Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 137

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Freunde, wo ist die Frau, die ich beglücken könnte? und umgekehrt, welcher Mann vermag den Genuß einer Frau als süß zu empfinden, wenn er nicht gigantisch entwickelt ist, so daß er sie zu befriedigen vermag? Können Sie glauben, daß die geistigen Qualitäten einer Person dieses Geschlechtes uns für ihre körperlichen Gebrechen entschädigen können? Aber welcher vernünftige Mensch, der eine Frau von Grundaus kennt, wird nicht mit Euripides ausrufen: »Der Gott, der die Frauen auf die Welt gesetzt hat, kann sich rühmen, das schlechteste und für den Mann ärgerniserregendste Geschöpf geschaffen zu haben.« Wenn es also bewiesen ist, daß die beiden Geschlechter gar nicht zueinander passen, und daß es keine einzige von dem einen Teil vorgebrachte Klage gibt, die nicht wunderbar[322] auf den anderen Teil paßt, dann ist es doch falsch, daß die Natur sie zu ihrem gegenseitigen Glücke geschaffen habe; sie kann ihnen die Begierde eingeflößt haben, sich zu nähern zum Zwecke der Fortpflanzung, doch nie die, sich mit der Absicht zu verbinden, das Glück ineinander zu finden. Da also der schwächere Teil gar keinen begründeten Anspruch auf das Erbarmen des stärkeren hat, so bleibt ihm nichts übrig, als sich unterzuordnen. Und da trotz aller Schwierigkeiten beide Geschlechter an diesem gegenseitigen Glück arbeiten, so will das schwächere durch diese Unterwürfigkeit die ganze ihm zugängliche Glückmöglichkeit sich verschaffen; das stärkere aber soll an dem seinigen durch alle Arten der Unterdrückung, die ihm passen, arbeiten, da es bewiesen ist, dass das Glück des Starken einzig in der Ausübung der Gewalt, das heißt, in der vollständigsten Unterdrückung des Schwachen besteht. Es werden also die beiden Geschlechter uns dadurch ihr gegenseitiges Glück bedingen, wenn das eine blind gehorcht, während das andere energisch seine Uebermacht zur Geltung bringt. Wäre es nicht die Absicht der Natur, daß das eine Geschlecht das andere beherrsche und tyrannisiere, hätte sie nicht beide mit gleicher Stärke begabt? Hat sie nicht dadurch, daß sie das eine vor dem anderen in jeder Hinsicht bevorzugt hat, hinreichend klargelegt, daß es ihr Wunsch sei, der Stärkere möge von den ihm verliehenen Rechten Gebrauch machen? Je mehr dieser sein Machtbereich ausdehnt, je unglücklicher er die an sein Los geknüpfte Frau macht, desto mehr fördert er die Absichten der Natur. Man darf die Sache nur nicht nach den Klagen des schwächeren Wesens beurteilen; jedes solche Urteil wäre falsch, da Sie es den Ideen des Schwachen entnehmen; man darf die Handlung nur nach der Macht des Starken beurteilen; wenn die Wirkungen dieser Macht sich auf ein Weib erstrecken, dann soll man zuerst prüfen, was ein Weib ist, und wie dieses verächtliche Geschlecht sowohl im Altertume wie in der Neuzeit von drei Viertel der Völker des Erdkreises angesehen wurde.

Was sehe ich also, wenn ich unbefangen an diese Prüfung herantrete? Ein schwächliches Geschöpf, dem Mann stets nachstehend, unvergleichlich weniger sinnreich und klug, im Besitze einer anwidernden Konstitution, die dem, was ihrem Herrn gefallen und ihn erfreuen kann, gänzlich entgegensetzt ist; ein durch ein Viertel seines Lebens ungesundes Wesens, das außer Stande ist, ihren Gatten während der Gebärzeit zu befriedigen; von launischem, zänkischem und herrschsüchtigem Wesen; tyrannisch, wenn man ihr Rechte gibt; niedrig und kriecherisch, wenn man sie im Zaume hält, aber immer falsch, boshaft und gefährlich;[323] kurz ein so entartetes Geschöpf, daß auf den Konzil zu Macon während mehrerer Sitzungen in ernstliche Erwägung gezogen wurde, ob dieses bizarre Individuum, das sich vom Manne ebenso unterscheidet, wie der Waldaffe vom Menschen, einen Anspruch auf die Bezeichnung Mensch habe und ob man sie ihr mit Recht zugestehen kann. Aber wäre das nur das Vorurteil eines Jahrhunderts? wurde die Frau in den vorhergehenden Zeiten mit freundlichen Blicken angesehen? Haben die Perser, Meder, Babylonier, Griechen und Römer dieses verhaßte Geschlecht, das wir heute zu vergöttern wagen, geehrt? Ah! ich sehe es überall unterdrückt, überall streng von den Geschäften ferngehalten; überall verachtet und abgeschlossen; kurz die Frauen wurden im Allgemeinen wie Tiere behandelt, deren man sich im Bedarfsfalle bedient, die man aber sogleich darauf in den Stall sperrt. Ich will einen Moment bei Rom verweilen; ich höre den weisen Cato mir aus der alten Hauptstadt der Welt zu rufen: »Wären die Männer ohne Frauen, sie könnten noch jetzt mit den Göttern umgehen.« Ich höre einen römischen Censor also reden: »Wenn wir ohne Frauen leben könnten, so würden wir das wahre Glück kennen lernen.« Ich höre wie die Dichter in den Theatern Griechenlands singen: »O Zeus, was hat dich veranlaßt, die Frauen zu erschaffen? hättest du den Menschen nicht auf klügere und bessere Weise werden lassen können, die uns diese Geißel erspart hätte?« Ich sehe auch die Griechen dieses Geschlecht derart verachten, daß es Gesetze schafft, um einen Spartaner zur Fortpflanzung zu veranlassen; eine der Strafen dieser weisen Republik bestand darin, einen Uebeltäter als Frau zu verkleiden, das heißt als das schnödeste und verächtlichste Wesen, das sie kennen.

Aber ohne auf so entlegene Jahrhunderte zurückzugreifen, mit welchen Augen wird dieses elende Geschlecht noch jetzt angesehen? wie wird es behandelt? Ich sehe es in ganz Asien eingesperrt; als Sklaven müssen sie den barbarischen Launen eines Despoten zuwillen sein, der sie quält, peinigt, und mit ihren Schmerzen sein Spiel treibt. Ich finde, daß bei Völkern, die in Naturzustand leben (den Eskimos), die Männer sich alles erdenkliche Gute antun, während sie die Frauen mit der denkbar größten Härte behandeln. In dem einen Erdteil sehe ich sie den Lüsten der Fremden preisgegeben, während sie in einem anderen an Geldesstatt dienen. In Afrika, wo sie noch schlechter gehalten werden, werden sie als Lasttiere verwendet, sie bebauen das Land, säen, und bedienen ihren Gatten kniend. Soll ich dem Kapitän Cook auf seinen neuen Entdeckungen folgen? Die reizende Insel Otathaïti, wo die Schwangerschaft[324] ein Verbrechen ist, das manchmal der Mutter und fast immer der Frucht das Lehen kostet, zeigt uns doch keine glücklicheren Frauen! Auf anderen von demselben Seefahrer entdeckten Inseln werden sie von den eigenen Kindern geschlagen und gequält, und auch der Gatte gesellt sich dazu, um sie mit aller Härte zu mißhandeln. Je näher die Völker der Natur stehen, desto mehr befolgen sie ihre Gesetze. Die Frau kann zu ihren Gatten

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Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
Prosa in Kategorie: 
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