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bester Olivo, die Senatoren von Venedig –« »Haben es nicht um Sie verdient«, unterbrach ihn Olivo lebhaft. »Lassen Sie sie warten. Bleiben Sie bei uns bis übermorgen, nein, eine Woche lang.« Casanova schüttelte langsam den Kopf, während er die kleine Teresina bei den Händen gefaßt und zwischen seinen Knien wie gefangen hielt. Sie entwand sich ihm sanft mit einem Lächeln, das nun gar nichts Kindliches mehr hatte, als Amalia und Marcolina aus dem Hause traten, jene mit einem schwarzen, diese mit einem weißen Schaltuch über den hellen Gewändern. Olivo forderte sie beide auf, ihre Bitten mit der seinigen zu vereinen. »Es ist unmöglich«, sagte Casanova mit einer übertriebenen Härte in Stimme und Ausdruck, da weder Amalia noch Marcolina ein Wort fanden, Olivos Einladung zu unterstützen.
Während sie durch die Kastanienallee dem Tore zuschritten, richtete Marcolina an Casanova die Frage, ob er heute nacht seine Arbeit, über der ihn Olivo, wie er gleich erzählt, noch am hellen Morgen wach gefunden, beträchtlich gefördert habe? Schon gedachte Casanova ihr eine zweideutig-boshafte Antwort zu geben, die sie stutzig gemacht hätte, ohne ihn doch selbst zu verraten; aber er zügelte seinen Witz in der Erwägung, daß jede Voreiligkeit von Übel sein könnte, und erwiderte höflich, daß er nur einige Änderungen angebracht habe, zu denen er die Anregung der gestrigen Unterhaltung mit ihr verdanke. Sie stiegen in den unförmlichen, schlechtgepolsterten, aber sonst bequemen Wagen. Casanova saß Marcolinen, Olivo seiner Gattin gegenüber; doch das Gefährt war so geräumig, daß es trotz des Hinundherrüttelns zu keiner ungewollten Berührung zwischen den Insassen kommen konnte. Casanova bat Amalia, ihm ihren Traum zu erzählen. Sie lächelte ihn freundlich, fast gütig an; jede Spur von Gekränktheit oder Groll war aus ihren Zügen verschwunden. Dann begann sie: »Ich sah Sie, Casanova, in einem herrlichen, mit sechs dunklen Pferden bespannten Wagen vor einem hellen Gebäude vorfahren. Vielmehr: der Wagen hielt an und ich wußte noch nicht, wer drin saß – da stiegen Sie aus, in einem prächtigen, weißen, goldgestickten Staatsgewand, fast noch prächtiger anzuschaun, als Sie heute angetan sind – (es war ein freundlicher Spott in ihren Mienen) – und Sie trugen – wahrhaftig, die gleiche schmale Goldkette trugen Sie, die Sie heute tragen, und die ich doch wahrlich niemals noch an Ihnen gesehen habe! (Diese Kette mit der goldenen Uhr und eine mit Halbedelsteinen besetzte goldene Dose, die Casanova eben wie spielend in der Hand hielt, waren die letzten Schmuckstücke von mäßigem Wert, die er sich zu bewahren gewußt hatte.) – Ein alter, bettelhaft aussehender Mann öffnete den Wagenschlag – es war Lorenzi; Sie aber, Casanova, Sie waren jung, ganz jung, noch jünger, als Sie damals gewesen sind. – (Sie sagte »damals«, unbekümmert darum, daß aus diesem Worte flügelrauschend all ihre Erinnerungen geflattert kamen.) Sie grüßten nach allen Seiten, obwohl weit und breit kein Mensch zu sehen war, und traten durch das Tor; es schlug heftig hinter Ihnen zu, ich wußte nicht, ob es der Sturm zugeschleudert oder Lorenzi; – so heftig, daß die Pferde scheuten und mit dem Wagen davonrasten. Nun hörte ich ein Geschrei aus Nebengassen, wie von Menschen, die sich zu retten suchen, das verstummte gleich. Sie aber erschienen an einem Fenster des Hauses, ich wußte jetzt, daß es ein Spielhaus war, und grüßten herab nach allen Seiten, und es war doch niemand da. Dann wandten Sie sich über Ihre Schulter nach rückwärts, als stände irgendwer hinter Ihnen im Zimmer; aber ich wußte, daß auch dort niemand war. Nun erblickte ich Sie plötzlich an einem andern Fenster, in einem höhern Stockwerk, wo genau dasselbe vor sich ging, dann wieder höher, und wieder, es war, als wüchse das Gebäude ins Unendliche; und von überall grüßten Sie herunter und sprachen mit Menschen, die hinter Ihnen standen, aber doch eigentlich gar nicht da waren. Lorenzi aber lief immerfort auf den Treppen Ihnen nach, ohne Sie einzuholen. Sie hatten nämlich nicht daran gedacht, ihm ein Almosen zu geben...«
»Nun?« fragte Casanova, als Amalia schwieg. – »Es kam wohl noch allerlei, aber ich hab' es vergessen«, sagte Amalia. Casanova war enttäuscht; an ihrer Stelle hätte er, wie er es in solchen Fällen, ob es sich nun um Träume handelte oder um Wirklichkeiten, immer tat, der Erzählung eine Abrundung, einen Sinn zu geben versucht, und so bemerkte er nun etwas unzufrieden: »Wie der Traum doch alles verkehrt. – Ich – als reicher Mann und Lorenzi als Bettler und alter Mann.« – »Mit Lorenzis Reichtum«, sagte Olivo, »ist es nicht weit her; sein Vater ist zwar ziemlich begütert, aber er steht mit dem Sohne nicht zum besten.« – Und ohne sich mit Fragen weiter bemühen zu müssen, erfuhr Casanova, daß man des Leutnants Bekanntschaft dem Marchese verdanke, der ihn vor wenigen Wochen eines Tages einfach in Olivos Haus mitgebracht habe. Wie der junge Offizier mit der Marchesa stünde, das müsse man einem Kenner, wie dem Chevalier, nicht erst ausdrücklich zu verstehen geben; da übrigens der Gatte nichts dagegen einzuwenden finde, könne man sich als Unbeteiligter gleichfalls dabei beruhigen,
»Ob der Marchese so einverstanden ist, wie Sie zu glauben scheinen, Olivo«, sagte Casanova, »möchte ich bezweifeln. Haben Sie nicht bemerkt, mit welchem Gemisch von Verachtung und Grimm er den jungen Menschen behandelt? Ich möchte nicht darauf schwören, daß die Sache ein gutes Ende nimmt.«
Auch jetzt rührte sich nichts in Marcolinens Antlitz und Haltung. Sie schien an dem ganzen Gespräch über Lorenzi nicht den geringsten Anteil zu nehmen und sich still am Anblick der Landschaft zu erfreuen. Man fuhr eine in zahlreichen Windungen sanft ansteigende Straße durch einen Wald von Oliven und Steineichen; und da man eben an eine Stelle kam, wo die Pferde noch langsamer trotteten als vorher, zog es Casanova vor, auszusteigen und neben dem Gefährt einherzugehen. Marcolina sprach von der schönen Umgebung Bolognas und von den Abendspaziergängen, die sie mit der Tochter des Professors Morgagni zu unternehmen pflegte. Auch erwähnte sie der Absicht, nächstes Jahr nach Frankreich zu reisen, um den berühmten Mathematiker Saugrenue von der Pariser Universität, mit dem sie in Korrespondenz stehe, persönlich kennenzulernen. »Vielleicht mache ich mir das Vergnügen«, sagte sie lächelnd, »mich auf dem Weg