Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 133

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und ihre Kräfte erproben, um an andere Ruchlosigkeiten zu schreiten.

»Es ist unnötig«, die Aufregung der unglücklichen Gattin zu schildern, als sie erfuhr, daß ihr Quälgeist, von ebenso wüsten und grausamen Gesellen wie er geleitet, herbeikam, um ihr die schauerlichen Visiten abzustatten. Sie erhob sich vom Tische. »Liebes Fräulein,« fragte sie Justine, »sind Sie recht trunken, recht erhitzt, recht fürchterlich?« – »Jawohl, Madame, sie sind ohne Besinnung.« – »Großer Gott! ich werde Grausamkeiten erdulden. Nicht wahr, Fräulein, Sie lassen mich während dieser furchtbaren[312] Szene nicht allein, Sie bleiben doch bei mir?« – »Gewiß, wenn man es mir erlaubt.« – »O ja, wer sind denn diese Leute?« »Der eine von ihnen ist, wie Sie sagten, der Neffe des Grafen, der Marquis de Bressac? ...« »O, das ist ein Scheusal, ich kenne seinen Ruf; er hat, wie es heißt, seine Mutter vergiftet. Und Herr de Gernande empfängt in seinem Hause den Mörder seiner Schwester! Welche Ruchlosigkeit, großer Gott! Der andere, sagen Sie, ist ein Berufsmörder?« – »Ja, Madame, ein Vetter des Herrn de Gernande, der seiner Ausschweifungen wegen eine Herberge hält, um darin alle dort weilenden zu bestehlen und umzubringen.« – »Ach! was für Leute! ... was für Leute! Solche Frevlern will mich mein Gatte preisgeben! Wer ist aber die Frau, die Sie mit sich tragen?« – »Die Gattin des Wirtes, ebenso frevlerisch und entartet wie die anderen.« – »Ach, Fräulein, es ist also möglich, daß die Sanftmut und Anmut unseres Geschlechtes sich zu all der Entartung der Männer gesellen!« – »Wissen Sie denn nicht, Madame, daß eine Frau, die auf die Schamhaftigkeit und Zurückhaltung, die unserem Geschlechte eigen ist, verzichtet hat, schneller noch und unaufhaltsamer als die Männer die Bahn des Lasters und der Unmäßigkeit einschlägt?« – »Und Sie glauben, Fräulein, daß Herr de Gernande mich auch zum Spielball der scheußlichen Lüste dieses abscheulichen Geschöpfes wird werden lassen?« – »Zweifellos!« – Kaum hatte Justine ihre Antwort gegeben, da ließ sich die Gesellschaft vernehmen. Unmäßiges Gelächter, entsetzliche Flüche, eine Flut von Gotteslästerungen kündigten ihre Ankunft der Frau de Gernande an, der einige Tränen in die Augen traten; dennoch bereitete sie sich unterwürfig vor.

Die Sippschaft bestand aus dem Gatten, Herrn und Frau d'Esterval, Bressac, sechs der hübschesten Lustknaben und den zwei alten Aufseherinnen; dazu kam noch unsere unglückselige Justine, die ganz bestürzt über die Vorbereitungen zu den Ruchlosigkeiten gleichfalls mißhandelt zu werden fürchtete; überzeugt, ihrer Herrin von keinem Nutzen sein zu können, wünschte sie sich innerlich hundert Meilen weg von hier.

Alle Zeremonien, die wir eingehend schildern wollen, wurden regelmäßig bei jeder Visite des grausamen Gatten eingehalten. Aenderungen wurden nur in Kleinigkeiten getroffen, je nach der größeren oder geringeren Zahl der vom Grafen zugelassenen Leute.

