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sind die Opfer, die durch Geschicklichkeit und Geld seiner Geilheit anheimfallen; der Wüstling ist in Bezug aufs Alter so anspruchsvoll, daß er einen Gegenstand, der die sieben Lebensjahre, die er zur Bedingung macht, nur um einen Monat überschreitet, sofort zurückschickt; du begreifst, Justine, was alles diese Kinder von einem geistig und physisch so scheußlichen Wesen zu erdulden haben. Mehr als die Hälfte ist nie zu retten; die grause Gewissheit dieser schrecklichen Folgen ist eine der süßesten Freuden der frevlerischen Wollust dieses Ruchlosen; hundertmal hörte ich ihn sagen, daß er nicht den ganzen Genuß auskoste, wenn er nicht darauf rechnen könne, daß sein gigantisches Glied die Rose, die seine Brutalität öffnet, für immer welk mache. Zweimal so reich wie sein Bruder, infolge einer vorteilhaften Heirat in den Kolonien und verschiedener, höchst einträglichen Geschäfte, sind die Summen, die er infolgedessen auf seine schauerlichen Vergnügungen verausgaben kann, märchenhaft. Die Kinder rekrutieren sich aus allen Provinzen und werden mit großen Kosten auf sein Schloß Verneuil gebracht, das zehn Meilen von hier gelegen ist, und in dem er seit langem sich festgesetzt hat. Einige dieser Gegenstände werden ihn seiner Gewohnheit gemäß sicherlich begleiten; du wirst sehen, Justine, ob je ein entsetzlicherer Mensch auf Erden gelebt hat.«
Unsere Waise, erschreckt durch das Gehörte, folgte wie gewöhnlich der Stimme ihres Herzens und suchte gleich den nächsten Tag am Morgen den Marquis de Bressac auf. »Mein Herr,« sagte sie aufgeregt zu ihm, »man droht uns mit einem Zuwachs, der recht unheilvoll für meine arme Herrin ist, wissen Sie, um was es sich handelt und vermögen Sie Vorkehrungen dagegen zu treffen?« »Ich bin unterrichtet,« entgegnete Bressac, »es ist ein zweiter Oheim, ein Bruder meiner Mutter gleich Gernande, den ich nie gesehen habe und von dem es heißt, er sei sehr liebenswürdig und geistvoll.«
»Ach, Herr, alle diese Leute von Geist sind gefährlicher als die andern, da sie alle ihre Ausschweifungen geschickt zu beschönigen verstehen, überlassen sie sich ihnen mit weniger Skrupeln, gegen sie ist man schutzlos.
Es werden jetzt vier Frevler ersten Ranges in diesem Schlosse vereinigt sein und es werden Schaudertaten vollbracht werden.« »Ich hoffe so,« sagte Bressac, »nichts ist so köstlich, als wenn ich mehrere Freunde von gleichem Geschmack und Geist finde, man teilt sich gegenseitig Gedanken[330] und Triebe mit, die Begierden der einen werden durch die Ausschweifungen der andern angefacht, man steigert, übertrumpft, man ermutigt sich, die Resultate sind köstlich.« »Sie sind schrecklich für meine arme Herrin.« »Aber welches Interesse hast du denn an ihr? Wann wirst du endlich aufhören, die Närrin deines Herzens zu sein? Wenn zufällig ein Komplot gegen meine Tante geplant würde, würdest du nicht, wie im Falle meiner Mutter, dein Leben riskieren, um sie zu verteidigen? Ach! Entsage endlich einmal diesem guten, besser, dummen Charakter, der dir bis jetzt so wenig geholfen hat, sei egoistischer und also klüger, kümmere dich nur um dich selbst und höre endlich auf, die Leiden der andern zu mildern und auf dich zu nehmen. Was geht dich das Leben oder der Tod dieser Frau an? Was habt ihr denn gemein? Wie bist du doch töricht dir solche phantastischen Bande zu schaffen, die nur dein Unglück bewirken werden? Verhärte deine Seele, wie wir es getan haben, suche daraus Freuden zu schöpfen, was jetzt dein Herz beunruhigt.
