Der Geist der alten Marte - Page 13

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von Magnus Gosdek

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fast im selben Augenblick erschien dort eine zierliche, braunhaarige Frau, mittleren Alters, die, als sie uns erblickte, einen Moment innehielt, dann aber entschlossen auf uns zueilte, meine Frau in die Arme nahm und direkt in die Küche führte.
Johansson und ich folgten ihnen. Wir setzten uns an den Küchentisch, der gerade für uns Platz bot.
„Können sie mir jetzt erzählen, was passiert ist?“ fragte er erneut. Ich atmete einige Male tief durch. Lisa Johansson kochte in der Zwischenzeit einen Tee.
Hier, im Schein der warmen Lampe, erschien das soeben Erlebte wie ein Traum, unwirklich, und wenn ich meine Gedanken zusammennahm, so mussten wir uns getäuscht haben. Diese Geschichte war doch blanker Irrsinn!
Trotzdem erzählte ich sie langsam, zögernd, mit einer Scheu, dass die Johanssons uns für verrückt erklären würden. Meine Frau nickte nur dazu und dann, als ich die Gestalt auf dem Deich erwähnte, schrie sie auf.
„Die Marte war's! Die Marte!“
„Unsinn“, widersprach Johansson. „Das ist doch bloß eine Legende. Sie haben sich getäuscht!“
„Nein, nein!“ rief meine Frau erneut. „Die Marte war's! Ich habe sie deutlich gesehen!“
Johansson atmete tief durch.
„Na“, sagte er schließlich, als seine Frau den Tee auf den Tisch gestellt hatte, „ trinken Sie erst einmal einen Schluck. Das wird Ihnen sicher gut tun.“
Nun saßen wir schweigsam in der Küche, jeder von uns in seinen Gedanken versunken. Der Sturm draußen hatte nachgelassen und die Tropfen an der Scheibe verloren ihr Stakkato.
„Könnten Sie uns eventuell nach Hause fahren?“ fragte ich Eric Johansson nach einer Weile.
„Möchten Sie nicht heute hier bleiben?“ bot Klara Johansson an.
„Nein“, lehnte ich dankend ab. „Ich glaube, eine warme Dusche und das eigene Bett wird nun das Richtige für uns sein.“
„Ich werde Sie fahren, aber erst, wenn Sie ihren Tee ausgetrunken haben“, entschied Eric Johansson mit energischem Gesicht.

