscht und Streicheleinheiten verteilt. Die kahle Stelle am Bauch ist natürlich auch längst verschwunden und der Katzenjammer überfällt mich nicht mehr. „Frech wie Rotz isse wieder!“ sagen meine Menschen. Na ja, die müssen es schließlich wissen. Der weiße Mensch ist mir allerdings in Erinnerung geblieben, und so manches Mal habe ich noch von ihm geträumt. Jahre später habe ich dann noch einmal einen solchen Menschen erlebt. Der mußte mich auch pieken. Aber danach schlief ich nicht ein, und überhaupt war das eine ganz andere Geschichte: Nach dem Pieken fuhren wir weit weg! Alle! Mit Kindern und Katze, das ganze lebende Inventar und alles, was sich so in einem Auto unterbringen läßt. Oh ja, das Auto blieb mir nicht erspart! Ich meine, einerseits war es natürlich interessant, und Neugier geht mir nun einmal über alles. Aber Auto fahren – also ich weiß nicht.
          Nein, wirklich, aber das ist eine Geschichte, die muß ich von Anfang an erzählen. Das Ganze begann nämlich damit, daß der Dieter mich an einem schönen Frühlingstag in die Henkelhöhle packte – übrigens, die Zeiten sind vorbei, das passiert mir nicht mehr! – und durch die Gegend fuhr. Einfach so!
Nicht etwa zurück in die Katzenkommune – ich meine, das habe ich auch nie befürchtet, dazu kannten wir uns nun schon zu gut –, aber auch nicht noch einmal zu einem weißen Menschen. Wir fuhren einige Zeit in der Gegend herum, und wieder nach Hause. Einfach so –. Ein paar Tage später, wieder das Gleiche.

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