Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 136

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oder acht Löffeln genügt, um den ergossenen Samen aufzunehmen und der dichteste Brei gäbe nie eine schwache Vorstellung von dessen Konsistenz, bei alledem fand fast gar keine Erektion statt, doch schien er vollständig erschöpft zu sein. Derlei Merkwürdigkeiten zu erklären, wäre Sache der Aerzte.

Justine will zu ihrer Herrin fliegen, denn sie brennt vor Begierde, ihr Blut zu stillen. »Einen Moment, Sakrament,« sagt D'Esterval, indem er sein geiles, steifes Glied aus Gernande's Hinteren, in dem es blos in Errektion geraten ist, herauszieht, »glaubt man denn, daß ich nicht auch mein Sperma ergießen will?« Er betrachtete alle, ohne einen in's Auge zu fassen. Endlich bleibt sein Blick auf der blutüberströmten, unglücklichen Gräfin haften, er wirft sich auf die fast Ohnmächtige und sodomiert sie. »Wohlan!« sagte er nach Verlauf einer kurzen Zeit, sein Glied herausziehend und ausdrückend, »helfen Sie jetzt der Hure so viel Sie wollen; aber ich mußte doch ergießen!«

Man verbindet endlich die Wunden des Opfers, entfesselt sie und legt sie in einem Zustande großer Schwäche auf ein Kanapée. Doch unsere Wüstlinge, insbesonders Gernande, gehen ohne weiters mit ihren Lustknaben weg, ohne sich um den Zustand der Gräfin zu kümmern oder auch nur einen Blick des Erbarmens auf das unglückliche Opfer ihrer Raserei zuzuwerfen, sie überlassen die Sorge für die Arme den Alten und Justine.

Bei einer solchen Gelegenheit kann man die Menschen am besten beurteilen. Ist es ein von der Wildheit seiner Leidenschaften hingerissener Neuling, so malen sich die Gewissensbisse auf seinem Antlitz, wenn er im Zustande der Ruhe die unheilvollen Wirkungen seines Taumels erwägt. Handelt es sich dagegen um einen von entarteten Lastern zerfressenen Lüstling, so werden ihn derlei Folgen nicht erschrecken, er betrachtet sie, ohne Leid oder Reue zu empfinden, vielleicht sogar mit dem Gefühl einer elenden Wollust, die seinen ruchlosen Taumel weckte.26

Doch unsere Lüstlinge, die eher erregt als erschlafft sind, plaudern von den eben genossenen Freuden und schöpfen bald aus dessen Einzelheiten die nötige Kraft, um neue zu ersehnen. Sie zogen sich, von den Lustknaben begleitet[320] in ein großes Boudoir zurück, jeder suchte, jene küssend und tätschelnd, durch die Reize der Gespräches einige der geilen Gefühle, an denen man sich eben erfreut hatte, wieder zu erwecken. »Wissen Sie, Oheim,« meinte Bressac, »daß Ihre Leidenschaft köstlich ist!« »Ich kenne nichts Anregenderes,« sagte D'Esterval, »als diese Verknüpfung von geilen und grausamen Ideen, nichts erhitzt mich so sehr, kein Vorgang vermag diese Vorstellung feinsinniger zu verknüpfen, als der von Herrn de Gernande angewandte.« »Jawohl,« entgegnete Bressac, »aber ich glaube, ich würde mich nicht auf den Arm beschränken, ich würde überall ein wenig zur Ader lassen.« »Das tue ich ja,« entgegnete Gernande, »die Narben, die meine teure Gattin bedecken, müssen euch wohl den Beweis liefern, daß nur die wenigsten Körperteile meiner Grausamkeit entgangen sind.« »Aber ist es wahr,« fragte D'Esterval, »daß nur Ihre Gattin Sie so heftig in Erregung zu versetzen vermag?« »Es wäre auch bei einer andern Frau der Fall,« antwortete Gernande, »aber zweifellos elektrisiert mich die mehr, als eine andere.« »Das dürfte wohl mit den Anschauungen, die Sie von unserm Geschlechte hegen, zusammenhängen,« meinte Dorothea.

