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sich wider meinen Willen. Ich wünschte diesem Geschöpf einen entsetzlichen Tod; zwanzig Projekte durchkreuzten mein Gehirn, das sie alle als zu schwächlich verwarf. Ich wollte alle Leiden der Menschheit auf ihr Haupt sammeln, aber keines erschien mir arg genug, wenn ich es genau bedachte. »O Jérome,« schrie sie, als sie wieder zum Bewußtsein erwachte und meine Gedanken erriet, »ich könnte noch leben und leben, um dich zu lieben; du weißt, was ich für dich getan habe und wer von uns beiden im Unrecht ist.« Aber weit entfernt davon, mich zu erweichen, erregte mich die Dirne nur umso mehr. Ich trat sie mit Füßen, ich schlug ihren Busen und biß ihre Hinterbacken; ich ähnelte dem Tiger, der endlich seine Beute erlangt hat, die den Wütenden nur dadurch ergötzt, daß sie ihn noch mehr reizt. Kurz, ich war trunken vor Wollust und Raserei, als meine Leute mir die Nachricht brachten, daß das Schiff, welches wir mitschleppten, der Fahrt sehr hinderlich sei. Da entschloß ich mich zu dem merkwürdigen Plan, den ich nun auseinandersetzen will.
Ich ließ Josephine nackt an den Mast dieses Fahrzeuges binden; dann ließ ich Pulver an dessen Deck bringen; die Taue, die es mit meinem Schiffe verbanden, ließ ich durchschneiden; dann ließ ich eine Lunte, das letzte Band zwischen den beiden Schiffen, anzünden, worauf das zweite in die Luft flog. Indessen bearbeitete ich den kleinen Schiffsjungen und genoß das köstlichste Vergnügen, die zerrissenen Glieder derjenigen, die mich ehedem so geliebt und die mir noch vor kurzem Geld und Freiheit verschafft hatte, für immer in den Fluten versinken zu sehen. Ach, welch eine Entladung! Nie hatte ich eine stärkere genossen.
Endlich kamen wir in Livorno an, wo ich im besten Zustande ans Land ging. Ich verabschiedete meine Leute und verkaufte das Schiff; sodann begab ich mich, nachdem ich mehrere Tage ausgeruht hatte, zu Lande nach Marseille, da ich mich nicht mehr den gefährlichen Launen[243] eines Elementes aussetzen wollte, dessen Unbeständigkeit ich so stark empfunden hatte.
Marseille ist eine prächtige Stadt, wo man allen Formen von wüsten Ausschweifungen fröhnen kann. Prächtige Wollustobjekte, göttliches Klima; was brauchte es mehr, einen solchen Lüstling wie mich zu fesseln? Ich hatte das geistliche Gewand abgelegt; da ich sicher war, wieder in meine priesterlichen Rechte eintreten zu können, wann ich wollte, erfreute ich mich einige Zeit an den Freiheiten des weltlichen Gewandes. Ich mietete ein hübsches Haus beim Hafen, einen ausgezeichneten Koch, zwei Dienstmägde sowie zwei vorzügliche Kuppler, deren einen ich mit der Aufbringung von Lustknaben, den anderen mit der von Mädchen betraute; beide leisteten mir so gute Dienste, daß ich in meinem ersten Jahre mehr als tausend Knaben und fast zwölfhundert junge Mädchen sah. Es gibt in Marseille eine Klasse solcher Geschöpfe, bekannt unter dem Namen Chaffrecane, die nur aus zwölf- bis fünfzehnjährigen in Fabriken oder Geschäftshäusern arbeitenden Kindern besteht; diese liefert den Wüstlingen dieser Stadt die prächtigsten Objekte. Ich räumte rasch in ihren Reihen auf, so daß ich bald blasiert wurde; wenn mein Genuß nicht von Freveltaten begleitet war, konnte er mich nicht befriedigen. Ich suchte also meinen Grundsätzen gemäß meine trefflichen Talente mit meinem Geschmack zu verknüpfen.
