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ich bereits erwähnte, müssten meine Kollegen diese Reste begutachten. Es ist mir unerklärlich, wie dieses Feuer ausgebrochen sein kann. In dieser Jahreszeit ist das Holz feucht genug, um nicht beim ersten Funken zu entzünden.“
Ich musste ihm beipflichten. Dieser Brand konnte kein Zufall sein, und als Olson mir sagte, dass er sofort nach der Rückkehr seine Kollegen benachrichtigen würde, stimmte ich zu. Möglicherweise, so meinte er, könnte es bis morgen früh dauern, ehe sie kommen würden und bis dahin sollten wir nichts an der Brandstelle verändern.
Ich versprach es ihm und Wachtmeister Olson stieg in seinen Wagen.
„Wirklich ein Sauwetter“, brummte er abermals wie zur Bestätigung.
Als ich beobachte, wie er in Richtung des Dorfes fuhr, kamen mir unwillkürlich die Worte Jan Helmes in den Sinn.
„Auf dem Kotten wohnt nicht das Glück.“
Doch dieses Mal konnte ich nur schwer an ein Unwesen Martes glauben. Trotzdem, der Alte hatte recht behalten.
*
Es regnete den ganzen Tag über und am späten Nachmittag begann der Sturm. Zunächst hörten wir bloß den Wind um die Fensterläden streichen. Ich kontrollierte sämtliche Verschlüsse. Sie würden halten.
Der Himmel über der See hatte sich einen schlammigen Tümpel verwandelt und die Wellen brausten, dass wir sie bis zum Haus hören konnten. Der Regen peitschte vor die Scheiben und langsam versank auch das letzte Licht irgendwo am Horizont, dass tiefe Dunkelheit das Haus umgab.
Ursula und ich waren im Wohnzimmer und ich hatte wieder einmal den Kamin entzündet. Während ich unaufmerksam in einem Buch über die Völkerwanderungen blätterte, saß Ursula still auf dem Sofa und blätterte lustlos in einer Country-Style-Zeitschrift. Ohne die Ereignisse der vergangenen Nacht hätte ich es vielleicht sogar als gemütlich empfunden. Doch so konnte selbst die sanfte Hintergrundmusik die Stille nicht überdecken. Es wurde später und ich überredete meine Frau, ein Glas Wein zu trinken. Jetzt erst löste sich ihre Zunge und wie erwartet fragte sie mich:
„Was glaubst du, wer so etwas Hinterhältiges tun kann?“
„Ich weiß es nicht“, antwortete ich mit einem tiefen Seufzer. „Morgen kommt die Polizei und die werden das schon herausfinden. Und danach“, ich blinzelte ihr aufmunternd zu, „bauen wir einen neuen Pavillon. Davon sind wir nicht abzuhalten.“
Sie nippte wenig überzeugt an ihrem Glas. Wieder kehrte die Stille ein und ich vertiefte mich in mein Buch. Der volle Mond hatte ein Schlupfloch durch die Wolken gefunden und ein schmaler Streifen milchiges Licht ergoss sich durch das Fenster. Der Sturm aber schien an Kraft noch zuzunehmen.
Da plötzlich hörte ich einen schwachen Ruf. Ich sah von meinem Buch auf und lauschte. Auch Ursula hatte etwas gehört und legte ihre Zeitschrift beiseite.
„Was ist das?“ fragte sie und sah mich aufmerksam an.
„Da ruft jemand“, entgegnete ich, nachdem ich noch einige Sekunden gelauscht hatte. „Es klingt wie ein Hilfeschrei.“
Noch einmal strengten wir beide unsere Ohren an und wirklich, nun klang es lauter.
„Hilfe, Hilfe!!!“
Meine Frau und ich sahen einander an. Entschlossen, wie es die Art meiner Frau war, stand sie auf.
