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Hände zu laufen, schien mir zu groß.
Es war ein finsterer Abend, die Wolken schwarz und sie hingen tief über der Marsch. Kälte zog von der See herüber und ich hielt mit einer Hand meinen Kragen geschlossen, als ich langsam den Weg zu unserem Kotten zurückstapfte.
*
Mitten in der Nacht erwachte ich. Es war kein Geräusch, das mich aufgeschreckt hatte. Es war vollkommen still, nur die tiefen, gleichmäßigen Atemzüge meiner Frau neben mir waren zu hören. Ich achtete jedoch nicht auf sie, lediglich auf den warmen, gelben Schein, der durch unser Schlafzimmerfenster drang.
Sofort sprang ich aus dem Bett und lief hinüber, öffnete in einem Ruck die beiden Flügel und steckte den Kopf hinaus. Da hörte ich das Prasseln, das Knacken und Lodern. Und Wärme zog zu meinem Gesicht hinüber, dass ich die Augen zusammenkneifen musste. Ein Geruch, beißend und penetrant, schlängelte sich durch meine Nase empor und nahm mir den Atem.
Schnell zog ich den Kopf zurück.
„Feuer!“ rief ich und meine Frau schreckte aus dem Schlaf empor. „Der Pavillon brennt!!“
„Wie? Was?“ rief sie erschrocken, noch ganz schlaftrunken und doch schon hellwach, um das Unglaubliche zu realisieren. „Mein Pavillon?“
Allerdings hörte ich schon nicht mehr auf sie, riss die Schlafzimmertür auf und stürmte die Treppe hinunter.
Als ich die Vordertür aufstieß, wurde die Hitze fast unerträglich. Kaum zehn Meter seitlich von mir züngelten die Flammen empor und selbst wenn bisher lediglich der Fußboden gelegt worden war, so brannten die Bohlen doch lichterloh.
Ich wich einen Schritt zurück und hielt schützend den Oberarm vor die Augen. Hinter mir hörte ich einen Schrei. Ich wandte mich um. Meine Frau stand in der Tür, die Hände vor dem Gesicht zusammengeschlagen.
„Mein schöner Pavillon!“ rief sie aus.
Ich drängte sie, ohne ein weiteres Wort, zurück ins Haus. Da hörte ich ein Wagengeräusch ganz in der Nähe und als ich in die Richtung stierte, gewahrte ich zwei Scheinwerfer, die sich unserem Kotten näherten.
Die Lichter wuchsen rasch und wenige Augenblicke später stoppten sie kurz vor meiner Frau und mir. Die Wagentür wurde aufgerissen und ein Mann sprang heraus. Es war Eric Johansson.
„Ich sah den Flammenschein von meinem Hof aus“, sagte er hastig, wandte sich dem Feuer zu und schüttelte ungläubig den Kopf.
„Was ist passiert?“ fragte er.
„Ich weiß es nicht“, entgegnete ich ihm. „Plötzlich erwachte ich von irgendetwas und da brannte der Pavillon bereits lichterloh.“
„Der ist nicht mehr zu retten“, urteilte Johansson und ich fand diese Aussage, wenn auch durchaus wahr, als zu hartherzig in Gegenwart meiner Frau.
„Wir müssen die Polizei rufen“, sprach er weiter.
„Polizei?“ fragte ich überrascht.
„Natürlich. Die Brandursache muss geklärt werden.“
„Wie meinen sie das?“ fragte ich ein wenig einfältig.
Johansson sah mich nur an, sagte aber nichts dazu. Dann aber erwiderte er:
„Es reicht auch morgen früh. An dieser Stelle ist eh nichts mehr zu retten und in der Dunkelheit kann man gar nichts erkennen. Außerdem“, er wies auf den grauschwarzen Himmel, an dem sich im matten weißen Mondschein riesige Kumuluswolken aufgetürmt hatten, „wird es nicht mehr lange dauern, bis es zu regnen beginnt. Er wird das Feuer, das nun bereits an Kraft verloren hat, gänzlich löschen. Kommen sie ins Haus, hier gibt es nichts mehr zu tun.“
Er drängte mich in die Tür hinein. Meine Frau stand immer noch an der gleichen Stelle und starrte auf die Flammen. Ich legte ihr meinen Arm um die Schultern.