Mit solchen Plänen brachte ich meine Zeit zu, als eines Tages einer meiner Kuppler mir ein achtzehn-bis zwanzigjähriges, sehr schönes Mädchen zuführte, die, wie man mir versicherte, klug war wie Minerva. Nur das grenzenlose Elend, in dem sie sich befand, vermochte sie zu diesem furchtbaren Schritte; sie bat mich, sie irgendwie unterzubringen, ohne mit ihrer schlimmen Lage Mißbrauch zu treiben. Wäre dieses junge Mädchen nicht schön gewesen wie der Tag, so hätte schon der Zustand, in dem man sie mir vorführte, mich im höchsten Grade erregt. Der erste wüste Gedanke, der mir durch den Kopf schoß, war der, mich an ihr zu ergötzen und sie zu prellen. Um diesen frommen Plan zu verwirklichen, befahl ich meinem Manne, sich zurückzuziehen, nachdem seine Beute in mein Boudoir eingetreten war. Ueberrascht von der Schönheit des Mädchens, konnte ich nicht umhin, sie um ihre Abkunft zu befragen. »Ach, mein Herr,« antwortete sie, »ich bin zu Lyon geboren; meine Mutter hieß Henriette, mein Name ist Helene. Meine unglückliche Mutter war das Opfer ihres ruchlosen Bruders, der sie mißbraucht hatte, und starb, wie es hieß, auf dem Schaffot. Ich bin die Frucht dieser schrecklichen Blutschande; sie war die Ursache[244] aller Leiden meines Lebens. Bis zum elften Lebensjahre lebte ich nur von der Mildtätigkeit. Eine Dame nahm mich um diese Zeit zu sich und lehrte mich arbeiten; ich befände mich jetzt nicht in der schrecklichen Lage, in der Sie mich sehen, wenn ich nicht so unglücklich gewesen wäre, sie zu verlieren. Seitdem hat es mir an Arbeit gefehlt und ich habe es vorgezogen, mein Brot zu erbetteln, als mich einem liderlichen Lebenswandel zu ergeben. Seien Sie großmütig, mein Herr; helfen Sie mir, ohne meinen Zustand zu mißbrauchen, dann werde ich des Himmels Segen auf Sie herabflehen.« Helene senkte die Augen nach dieser Rede, ohne nur eine Ahnung zu haben von der merkwürdigen Erregung, die sie in meinem ganzen Wesen hervorgerufen hatte. Ich erkannte mit Bestimmtheit in diesem prächtigen Geschöpfe das Kind meiner Cousine Henriette, des unglücklichen Opfers der Ruchlosigkeit meines Cousins Alexander und meiner schauerlichen Bosheit. Nie hatte eine Tochter ihrer Mutter ähnlicher gesehen. Wenn Helene kein Wort erzählt hätte, so hätte ich bloß durch Betrachtung ihrer Züge ihre Abkunft erraten. »Mein Kind,« sagte ich, »Ihre Erzählung ist recht interessant; vielleicht rührt es mich mehr als einen anderen; aber nichtsdestoweniger können Sie bei mir nichts durchsetzen, wenn Sie sich nicht allen meinen Befehlen blindlings unterwerfen. Beginnen Sie sich vollständig zu entkleiden.« – »Aber, mein Herr!« – »Kein Widerstreben, mein Herz, ich liebe das nicht; Sie haben von mir nichts zu erwarten, wenn Sie sich nicht bedingungslos allen meinen Launen unterwerfen.« Helene antwortete mit Tränen; als sie aber an meinem brutalen Vorgehen bemerkte, daß ich wenig Lust zeigte, ihre Bitten zu erhören, gab sie nach, indem sie mich mit Tränen überströmte. Helene besaß zu viele Reize, zu viel Anspruch an das Herz eines Wüstlings gleich mir, als daß ich an die Idee, sie zu schonen, auch nur hätte