Heinrich Heine
zur Person
Der Dichter mit der flexiblen Seele. Christian Johann Heinrich Heine (eigentlich Harry) erwarb sich durch den Taufschein das "Entreebilett" zur christlichen Gesellschaft. Er starb eines mehr oder minder natürlichen Todes. Seinen geistigen Kindern jedoch konnte er nicht die Verbrennung auf den Scheiterhaufen der Nazis ersparen. Am 13. Dezember 1797 geboren, hineingestellt in eine Zeit des äußeren Wandels, scheint ihm dadurch sein Schicksal bestimmt. Helmut Koopmann wird ihm in seinem Aufsatz (Deutsche Dichter des 19. Jahrhunderts) am ehesten Gerecht, wenn er auf ihn Thomas Manns Wort anwendet, "sich der Forderung des Tages zu stellen". Der von seinen Freunden bewunderte und von seinen Kritikern böse verrissene Dichter, der neben Goethe und Schiller gestellt werden kann, verkörperte wie kaum ein anderer das Phänomen der leidenschaftlich-wandelbaren und flexiblen Seele. Am meisten bekannt ist er als "letzter Romantiker", wie er sich selbst bezeichnete. Anfangs die Literaturform des 18. Jahrhunderts pflegend, die mit Lessing, seinem Idol, begann, ging er bald zum volksliedhaften, scheinbar kunstlosen Ton über, der ihn weltberühmt machte. Diese Art der Dichtung war modern. Auf klare Weise behandelte er klare Gefühle. Liebe und Endtäuschung waren die Grundmotive seiner Verse. Man spürt in seinem Werk sein eigenes, zerrissenes, todwundes Herz. Kritiker stellen ihn daher in eine Reihe mit anderen "Erlebnisdichter". Das ist nicht zutreffend. Seine Lyrik wird weniger durch das Erlebnis an sich als durch die Erfahrung geprägt. Der Leser findet sich in diesen Versen selbst wieder, und es breitet sich eine Art von "Heinomanie" aus. Sein Biograf Meissner erklärte: "Er sprach aus, was 1000 andere Menschen auf den Lippen hatten". Heinrich Heine sieht auf die bunte Welt, aus einer fast weise wirkenden Entfernung und zeigt damit, dass er sich seiner Ausgeschlossenheit völlig bewusst ist, und dass er sie akzeptiert. Seine Lyrik ist nicht der Ausdruck von Weltschmerz, sondern ein Kunstgebilde. "Das artistische Spiel," schreibt Koopmann, "überwiegt fast immer die Emotion." So wird Heines Dichtung zur "Reflexionsdichtung", indem das Erlebte durch das volle Wissen um den Übergang in die Erfahrung gefiltert wird. Zu Unrecht wird vergessen, dass Heinrich Heine auch Schriftsteller war. Seine Reiseberichte zeigen, dass er sich stets im Innern treu bleibt. Nicht das wechselvolle Spiel des vorbeiziehenden Abenteuers ist vordergründig, sondern das reisende Ich. Für ihn steht das sehende Individuum im Mittelpunkt seiner Schilderung. Weil sich auch in seiner publizistischen Prosa dieses Ich zeigt, das schrankenlos ausspricht, was ihm begegnet, waren und sind Kritiker der Meinung, dass Heine eine Art "Narzissmus" betrieb. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass sich Heinrich Heine im Grunde stets selber treu blieb. In allen Phasen seines Lebens war er "wahr". Es erfolgte eine große "religiöse Umwälzung". "Die Hebräischen Lieder" und die Briefe "Aus der Matratzengruft" zeugen ebenso davon, wie sein lyrisches Spätwerk "Romanzero". Seine Fähigkeit, erlittenes Leben und erlebtes Leiden durch das Genie seiner dichterischen Möglichkeiten zu filtern, machte aus ihm den "großen Heine", der am 17. Februar 1856 starb.