Der Geist der alten Marte - Page 7

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von Magnus Gosdek

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von ihren Eltern geerbt hatte und es ihr erlaubte, zu jeder Zeit des Tages für ihre Arbeit zur Verfügung zu sein.
Als ich eintrat, saß sie an ihrem Schreibtisch und ordnete die Tagespost.
„Guten Morgen“, sagte ich und Frau Mühring hob den Kopf.
„Guten Morgen“, antwortete sie. „Der Doktor ist nicht da, er macht einen Hausbesuch drüben bei Bauer Schellers. Ich erwarte ihn erst in einer Stunde zurück.“
„Dann werde ich warten, falls es ihnen nichts ausmacht“, entgegnete ich und setzte mich auf einen der beiden Stühle.
Sie nickte mir freundlich zu und beugte sich wieder über die Arbeit.
„Möchten sie vielleicht einen Kaffee?“ fragte sie zwischendurch und ich nickte dankend.
Doktor Basil kam tatsächlich nach kaum einer Stunde. Ich hörte, wie er den Wagen parkte und wenige Augenblicke später trat ein weißhaariger, spindeldürrer Herr ein. Er schüttelte sich und stellte seinen Stock, den er seit einigen Jahren benötigte, in den Schirmständer.
„Unangenehmes Wetter“, sagte er zu Frau Mühring gewandt. „Würde mich nicht wundern, wenn die Regenzeit nun bald beginnt.“
„Kann wohl sein“, entgegnete sie, um darauf gleich geschäftlich zu werden. „Herr Pohl wartet auf sie.“
Dies war mein Stichwort und ich stand auf. Der Doktor reichte mir die Hand, sein Griff war stark und kalt.
„Herr Pohl, wieder mal im Dorf?“
„Ich dachte, es wäre eine gute Gelegenheit, mein Herz überprüfen zu lassen. In der letzten Zeit gab es doch einige Aufregungen.“
„Na, da kommen sie mal mit!“ wies der Doktor mich an und ging mit einem leichten Hinken an mir vorbei in den Behandlungsraum.
Die Untersuchung dauerte nur eine halbe Stunde und als wir danach am Schreibtisch uns gegenübersaßen, blätterte Doktor Basil ein bisschen in meiner Krankenakte, während ich gespannt auf sein Urteil wartete.
Schließlich klappte er den Deckel zu und meinte:
„Ihrem Herzen geht es erstaunlich gut, mein Lieber. Die Seeluft und die Ruhe scheinen ihnen zu bekommen.“
„Was die Luft betrifft, so haben sie damit sicher recht, Herr Doktor“, entgegnete ich. „Mit der Ruhe haperte es in der letzten Zeit ein wenig.“
Und ich erzählte ihm von den Ereignissen der jüngsten Vergangenheit. Abschließend berichtete ich ihm noch von Jan Helmes’ Urteil.
Da lachte der Doktor, so laut es seine heisere Stimme erlaubte, auf.
„Sie werden doch nicht an so etwas glauben, Herr Pohl?“ fragte er scherzhaft.
„Nein, im Grunde nicht“, entgegnete ich ernsthaft und fühlte mich dabei wie ein Kind, das sich das Märchen von Rotkäppchen erklären lassen musste.
„Ich bin sicher, dass es ganz logische Erklärungen für die Vorfälle gibt. Denken sie einfach nicht mehr darüber nach“, riet er mir und stand auf.
„Nun muss ich aber leider weiter“, erklärte Doktor Basil. „Pastor Reiners erwartet meinen Besuch. Er hat sich eine Erkältung zugezogen und ich fürchte, dass sie sich zu einer Mittelohrentzündung auswachsen kann. Bei diesem Wetter ist das ja kein Wunder.“
Er reichte mir die Hand und wir vereinbarten den nächsten Termin in zwei Wochen. Im Wartezimmer saß Annette Mühring nach wie vor über der Post. Ich lächelte ihr zu und verabschiedete mich.
