Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 141

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dir also enthüllen,« sagte Gernande, ohne das geringste Zeichen von Erregung auf seinem bösen Gesichte.

»So höre, daß Dorothea in meine Frau vernarrt ist und daß sie mich um die Erlaubnis gebeten hat, heute Vormittag einige Stunden bei ihr zu verbringen. Ich habe meine Zustimmung gegeben, aber ich will diese Vergnügungen überraschen. Du mußt mich in dein Kabinet neben der Ottomane verstecken und ich will durch ein Fenster zuschauen, was diese Erztribade eigentlich mit meiner keuschen Gattin vor hat.«

»Aber haben Sie schon probiert, ob man durch dieses Fenster sehen oder hören kann?« »Ei ja, jeden Tag, ich verberge mich daselbst, um die Klagen zu vernehmen, die sie gegen mich vorbringt, um mich daran zu ergötzen.«

Unsere Heldin. die vernünftigerweise sich hiebei nur unterordnen konnte, begab sich sofort mit Gernande in das erwähnte Kabinet, Dorothea, die nichts ahnte, begab sich zur Frau de Gernande, die von diesem Besuche höchst überrascht war.

Die herrschsüchtige, hochmütige D'Esterval, die ebenso grausam war wie ihr Gatte und der man vollständige Aktionsfreiheit gegeben hatte, begnügte sich nicht, wie[332] leicht einzusehen, mit platonischer Liebe. Eine der Alten geleitete sie, mit dem Auftrag, die unglückliche Gräfin zu veranlassen, sich allen Wünschen der Messaline zu fügen. Sie mußte gehorchen. Das entkleidete Opfer war bald in Tränen aufgelöst, während sie ihre Reize preisgab. Man kann sich die Raserei Dorothea's nicht vorstellen, solcher Taumel ist nicht zu beschreiben. Ihr Geschlecht ganz vergessend, gab sich die stolze Tribade schamlos allen männlichen Ausschweifungen und Tollheiten hin. Das war nicht mehr Sappho in den Armen der Damophile, das war Nero mit Tigelein.

Alle männlichen Geilheiten und Leidenschaften, alle Ausschweifungen der grausamsten Wollust wurden von diesem wüsten, entarteten Scheusal ins Werk gesetzt. Sie tat und ersann alles, um ihre schamlose Wollust zu befriedigen, Justine's arme Herrin wurde durch diese Szene mehr ermüdet als von denen ihres Gatten. »Teufel,« sagte Gernande, während er sich von Justine lecken ließ, »das ist köstlich, noch nie hat mich etwas derart erregt.

Ich liebe diese Dorothea rasend, hätte ich ein solches Weib, ich hätte sie nie zum Opfer gemacht. Ach, sauge, Justine, sauge ..., bestrebe dich, mein Sperma im gleichen Moment zum Fließen zu bringen, wie das dieser Schelmin.« Aber Gernande's Begierden, angeregt, ohne befriedigt zu werden, führen nicht zum ersehnten Erfolg, die D'Esterval begann bereits zu ermatten, bevor der an ihren Freuden Schmachtende sein Ziel erreichte.

Angeekelt von ihrem Genusse, betrachtete sie die Gräfin voll Verachtung, beschimpfte sie und gab ihr wiederholt zu verstehen, ihr Gatte sei zu gut, weil er sie so lange leben lasse, sie lästerte die Reize, an denen sie sich berauscht hatte, erniedrigte und verhöhnte sie und ging hinaus, wobei sie bemerkte, sie würde ihrem Gatten raten, bald einen festen Entschluß bezüglich einer so verächtlichen Frau zu fassen.

