Seiten
keine andere Beziehung haben, als die des Sklaven zum Herrn; sie hat absolut kein Recht auf höhere Ansprüche.
»Kurz, meine Freunde, sei dem wie immer, alle Völker der Erde besaßen die ausgedehnteste Macht über die Frauen, es gab selbst solche, die sie gleich nach ihrer Geburt zum Tode verurteilten und nur die geringe zur Erhaltung der Art nötige Anzahl leben ließen. Die unter dem Namen Korrihs bekannten Araber begruben ihre Töchter sowie sie sieben Jahre zählten auf einem Berge neben Mekka, weil ein – wie sie sagten – so elendes Geschlecht ihnen unwürdig schien, den Tag zu sehen. Die Frauen im Serail des Königs von Achen werden für den bloßen Verdacht der Untreue, für den geringsten Ungehorsam gegen den Fürsten, oder sobald sie Wiederwillen einflößen, zu den schrecklichsten Todesstrafen verurteilt; der König richtet sie eigenhändig hin. An den Ufern des Ganges müssen sie sich auf der Asche ihrer Gatten opfern, als unnütz auf der Welt vom Augenblicke an, da ihre Herren sich nicht mehr an ihnen ergötzen können. Anderswo jagt man sie wie die wilden Tiere; es gilt als Ehre ihrer viele zu tödten. In Aegypten opfert man sie den Göttern. In Formosa tritt man sie mit Füßen, wenn sie schwanger sind. Die germanischen Gesetze verurteilten den Mörder einer fremden Frau bloß zu zehn Talern Buße, zu nichts, wenn es seine eigene Frau oder ein Lustmädchen war. Kurz, ich wiederhole, überall werden die Weiber erniedrigt, gequält, dem priesterlichen Aberglauben, der Grausamkeit der Gatten oder den Launen der Lüstlinge geopfert; was aber das Schrecklichste für sie ist: je mehr man sie studiert, je mehr man sie analysiert, desto mehr überzeugt man sich, daß sie ihres Loses wert sind. Ist es möglich, schreien ihre dummen Anhänger, daß das männliche Geschlecht nicht ihre vielen Verdienste sehen will? Sehet doch – sagen sie begeistert – wie rührend sie für unsere Jugend sorgen, wie gefällig sie sich uns in unserem reifen Alter erweisen, wie sie uns im Alter zur Stütze werden, wie pflegen sie uns, wenn wir krank sind, wie trösten sie unseren Kummer, wie zart wissen sie unsere Leiden zu mildern, wie geschickt das Mißgeschick von uns abzulenken, wie schnell unsere Tränen zu trocknen! ... Und ihr schätzet und verehret[325] nicht so vollkommene Wesen! so zärtliche Freundinnen, die uns die Natur geschenkt hat? Nein, ich liebe sie nicht, ich verehre sie nicht, ich bleibe fest gegenüber der Illusion, meine Klugheit weiß ihr zu wiederstehen: ich sehe in all dem Gerühmten nur Schwäche, Furcht und Egoismus. Wenn das Weib wie eine Wölfin und Hündin ihren Säugling stillt, so nur darum, weil diese Sekretion von der Natur angeordnet, ihrer Gesundheit unumgänglich nottut; wenn sie uns bei den verschiedenen geschilderten Leiden nützlich ist, so geschieht das mehr aus Temperament als aus Tugend, aus Hochmut oder aus Eigenliebe. Lassen wir uns nicht durch ihre Beweggründe überrumpeln; die Schwäche ihrer Organe macht sie geeigneter als uns zu dem kleinmütigen Gefühl des Mitleids, und veranlaßt sie, ganz willenlos und ohne jedes Verdienst, die Leiden, die sie vor sich hat, zu beklagen und zu trösten; ihre natürliche Feigheit nötigt sie, demjenigen, der stärker ist als sie, Dienste zu erweisen, von denen sie gut weiß, daß sie sie früher oder später benötigen wird. Aber keine Spur von Tugend oder Uneigennützigkeit in alledem, nichts als Egoismus und Trieb. Es ist eine empörende Albernheit, ihre Bedürfnisse für Tugenden auszugeben und in etwas anderem als in ihrer Schwäche und ihrer Furcht die Motive dieser schönen Handlungen zu suchen, über die wir uns in unserer Verblendung täuschen; und weil ich das Unglück habe, bei einem Volke zu wohnen, das roh genug ist, sich nicht zu diesen großen Grundsätzen aufschwingen zu können, das es nicht wagt, das lächerlichste aller Vorurteile abzuschaffen, soll ich mich der Rechte entschlagen, die mir die Natur über dieses Geschlecht verleiht! Nein, nein, meine Freunde, das ist nicht gerecht; ich werde mein Betragen verdecken, da es so sein muß; doch werde ich mich im Stillen für die albernen Hindernisse der Gesetzgebung entschädigen; und da werde ich meine Frau behandeln wie es mir behagt, wozu ich das Recht in den Gesetzen des Weltalls, in meinem Herzen, in der Natur finde.«
»Meiner Treu, mein Onkel,« sagte Bressac, der während des ganzen Vortrages an einem hübschen Knaben, den er von hinten bearbeitete, bewies, wie sehr er Gernandes Ansichten über die Frauen billigte, »jetzt glaube ich, daß Ihre Bekehrung unmöglich ist.« »Ich würde auch niemandem raten, sie zu versuchen,« erwiderte der Graf, »der Baum ist zu alt, als daß er sich biegen ließe, in meinem Alter kann man auf der Bahn des Lasters noch einige Schritte vorwärts tun, nicht so auf der der Tugend. Uebrigens bedingen meine Grundsätze und mein Geschmack mein Glück; seit meiner Kindheit waren sie alleinige Grundlage meines Betragens und meiner Handlungen; vielleicht werde ich[326] darin noch weiter gehen; ich fühle, es ist möglich, doch nie werde ich umkehren. Ich verabscheue zu sehr die menschlichen Vorurteile, ich hasse zu aufrichtig ihre Zivilisation, ihre Tugenden und ihre Götter, um ihnen jemals meine Vernügen zu opfern.«
»Meine Herren,« nahm die feurige D'Esterval das Wort, »Sie haben mein Geschlecht mißhandelt, doch heben mich die Empfindungen, zu denen ich mich stets bekannt habe, allzu hoch über seine Schwächen empor, als daß ich die wichtige Ehre seiner Verteidigung auf mich nehmen sollte. Ich bin übrigens ein Zwitter, der nach Ihrem eigenem Urteil viel mehr zu ihrem Geschlecht hält als zum weiblichen, noch besser könnten Sie sich davon überzeugen durch die Energie mit der ich die Marterungen der Gräfin betrieben habe. Ich versichere also feierlich, daß ich stets ein Mann zu sein wünsche, wenn es sich darum handelt, den männlichen Begierden und Treiben zu fröhnen.« »Ich dagegen,« sagte die kluge Justine, »werde sie fliehen wie wilde Tiere, wenn sie sich so grausamen Leidenschaften hingeben.«
Wie gesagt, erhitzten sich die durch die Szene bei Frau de Gernande gar nicht beschäftigten Geister durch dieses Gespräch vollends. »Warum,« fragte D'Esterval Gernande, »befriedigen Sie ihre Launen nicht an den hübschen Knaben, die Sie umgeben?« »Ich tat es mehrmals,« erwiderte der Graf, »aber da ich die Jungen ebenso heiß