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seltsam“, gestand der Beamte ein. „Nun, nehmen wir erst einmal ihre Anzeige auf und ich werde der Angelegenheit nachgehen. Viel Hoffnung kann ich ihnen allerdings nicht machen.“
Nach dem Verlauf des Gespräches hatte ich es auch nicht anders erwartet.
Nach diesem unbefriedigenden Ergebnis beschloss ich, bei Piet Krüger einzukehren und einen Tee zur Beruhigung zu trinken. Es war kaum Mittag und doch hatte sich bereits Jan Helmes, der Geschichtenerzähler, eingefunden. Er saß auf seinem Stammplatz am Fenster und paffte an seiner Pfeife.
Es befanden sich noch zwei Gäste im Raum, die ich hier vorher noch nie gesehen hatte. Sie saßen am Tisch und aßen zu Mittag. Einer von ihnen war recht groß und ebenso voluminös. In seinem runden Gesicht glänzten rote, feste Wangen, die sich in diesem Moment ausschließlich mit der Mahlzeit beschäftigten.
Der andere war kleiner und besaß ein Gesicht, wie es tausende gab, ohne, dass man sich ihrer später zu erinnern vermochte. Er sah jünger aus, als ich ihm insgeheim zugestand. Sie beachteten mich nicht, als ich mich an die Theke setzte.
„Nun, Herr Pohl, was treibt sie denn schon so früh ins Dorf?“ fragte mich der Wirt und ich erzählte ihm von dem Vorkommnis der vergangenen Nacht.
Der Wirt hörte mir aufmerksam zu und als ich geendet hatte, wiegte er bedächtig den Kopf.
„Hein Olson hat wohl leider Recht“, entgegnete er, als ich schließlich geendet hatte. „Hier ist so etwas noch nie vorgekommen. Ich kann mir nicht vorstellen, wer das gewesen sein könnte.“
„Ich auch nicht“, antwortete ich ihm, „aber ich weiß, dass es eine Tatsache ist und die lässt sich nicht verleugnen.“
„Am Ende war es wirklich eine Katze.“
Ich sah den Wirt zweifelnd an.
„Wie erklären sie sich dann die geöffnete Tür?“
„Möglicherweise haben sie an diesem Abend vergessen, sie abzuschließen“, entgegnete er.
„Diese Tür war immer verschlossen. Wir benutzten sie nicht.“
„Das ist allerdings seltsam“, bestätigte nun Piet Krüger sinnend.
„Gar nicht seltsam“, erklang da die Stimme von Jan Helmes hinter dem Rauch seiner Pfeife hervor. „Die Marte geht wieder um.“
„Sie meinen, ihr Geist besucht unser Haus?“ fragte ich ihn, als ich mich umwandte.
„Die Herbststürme beginnen und immer noch findet sie keine Ruh. Hüten sie sich vor ihr, Frank Pohl!“ orakelte der Alte und paffte weiter an seiner Pfeife.
Ich sah ihn an und dieses Mal war ich gar nicht über seine Geschichten amüsiert.
*
In den nächsten Tagen besserte sich das Wetter und es wurde noch einmal richtig warm. Der Himmel lag fast wolkenlos über der See und nur die früh hereinbrechende Dämmerung ermahnte uns, dass das Jahr unaufhaltsam voranschritt.
Um das Haus herum hatte meine Frau den Sommer über einen Blumengarten angelegt. Sie besaß für Pflanzen das gleiche Geschick wie für die Wohnungsgestaltung und nun, im September, blühten Azaleen einträchtig neben Ginster und Astern. Am Eingang hatte sie zwei Magnoliensträucher gepflanzt und hoffte, so wie sie es mir erklärte, dass sie im kommenden Mai bereits wundervolle weiß-rote Blüten zeigen würde.
Sie war sehr zufrieden über das Ergebnis und den Kotten, welcher bisher so schlicht mitten in der Marsch gestanden hatte, umkleidete inzwischen ein farbiger Gürtel, der das Haus ein Stückchen mehr in ein Heim verwandelte.