Kaum war Dorothea aus dem Zimmer der Gräfin hinausgegangen, als Gernande mit Justine eintrat; nur unter dem Vorwande, daß er den Besuch überrascht habe, überhäufte er die Unglückliche mit bösen Flüchen und Drohungen. Diese verteidigte sich so gut als möglich. »Man hat meine Türe geöffnet,« sagte sie weinend; »eine meiner Alten, zu der ich Vertrauen hatte, hat mir diese Frau herbeigebracht; es war mir unmöglich, mich vor ihren Zumutungen zu schützen ... ich hätte sie zurückgewiesen, wenn es mir möglich gewesen wäre.« Aber Gernande, der nur Gelegenheit zu einer Szene suchte, die er sich auf diese seiner falschen Seele höchst zusagende Weise verschaffte, verurteilte seine Frau sogleich zum[333] Aderlaß; das von dem Vorhergehenden höchst aufgeregte Scheusal stach sie sofort in beide Arme und die Scham. Diesesmal verzichtete er auf Männer und begnügte sich mit Justine; die Unglückliche erschöpfte sich in Versuchen, ihn ergießen zu machen. Der grausame Unhold beherrschte seine Entleerung und verstand es geschickt, erst dann das Sperma zu ejakulieren, wenn er seine Frau ohnmächtig erblickte; diese Sitzung war eine der barbarischesten, die Justine je sah.

Kaum war der Lüstling in sein Gemach zurückgekehrt, als sich im Hof Wagengerassel vernehmen ließ. Es war Herr de Verneuil mit seiner Familie. Herr de Gernande ließ seiner Frau sogleich die Nachricht davon zukommen. Gerechter Himmel! In welchem Zustande befand sie sich, als sie diese Katastrophe erfuhr! Justine wurde zugleich beauftragt, die neuen Gäste zu empfangen.
XV. Kapitel.
Porträt der neuen Personen. – Neuartige Orgien.

Der erste Wagen war eine sechspännige deutsche Berline, in der sich Herr und Frau de Verneuil mit ihren Kindern, Cécile und Victor, befanden, der zweite war eine große Kalesche, besetzt von einer sehr schönen vierzigjährigen Frau, ihrer Tochter, einem prächtigen zweiundzwanzigjährigen Geschöpf, und zwei sechs-und siebenjährigen Kindern. Diese letzteren von de Verneuil. Der kleine Knabe hieß Lili, das Mädchen Rose, es war ein herziges Pärchen. Zwei Jünglinge, zwanzig bis zweiundzwanzig Jahre alt, gebaut wie Herkules und schön wie Amor, nehmen die beiden anderen Plätze ein und trugen die Bezeichnung: Kammerdiener des Herrn de Verneuil.

Die Damen und Kinder wurden rasch in ihre Appartements untergebracht und zogen sich dahin zurück; Gernande geleitete Verneuil zu d'Esterval, wohin sich Bressac begeben hatte, um diesen Besuch zu empfangen. »Hier ist ein prächtiger Neffe, den du nicht kennst,« sagte Gernande zu seinem Bruder, »umarmen Sie sich, meine Freunde, wenn man sich so ähnlich sieht, ist man von jedem Kompliment dispensiert. Die liebenswürdige Person, die Sie hier gesehen – damit wies er auf d'Esterval – ist ein Freund meines Neffen, der ihn zu mir begleitet hat. Er ist ein Mensch, in dessen Haus zu schlafen ich dir nicht raten würde; denn er bringt jeden um, der zu ihm kommt ... Nun also, bist du zufrieden mit der Gesellschaft, die ich dir gebe?« – »Entzückt!« sagte Verneuil,[334] d'Esterval umarmend; dieser stellt ihm sogleich seine Frau vor, und versichert, daß diese, obwohl ein Weib, es mit dem frevelhaftesten Manne aufnehmen kann. – »Das ist prächtig, meine Freunde,« sagte Verneuil, »ich sehe, daß wir in einer so charmanten Gesellschaft einige recht angenehme Tage verbringen werden.« Vier Lustknaben traten sogleich ein, sich zu erkunden, ob Herr de Verneuil nicht ihrer Dienste bedürfe. »Ah! Gewiß!« sagte Verneuil, »die Fahrt hat mich erhitzt; schon seit zwei Stunden erigiere ich teufelmäßig; überzeugen Sie sich!« Damit legte er auf den Tisch ein erschreckend dickes und langes Glied. »Wohlan, Kinder, gehen wir

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Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
Prosa in Kategorie: 
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