„Da ist jemand in Not! Wir müssen etwas tun!“
Schon eilte sie zur Tür, ich ihr hinterher. Schnell warfen wir uns die Mäntel über und traten hinaus in die Dunkelheit. Der Regen peitschte uns ins Gesicht. Wir senkten unsere Köpfe tief und lauschten noch einmal gegen das Prasseln und Pfeifen.
„Dort“, wies Ursula in Richtung Deich, „von dort kommen die Rufe.“
So schnell es uns bei diesem Wetter möglich war, liefen wir zu der Barriere der See. Der Mond hatte sich erneut hinter einer Wolke versteckt und um uns herum herrschte tiefste Dunkelheit.
Ich packte Ursula bei der Hand und zog sie mit. Die Rufe waren verstummt. Trotzdem strebten wir weiter dem Deich zu. Nichts war mehr zu erkennen. Waren wir schon weit von unserem Haus entfernt oder erst ein paar Meter? Ich wusste es nicht länger. Mit zusammengekniffenen Augen blinzelte ich in Richtung des Meeres. Doch es war nichts zu erkennen.
Da, plötzlich, trat der Mond für einen Augenblick hinter der Wolke hervor und der mächtige Schatten des Deiches war zu erkennen. Dahinter brauste die See. Oben auf dem Deich erkannte ich die Silhouette einer Gestalt.
„Sieh dort!“ schrie ich meine Frau gegen den Regen an.
Sie hob den Kopf und folgte meinem Finger. Abrupt blieb sie stehen und ich hielt sie weiter am Arm. Wir starrten hinüber.
Es war ein Körper, eine menschliche Gestalt und so viel ich erkennen konnte, musste es sich der Kleidung nach um eine Frau handeln. Sie stand starr gegen den Regen, den Blick auf den blanken Hans gerichtet. In diesem Augenblick wusste ich es.
„Die Marte!“ rief ich. „So ist es also doch wahr!“
Meine Frau, der ich die Geschichte natürlich erzählt hatte, schlug die Hände vor den Mund.
„Mein Gott!“ keuchte sie.
Der Mond verschwand wieder hinter einem dichten Wolkenschleier. Ich packte meine Frau an den Schultern und zerrte sie fort. Wir liefen über das raue Marschland. In den Ritzen der Erde hatte sich das Regenwasser angesammelt. Einige Male stolperten wir hinein, sanken auf die Knie, rappelten uns, aneinander geklammert, abermals auf und liefen weiter. Ich wusste nicht mehr, ob es in die Richtung unseres Kottens ging. Nur fort, fort vom Deich!
Mein Herz pochte und ich bekam Angst. Was würde geschehen, wenn ich nun einen Anfall bekäme? Wer könnte uns jetzt helfen? Meine Frau hatte die Panik genauso ergriffen wie mich. Doch bloß nicht weiter darüber nachdenken! Vorwärts! Vorwärts!
Und dort! Nach unendlich langer Zeit, so wie es mir erschien, sah ich die Schemen eines Hauses, unseres Hauses! Nein, es war nicht unser Haus, es war viel größer und ein weiteres Gebäude erblickte ich daneben. Eine Scheune wohl. Jetzt erst erkannte ich das Anwesen von Eric Johansson. Wir waren viel zu weit nach Westen gelaufen und hatten es noch nicht einmal bemerkt.
Ich hämmerte an die Tür und es dauerte lediglich einige Augenblicke, bis Johansson sie öffnete. Erstaunt sah er uns an. So durchnässt und mit verzerrten Gesichtern, wie wir vor ihm standen, konnte ich ihm das auch nicht verdenken.
„Was ist passiert?“ fragte er, besann sich dann jedoch eines Besseren, öffnete die Tür und zog uns schnell hinein. „Mein Gott, sie sind ja völlig nass. Lisa, komm einmal!“
Er hatte diesen Ruf in den rückwärtigen Raum geworfen und
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Eine Geschichte um den Privatdetektiv Markus Braun.