»O, ich bin überzeugt, daß sie von großer Strenge sind,« sagte Bressac, »wenn mein Oheim so freundlich wäre, sie uns auseinanderzusetzen, so würde die ganze Gesellschaft zweifellos mit Vergnügen lauschen.« Gernande willigt ein, da in diesem Moment Justine herbeikam, um ihrem Herrn von dem Zustand der Gräfin Bericht zu erstatten, erlaubt man ihr, dem Vortrage Gernande's beizuwohnen. Er begann also:

»Ihr saget meine Freunde, daß meine Leidenschaften euch eine ziemlich schlechte Meinung von meiner Art von den Frauen zu denken geben und gewiß täuscht ihr euch nicht, wenn ihr überzeugt seid, daß ich sie ebenso verachte wie hasse, aber insbesonders dann, wenn diese Frau durch eheliche Bande an mich geknüpft ist, muß meine Abneigung und mein Widerwille sich verdoppeln. Bevor ich diese Gefühle näher erörtere, muß ich euch zunächst fragen, mit welchem Recht ihr eigentlich behaupten könnt, daß ein Mann verpflichtet sei, für das Glück seiner Frau zu sorgen und dann, woraufhin diese Frau das von ihrem Gatten verlangen kann. Die Nötigung, sich gegenseitig glücklich zu machen, kann zweifellos nur zwischen zwei Wesen bestehen, die gleicherweise die Fähigkeiten besitzen, sich zu schaden, daher also zwischen zwei gleich starken Wesen. Eine solche Verbindung kann nicht stattfinden, ohne daß diese zwei Wesen einen Pakt abschließen, nichts einander zu tun und ihre Kräfte nicht zum Schaden des anderen[321] Teiles zu verwerten, doch könnte diese lächerliche Vereinbarung sicherlich nicht zwischen einem starken und schwachen Wesen bestehen. Mit welchem Rechte verlangt denn dieses Letztere, daß das andere ihn schone? Welche Dummheit sollte das Erstere dazu veranlassen? Ich kann zustimmen, daß ich meine Kräfte nicht gegen den gebrauche, der wegen der seinen zu fürchten ist, aber weßhalb sollte ich es nicht tun gegen das Wesen, das die Natur mir zu eigen gibt? Werden Sie mir erwiedern, aus Mitleid? Dieses Gefühl ist nur bei dem mir ähnlichen Wesen angebracht, da dieses aber egoistisch ist, so wird es nur dann eintreten, wenn das Individuum, das mir Erbarmen einflößt, auch mit mir solches empfinden wird. Aber wenn ich es durch meine Ueberlegenheit stets bezwinge, wird sein Mitleid überflüssig und ich brauche es nie durch irgend ein Opfer zu erkaufen. Wäre ich nicht ein Tor, wenn ich Erbarmen besäße für ein Wesen, dem ich nie solches einflöße? Soll ich den Tod der Hühner beweinen, das man für meine Diners schlachtet?«

Dieses Geschöpf das weit unter mir steht und keine Beziehung zu mir hat, kann in meinem Herzen kein Gefühl erwecken. Nun aber sind die Beziehungen der Gattin zum Manne ähnlich denen, zwischen dem Huhne und mir, beides sind Haustiere, deren man sich nach den von der Natur vorgeschriebenen Plänen bedienen darf, ohne irgend einen Unterschied zwischen ihnen zu machen. Aber ich frage Sie, meine Damen, hätte diese blinde Natur, wenn es ihre Absicht wäre, ihr Geschlecht zu unserem Glücke und umgekehrt zu schaffen, soviel Albernheiten in der Konstruktion beider Geschlechte begangen? Hätte sie beiden so viele Nachteile zuteil werden lassen, daß sich die Abneigung und der Widerwille daraus mit Notwendigkeit ergeben müssen?

Ohne weiters nach Beispielen zu suchen, saget mir

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Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
Prosa in Kategorie: 
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