Die Gräfin, nur in ein Hemd aus Gaze gehüllt, kniete nieder sowie der Graf eintrat; in diesem Zustande der Demütigung wurde sie von den Frevlern einer Betrachtung unterzogen. »Wahrlich, lieber Onkel,« sagte[313] Bressac, schwankend, »Sie haben da ein prächtiges Geschöpf zur Frau.« Dann stammelte er: »Erlauben Sie mir, teure Tante, Sie zu begrüßen? ... Ich bin wirklich betrübt, Sie in so kläglichem Zustand zu sehen; mein lieber Onkel muß wirklich Grund zur Klage haben, daß er Sie derart quält; denn er ist wirklich ein gerechter Mensch.« – »Madame muß böses Unrecht ihrem Gatten antun,« sagte Frau d'Esterval, »die von einem heftigen Schlucken geplagt wurde; es wäre sonst unmöglich, daß ein so menschlicher, so liebenswürdiger und sanfter Mann dergleichen Dinge von einer Dame verlangte, wenn sie ihm nicht Grund zur Klage gäbe.« – »O nein, ich sehe, um was es sich handelt,« sagte d'Esterval; »das ist ein Akt der Anbetung von Seiten der Gräfin; es ist eine Huldigung, die sie ihrem Gatten erweist.« – »Meine Freunde,« sagte Gernande, »Sie werden es für gut befinden, daß sie diese Huldigung Ihrem Hintern darbringt, und ich bitte Sie alle drei, ihr den Gott darzubieten, damit er den Weihrauch empfange.« – »Ah! beim Himmel, mein Onkel hat Recht,« sagte Bressac, sogleich die Hosen herablassend und bereitwilligst seinen Arsch enthüllend, »ja, ja, ich sehe wohl, es ist mein Hinterer, den meine teure Tante anbeten will, daher weise ich ihn ihr mit großem Vergnügen.« – »Vorwärts also, alle Aersche heraus!« befahl Gernande. »Momentan umgeben die Hintern der beiden anderen Mitglieder der Sippschaft, der Justinens, der Lustknaben und selbst der der Alten derart die arme Gräfin, daß sie von dieser Ueberfülle von Gesäßen, die ihr fast das Gesicht streifen, beinahe erdrückt wird.« – »Ein bißchen Ordnung,« sagte Bressac, »sonst werden wir Madame ersticken; ein jeder soll – einer nach dem anderen – sich diesen Körperteil, der derart die Lüste anregte, von ihr küssen lassen; ich will mit dem Beispiel vorangehen.« Ein wenig Kot begleitet die Handlung, die so angenehm erscheint, daß jedermann – Justine ausgenommen – sie sofort nachahmt. – »Wohlan, Madame,« sagt schließlich Gernande, »sind Sie bereit?« – »Zu allem mein Herr,« antwortet die Gräfin unterwürfig; »Sie wissen wohl, daß ich Ihr Opfer bin.« Gernande befiehlt dann Justine, ihre Herrin zu entkleiden, und mag sie noch solchen Wiederwillen empfinden, es bleibt ihr nichts übrig, als sich zu fügen. Die Unglückliche gab sich, ach, erst dann her, wenn sie nicht anders konnte, doch nie gutwillig; sie zieht ihrer Herrin das Hemd aus und enthüllt sie nackt vor den Augen der schamlosen Sippschaft. – »Ein prächtiges Weib, auf Ehre,« sagt d'Esterval, den dieser Anblick gewaltig reizt. – »Nun also,« meint Gernande, »bearbeite sie, mein Freund, da du sie für schön findest; ich gebe sie dir preis. Verzeihung, Neffe, wenn ich sie nicht zuerst dir überlasse; aber ich[314] kenne deinen Geschmack ... dir bleibt ihr Arsch vorbehalten; wenn es dich darnach gelüstet, dann nehmt sie in die Mitte.« – »Die Verwandtschaft wird bei mir Wunder bewirken; und obgleich der Hintere eines Weibes mich ebensowenig reizt wie ihre Scham, so will ich, wenn d'Esterval es erlaubt, zusammen mit ihm den entgegengesetzten Pfad wie er betreten; leiten Sie unsere Aufstellung, mein Oheim.« – »Gerne,« sagt Gernande, »nichts macht mir mehr Vergnügen, als an meiner eigenen Schande mitzuarbeiten.« Er bemächtigt sich mit diesen Worten des Gliedes d'Estervals und steckt es in die Scham seiner

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Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
Prosa in Kategorie: 
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