Jetzt, so erklärte Ursula in ihrer planenden Art, fehle lediglich noch ein Pavillon, auf der windgeschützten Seite mit Blick auf den Deich, dass wir im Sommer dort die warmen Abende genießen könnten.
„Das wäre doch hübsch“, meinte sie lakonisch und mir war bewusst, dass sie diesen Gedanken keineswegs mehr vergessen würde.
Ich war nie ein geschickter Baumeister gewesen. Mir fehlte das handwerkliche Gespür und auch wenn ich mir Mühe gab, so waren die Ergebnisse doch recht mäßig. Kleinere Reparaturen traute ich mir durchaus zu, die Bau solch eines Pavillons überstieg meine Fähigkeiten allerdings bei weitem. Dies jedoch war für Ursula noch lange kein Grund, die Idee fallen zu lassen und da ich das wusste, beschloss ich, mich im Dorf nach einem geeigneten Helfer umzuhören.
Pastor Reiners hielt dies für eine ausgezeichnete Idee, ganz abgesehen davon, dass er ein Faible für Pavillons besaß und sich sehr gut vorstellen konnte, im kommenden Jahr dort mit mir bei einem Glas Wein ausgiebig zu philosophieren. Er empfahl mir Eric Johansson.
Nachdem ich den Bauern aufgesucht und ihm unsere Vorstellung erklärt hatte, fragte er mich, ob wir schon über genauere Zeichnungen verfügten, worauf ich ihm wahrheitsgemäß antworten musste, dass ich es nicht wisse und er sich darüber vielmehr mit meiner Frau unterhalten müsse. Er stimmte zu, uns am nächsten Tag zu besuchen.
Eric Johansson kam vormittags. Ursula erwartete ihn bereits. Im
Wohnzimmer lagen die Entwürfe des Pavillons aus allen möglichen Perspektiven bereit und kaum, dass ich die beiden einander vorgestellt hatte, begannen sie ein Gespräch im fachlichen Kauderwelsch, dass ich mich entschloss, sie in Ruhe arbeiten zu lassen und einen morgendlichen Spaziergang zu unternehmen, den ich mit einem Besuch bei meinem Arzt abzuschließen gedachte.
Zwei Stunden schritt ich so durch die Marsch. Der Tag war bedeckt, die Wolken hingen wie eine filzige Wolldecke über dem Land und ohne die direkte Einwirkung der Sonne wurde es bereits kühl. So verlor ich das Vergnügen an der Wanderung und wandte meine Schritte dem Dorf zu.
Dr. Basils Haus lag von unserem Anwesen aus hinter dem Kern des Dorfes. Es war keine Praxis im eigentlichen Sinne. Er besaß ein großes Haus, eines der wenigen, das in seiner schlichten, funktionellen Art erst vor gut dreißig Jahren errichtet worden war und inmitten der alten, traditionellen Bauten fehl am Platze wirkte. Da die vielen Räume für ihn als alleinstehenden, älteren Mann mehr als genug waren, hatte er im vorderen Teil eine Art Sprech- und Behandlungszimmer eingerichtet, mit all der notwendigen Ausstattung, die ein Landarzt benötigte. Das nächste Krankenhaus lag mindestens vierzig Kilometer entfernt.
Dr. Basil war der einzige praktizierende Arzt auf der Marsch, so dass er sich über einen Mangel an Arbeit nicht beklagen konnte. Da er auch Hausbesuche machte, hatte er eine Helferin angestellt, Annette Mühring, eine Frau Anfang vierzig, eine zierliche, schlanke Person, die in ihrer Art freundlich ruhig, freilich eher verschlossen wirkte. Auch sie war alleinstehend, obwohl mich das bei ihrem Aussehen doch sehr überraschte, und wohnte kaum hundert Meter von der Praxis entfernt in einem kleinen, baufälligen Haus, das sie
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Eine Geschichte um den Privatdetektiv Markus Braun.