Der Geist der alten Marte - Page 10

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von Magnus Gosdek

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ich und ich gestehe, dass es mich ärgerte.
Markus Braun lächelte.
„Jan Helmes hört sehr viel“, antwortete er wie zur Entschuldigung, sprach dann aber ernsthaft weiter. „Er war es auch, der uns die Legende von der Marte auf dem Deich ausführlich erzählte.“
„Sie werden doch diesen Unsinn etwa nicht glauben?“ fragte ich empört.
„Nein, ich glaube das nicht“, bestätigte mir Markus Braun absolut ruhig, „Geister sind nicht meine Welt. Ich glaube allerdings ganz fest, dass irgendjemand ihnen schaden will.“
„Auf diesen Gedanken sind meine Frau und ich auch schon gekommen. Möglicherweise ist es ein Nachbar, den unsere Anwesenheit hier nicht gefällt. Vielleicht jemand, der den Kotten für sich kaufen wollte.“
Doch Markus Braun schüttelte den Kopf.
„Das wäre eine Möglichkeit. Ich denke jedoch an jemanden aus ihrem direkten Umfeld. Jemanden, der ihr Haus kennt, vielleicht sogar einen Schlüssel besitzt.“
„Einen Schlüssel?“
„Ja, es bedeutet nicht unbedingt, dass sie ihm einen gegeben haben. Er könnte ihn sich nachgemacht haben. Außerdem kennt er die Geschichte von Marte auf dem Deich ebenso wie sie und diesen Umstand macht er sich zunutze.“
„Aber wer könnte das sein?“ fragte ich verblüfft und starrte meinen Gesprächspartner an.
Er antwortete mir nicht darauf, betrachtete stattdessen die Bäume, deren Geäst sich im sanften Wind über die Gräber neigte. Ich dachte nach und die Blätter rauschten, als eine kräftigere Brise durch sie hindurch fuhr.
„Sie meinen doch nicht etwa …“, ich stockte. Nein, dieser Gedanke, der mir nun gekommen war, schien mir zu absurd. Nie, nie im Leben könnte es so sein, und doch, wenn ich Markus Brauns Vorgaben in Betracht zog …, es konnte nur er sein.
„Sie meinen am Ende nicht etwa Felix?“ wiederholte ich und wagte dieses Mal den Namen auszusprechen.
Wieder ging Markus Braun auf meine Frage nicht direkt ein.
„Was geschieht, wenn ihnen etwas zustößt?“ fragte er ruhig.
„Dann erbt alles meine Frau, so wie ich, bei ihrem Tode“, gab ich zur Auskunft.
„Und wenn sie beide sterben?“ fragte Braun weiter. „Wer ist ihr Nutznießer?“
Ich stockte einen Augenblick und ahnte, dass Markus Braun die Antwort bereits wusste.
„Felix“, entgegnete ich zögerlich. „Aber“, hier wurde meine Stimme nun energischer, „warum sollte er uns so etwas antun? Er hat seine eigene Firma, ist auf unser Geld, und glauben sie mir, das ist nicht allzu viel, weder angewiesen, noch ist er gierig.“
„Läuft seine Firma wirklich so gut?“ bohrte der andere nach. „Woher wissen sie um die Verhältnisse?“
Ich schwieg.
„Auch wenn er kein Geld erben würde, so wäre es in diesem Fall immerhin Land.“
„Sie irren sich“, rief ich vehement. „Felix kann das unmöglich getan haben.“
„Bitte verstehen sie mich nicht falsch“, sprach Markus Braun gelassen weiter, „ich kann es weder behaupten, noch beweisen. Dass ihnen jedoch jemand schaden will, und zwar mit diesen Voraussetzungen, die ich vorhin umschrieben habe, das ist sicher.“
„Was sollen wir denn machen?“ fragte ich mittlerweile schon ein wenig verzweifelt.
„Kommt es zu einem Verbrechen, so wird es ganz sicher aufgeklärt werden. Doch das wollen wir nicht hoffen. Ich möchte sie warnen, seien sie vorsichtig!“
Wir sahen uns einen Augenblick in die Augen und dann, als wir das Ende des Seitenweges erreicht hatten, gaben wir einander die Hände und Markus Braun ging zurück zu seinem Freund, während ich langsam und in tiefen Gedanken versunken den Friedhof verließ und mich zu meinem Doktor begab.