Du wirst bald, so wie wir, vollendet stoisch werden und aus dieser Empfindungslosigkeit wird dir eine Menge neuer Freuden erblühen, die weit köstlicher sind als die, welche aus der unheilvollen Gefühlsduselei ihren Ursprung nehmen. Glaubst du denn, ich hatte nicht in der Kindheit ein Herz, gleich dem deinen?
Aber ich habe es ertötet, durch diese wollüstige Härte aber entdeckte ich den Quell einer Unzahl von Ausschweifungen und Genüssen, die mehr wert sind als meine Schwachheiten.« »Ach, Herr, man ist zu allem fähig, wen man derart die Stimme seines Herzens erstickt.« »Gerade so soll es sein, erst wenn man so weit ist, genießt man wahrhaft, ich bin erst glücklich, seitdem ich kaltblütig alle Verbrechen begehe. Als meine Seele, noch in einer Rinde, sich erst allmählich zu der Höhe, auf der sie jetzt schwebt, emporschwang, ließ ich mich, wenn ich meinen Trieben allzu freien Lauf ließ, von dummen Skrupeln quälen. Ich habe sie bekämpft, ich wurde mir über meine Irrtümer klar, erst jetzt kannte ich das Glück. Man macht aus seiner Seele was man will, vermittelst der Philosophie, was uns in der Kindheit erbeben machte, wird im reifen Alter Gegenstand unserer größten Freuden.« »Wie? Sie wollen mich überzeugen, daß Sie den entsetzlichen Muttermord, den Sie vor meinen Augen begingen, nicht bereuen?« »Selbst zehn Mütter hätte ich nacheinander in der gleichen Art geopfert. O Justine, dieses Verbrechen reicht noch nicht an die Hôhe meiner Seele heran, dazu bedürfte es weit anderer. Kurz, was immer dem Gegenstand deiner Besorgnis zustoßen mag, so denke ja nicht daran mit Gernande davon zu sprechen.«[331]
Sein Herz aus Stein, versteht die Gefühlsseligkeit nur wenig und du könntest dabei schlecht abschneiden. Wenn Verneuil ankommt, so verhalte dich mit ihm: sei sanft, zuvorkommend und geistreich, verbirg sorgfältig die dummen Regungen deines Herzens. Ich werde ihm Gutes von dir berichten, vielleicht kann dir diese Bekanntschaft vorteilhaft werden.
Vier Lustknaben traten in diesem Augenblick an Bressac heran und beendigten ein Gespräch, das wenig nach Justinen's Geschmack war, so daß sie sich über die Unterbrechung freute. »Bleibe, wenn du willst,« sagte ihr Bressac, während er seine Knaben küßte und ihre Hosen herabließ. »obgleich du ein Weib bist, sehe ich dich doch gerne bei meinen Wollustakten, du kannst mir sogar dabei behilfllich sein.« Aber die schamhafte Justine, die bei derlei Gräueln nur gezwungen mit Hand anlegte, zog sich seufzend zurück und sagte zu sich: »O mein Gott! Was ist der Mensch, wenn er der Sklave seiner Triebe wird, bergen die Wälder Nubiens wildere Bestien als solche Leute?« Sie kehrte traurig zu ihrer Herrin zurück, um ihr von der Fruchtlosigkeit ihrer Unterhandlungen zu berichten, da sagte ihr einer der Alten, Herr de Gernande verlange sie zu sprechen, da er ihr etwas mitzuteilen habe.
»Justine,« sagte der schreckliche Schloßherr, »weßhalb benachrichtigst du mich nicht, daß hier Intriguen gesponnen werden?« »Ich weiß nichts davon.« »Ich werde sie