„Wir bauen einen Neuen“, versuchte ich sie zu trösten, doch gelang es mir nur leidlich.
„Das Feuer ist nicht mehr gefährlich“, erklärte Johansson so kaltblütig, dass es mich schauderte. „Die Flammen hätten schon längst auf das Haus überspringen können. Nun ist es bereits zu klein. Sie haben Glück gehabt.“
„Glück?“ schrie meine Frau auf.
Johansson und ich sahen einander an. Er hatte recht. Wir hätten im Schlaf überrascht und getötet werden können. Dieser Gedanke war mir bisher gar nicht in den Sinn gekommen.
„Ich gehe in die Küche und koche einen Tee“, beschloss Johansson, weiterhin ohne jede Gemütsregung. „Sie setzen sich erst einmal und beruhigen sich ein wenig.“
Ursula nahm mechanisch im Lehnstuhl am Kamin Platz und ich ihr gegenüber. Durch das Fenster erkannten wir nach wie vor den Schein des abflachenden Feuers. Wir sprachen kein Wort. Als Johansson zehn Minuten später mit dem Tee eintrat, hatte der Regen eingesetzt. Die Flammen waren inzwischen kaum noch zu erkennen.
*
Am folgenden Morgen regnete es weiterhin.
„Sauwetter“, knurrte Wachtmeister Olson, als er aus dem Wagen stieg. Er schüttelte seine Mütze aus und trat auf meine Frau und mich zu, die wir seinen Wagen gehört hatten und ihn nun in der Tür erwarteten.
Mit einem Seitenblick wandte er sich dem verkohlten Haufen zu, der gestern noch das Fundament unseres Pavillons gebildet hatte.
„Schade drum“, brummte er. „Wie ist das passiert?“
Wir gingen ins Haus und setzten uns in die Küche. Dort erzählte ich ihm die Geschehnisse der vergangenen Nacht. Er hörte mir aufmerksam zu und sah nur einmal kurz auf, um Ursula freundlich zuzunicken, die ihm einen Kaffee gab.
„Und sie haben nicht bemerkt, wie das Feuer entstanden ist?“ fragte er mich, nachdem ich meinen Bericht abgeschlossen hatte. Meine Frau und ich schüttelten den Kopf.
„Als ich erwachte, war bereits alles zu spät“, ergänzte ich.
„Kennen sie jemanden, der ein Interesse daran haben könnte, dieses Feuer zu legen?“ fragte der Wachtmeister.
Wieder verneinten wir.
„Es wird schwer werden, nach diesem Regen mögliche Spuren zu erkennen. Da müssten schon die Kollegen aus der Stadt ran. Aber sehen wir uns den Haufen trotzdem einmal an!“ Olson stand auf und ich folgte ihm. Meine Frau blieb in der Küche. Sie schmerzte der Anblick noch immer.
Wachtmeister Olson beugte sich über die schwarzen Stummel, die kaum mehr als Holz zu erkennen waren. Ich blieb im angemessenen Abstand hinter ihm stehen und beobachtete ihn. Mit einem Stab, den er aus seinem Wagen mitgebracht hatte, schob er an einigen Stellen die Asche auseinander. Dann wanderte er weiter um den Haufen herum und wiederholte diese Aktion einige Male.
Schließlich, es mochte wohl eine Viertelstunde vergangen sein, richtete er sich wieder auf und rieb sich am Kinn.
„Hm“, murmelte er und wandte sich dabei halb zu mir um, „es ist nichts zu erkennen. Kein Hinweis auf einen Brandbeschleuniger oder Ähnliches. Aber wie
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Eine Geschichte um den Privatdetektiv Markus Braun.