*

Eine Stunde später setzte Herr Johansson uns an der Haustür ab. Mit müdem Gesicht dankte ich ihm dafür und wartete nicht, bis sein Wagen nur noch als schmale Lichtpunkte in der Dunkelheit zu erkennen war.
Nach dieser ganzen Aufregung ging meine Frau erschöpft zu Bett. Ich hingegen fühlte mich noch zu aufgewühlt und beschloss, im Wohnzimmer eine Weile über all die Ereignisse nachzudenken.
Ich setzte mich in den Lehnstuhl und goss mir ein Glas Wein ein. Es war nun vier Uhr in der Nacht. Der Sturm hatte aufgehört und nur noch vereinzelt schlugen Regentropfen gegen das Fenster. Im ganzen Haus war mittlerweile die Stille wieder eingekehrt und auch wenn ich mich mit dem festen Vorsatz, nachzudenken, hingesetzt hatte, fühlte ich nun doch die Müdigkeit und döste einige Minuten später ein.
Ich schrak hoch, als es an der Tür klopfte. Die Uhr an der Wand zeigte, dass ich lediglich eine Viertelstunde eingenickt war. Es klopfte wieder, dieses Mal ein wenig lauter. Ich wunderte mich darüber, stand aber langsam auf und ging zur Tür.
Zu meiner Überraschung sah ich Herrn Braun mit seinem Freund. Sie waren nicht allein. Sie hatten Doktor Basil mitgebracht.
„Wo ist Ihre Frau?“ fragte mich Herr Braun, kaum dass ich die Tür einen Spalt weiter geöffnet hatte.
„Im Bett, sie schläft“, entgegnete ich verwundert.
Herr Leifert und Doktor Basil drängten an mir vorbei und eilten in die Richtung unseres Schlafzimmers. Erschrocken sah ich ihnen nach. Herr Braun aber nahm mich beim Arm und zog mich zurück ins Wohnzimmer.
„Was soll das alles?“ fragte ich ihn zornig. Es war unverschämt, einfach in der Nacht hier bei uns einzudringen, ohne eine weitere Rechtfertigung abzuliefern. Doch Herr Braun legte mir die Hand auf die Schulter.
„Bitte entschuldigen Sie unseren Auftritt. Ich werde Ihnen sofort alles erklären. Setzen wir uns solange und warten wir auf Herrn Leifert.“
Mechanisch nickte ich und vielleicht hätte ich mich vor diesen zwei Herren, die letztendlich Fremde für mich waren, gefürchtet, wären sie nicht von Doktor Basil begleitet worden.
So aber saßen wir uns gegenüber und schwiegen einander an. Nur wenige Minuten später kam Herr Leifert aus dem Schlafzimmer zurück und nickte seinem Freund zu.
„Alles in Ordnung. sie wird durchkommen.“
„Durchkommen?“ fragte ich und sah ihn erschrocken an. „Was meinen Sie damit?“
„Doktor Basil pumpte ihrer Frau noch rechtzeitig den Magen aus“, erwiderte Herr Leifert hart. „Sie wurde vergiftet.“
„Vergiftet?“ schrie ich ihn an und sprang auf, um zu ihr zu eilen. Herr Leifert allerdings hielt mich auf.
„Wie gesagt, der Doktor kam rechtzeitig. Ihre Frau braucht nun Ruhe, aber es geht ihr gut.“
„Aber wer sollte sie denn vergiften? Wir waren doch nur bei Herrn Johansson.“
„Ja“, nickte Markus Braun bedächtig, „Sie waren bei Herrn Johansson.“
„Sollte er …?“ ich setzte diesen Satz nicht fort. „Aber warum?“ fügte ich hinzu.
„Bitte setzen Sie sich wieder. Ich werde Ihnen alles erklären“, entgegnete mein Gegenüber.
Herr Leifert und ich nahmen Platz, währenddessen Herr Braun die Beine übereinander schlug und sich im Sessel zurücklehnte.
„Alles begann mit der Geschichte, die Jan Helmes eines Abends in der Gaststätte erzählte. Die Legende der alten Marte, die auf diesem Kotten umgeht und in der Sturmnacht auf dem Deich nach ihrem Mann Ausschau hält. „Auf diesem Kotten wohnt kein Glück“, hatte der alte Mann erklärt. Und wirklich, wenig später hören Sie diese Geräusche um Ihr Haus. Kurz darauf wurde Ihre Küche verwüstet. Sie erinnern sich bestimmt an den folgenden Tag, als Sie Wachtmeister Olson besuchten und später in der Gaststätte von diesem Vorfall berichteten. Jan Helmes wies Sie darauf hin, dass dies das Werk der Marte sei. Dies war auch der Zeitpunkt, dass Herr Leifert und ich zum ersten Mal von Ihren Problemen hörten. Es vergingen nun einige Tage, bis Sie eines Nachts jenes Wehklagen auf dem Wohnzimmer vernahmen. Als Ihre Besucher und Sie nachsahen, fanden sie den Raum jedoch leer. In diesem Augenblick verfestigte sich der Eindruck, dass an der alten Geschichte über die unglückliche Marte doch mehr zu sein schien, als man vielleicht glauben mochte. Es folgte der Brand Ihres Pavillons und heute Nacht schließlich sahen Sie die Gestalt der Marte auf dem Deich, was dazu führte, dass Ihre Frau um ein Haar gestorben wäre, womit sich die Prophezeiung Jan Helmes erfüllt hätte. Legenden besitzen eine große Macht.“
Er unterbrach sich für einen Augenblick, nahm einen Schluck des Weines, der vor ihm auf den Tisch stand, setzte sich in seinem Sessel

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Eine Geschichte um den Privatdetektiv Markus Braun.

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