*

Am Montag begann Eric Johansson mit dem Bau des Pavillons. Die ersten Bretter hatte er am Wochenende geschnitten, so dass er sie nun zum Fußboden des Pentagramms zusammenfügen konnte. Meine Frau und ich halfen ihm dabei und als der Nachmittag kam, war die untere Fläche fast vollständig fertig, dass Johansson meinte, am Mittwoch könnten wir bereits mit den Seitenwänden beginnen. Dies ginge leider nicht früher, da die Verzierungen am den Kopfenden doch mehr Arbeit bereiteten als die simplen Zuschnitte. Ursula gab sich damit zufrieden, obwohl ihre Ungeduld nur schwer zu bändigen war.
Die ganze Zeit über ging mir das Gespräch mit diesem seltsamen Herrn Braun nicht aus dem Kopf. Er hatte mir mit seinen Überlegungen doch mehr Angst eingeflößt, als ich es zugeben wollte. Natürlich kam Felix nicht wirklich als Täter in Betracht, dies war einfach unmöglich. Immerhin hatte dieser Fremde Fakten aufgezählt und durch seine logischen Schlussfolgerungen durchaus meiner Geisteshaltung entsprochen. Irgendjemand, da gab ich ihm vollkommen recht, hatte es darauf abgesehen, uns einen gehörigen Schrecken einzujagen. Wenn man dabei berücksichtigte, dass es nicht allzu gut um mein schwaches Herz bestellt war, konnte diese Angelegenheit durchaus gefährlich werden.
Felix mir jedoch als Täter vorzustellen, gelang mir nicht. Gut, er war derjenige, dem wir einen Schlüssel für den Notfall überlassen hatten. Und er war es auch, der uns beerben würde. Dies aber rechtfertigte noch lange nicht diese Überlegung.
Doch wenn ich meinen Neffen aus dem Verdacht herausnahm, so fiel es mir schwer, jemand anderen zu benennen. Pastor Reiners besuchte uns von den Dorfbewohnern am häufigsten. Doch diese Idee war einfach lächerlich, abgesehen davon, dass ich mir beim besten Willen kein Motiv vorstellen konnte.
Die Leute aus der Gaststätte hatten sehr wohl schon die Legende der Marte gehört, doch war ich mit ihnen noch nie in solchen Kontakt getreten, dass mir von ihnen jemand aufgefallen wäre.
Möglicherweise handelte es sich bei dem Unbekannten um einen der angrenzenden Nachbarn, die sich Hoffnungen auf unser Land machten. Aber auch hier hatte ich sie nur kurz kennengelernt und weiter keinen Umgang mit ihnen, so dass ich es letztendlich nicht beurteilen konnte.
Dass ich in meinen Überlegungen nicht weiterkam, beunruhigte mich am meisten. Ich hatte meiner Frau von dem Gespräch nichts erzählt, da ich wusste, dass die Vorstellung eines solchen Anschlages sie arg mitgenommen hätte. So blieb ich mit meinen Gedanken allein.
Als ich am Nachmittag ins Dorf ging, tat ich dies in der Hoffnung, Herrn Braun zu treffen. Wie der Wirt mir aber erzählte, waren die beiden an diesem Morgen in die Stadt gefahren und gedachten erst morgen zurückzukehren.
So trank ich mein Bier allein in der Gaststätte, in der sich glücklicherweise auch Jan Helmes nicht befand. Seine Anspielungen auf das Unwesen Martes hätte ich an diesem Tag wohl sehr schwer ertragen.
Am frühen Abend, als die Stube sich langsam füllte, brach ich auf. Die Gefahr, dem alten Geschichtenerzähler letztendlich doch noch in die

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Eine Geschichte um den Privatdetektiv Markus Braun.

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