Da ich erwartete, dass meine Frau und Eric Johansson ihre Besprechung längst schon beendet hatten, wandte ich meinen Schritt direkt dem Kotten zu. Ich freute mich über das Ergebnis der Untersuchung. Noch hatte ich vier Monate der Genesung vor mir und ich war sicher, dass ich zu Beginn des neuen Schuljahres meine Tätigkeit wieder aufnehmen konnte, die, wie ich gestehen musste, mir doch fehlte.
Unterwegs zum Kotten traf ich auf die beiden Männer, welche ich Tage zuvor in der Gaststätte von Piet Krüger bemerkt hatte. Jetzt, in voller Gestalt vor mir stehend, fühlte ich mich bestätigt, dass der eine von ihnen ein wahrhafter Riese an Größe und Fülle war. Sie schlenderten über die Marsch und sprachen angeregt miteinander.
Als sie mich kommen sahen, blieben sie stehen und erwarteten mich.
„Guten Tag“, grüßte ich die beiden freundlich. „Sie machen einen kleinen Spaziergang nach dem Essen?“ fragte ich augenzwinkernd.
„Guten Tag“, erwiderte der kleinere von beiden den Gruß. „Ja, es ist ein angenehmer Tag.“
„Hm, ich denke, dass es bald regnen wird. Hier in unmittelbarer Nähe der See schlägt das Wetter schnell um. Sie sind fremd hier?“ fragte ich ein wenig neugieriger als es mir zustand.
„Wir sind am Wochenende angekommen“, erteilte mir der Kleine amüsiert Auskunft. Er mochte wissen, dass nicht viel auf der Marsch passierte und jeder Fremde eine willkommene Abwechslung bot.
„Mein Name ist Markus Braun und dies hier“, dabei wies er auf seinen voluminösen Gefährten, „ist Christoph Leifert.“
„Sehr angenehm“, entgegnete ich. „ich heiße Frank Pohl und wohne auf dem Kotten, den sie dort hinten sehen.“
Markus Braun nickte.
„Ich weiß, wir wurden zufällig Zeugen ihres Gespräches in der Gaststätte.“
„Ja, ich erinnere mich“, antwortete ich unangenehm berührt. „Bitte entschuldigen sie, dass wir sie mit solchen Dorfgeschichten belästigt haben.“
Markus Braun lächelte.
„Ich bitte sie! Für uns Städter sind solche Erzählungen wirklich spannend, nicht wahr?“
Mit dieser Frage wandte er sich Herrn Leifert zu.
„Natürlich“, bestätigte dieser. „Der Alte scheint ja ein toller Geschichtenerzähler zu sein. Vielmehr aber interessiert mich ihr Bericht. Die Sache mit der Schloss klingt recht eigenartig.“
„Nun, ich meine beinahe, dass letztendlich Hein Olson doch recht haben könnte und wir nur glaubten, die Tür abgeschlossen zu haben. Des Abends ist es in der Tat ziemlich dunkel in unserer Küche. Hoffentlich hat sich die Angelegenheit damit erledigt. Und sie“, wechselte ich das Thema, „sind sie zu Besuch hier?“
„So kann man es leider nicht nennen“, antwortete mir Herr Leifert und sein sonst so sympathisch heiteres Gesicht wurde ernster, „eine Tante von mir wohnte im Dorf und ist eben leider verstorben.“
„Das tut mir leid.“
„Sie war über achtzig und in den letzten Jahren doch schon etwas wackelig auf den Beinen. Ich bin ihr einziger Verwandter, jedenfalls von denen, die an der Beerdigung teilnehmen und sich um ihr kleines Häuschen kümmern können. Herr Braun erbot sich, mich zu begleiten.“
„Wann ist die Beerdigung?“ fragte ich.
„Am Freitag.“
„Wenn es meine Zeit erlaubt, werde ich kommen“, beschloss ich.
„Das ist sehr nett von ihnen“, nickte Herr Leifert. „Kannten sie meine Tante?“
„Sicher nicht. Meine Frau und ich stammen aus Hamburg und kommen nur zum Wochenende hierher. Im Kotten wohnen wir erst seit zwei Monaten.“
„Dann möchten wir sie nicht länger aufhalten. Vielleicht sehen wir uns ja noch einmal im Gasthof“, sagte Markus Braun und

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Eine Geschichte um den Privatdetektiv Markus Braun.

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