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der anderen Seite lernte ich gerade eine endlose Reihe von
Virologen, Mikrobiologen, Immunologen oder einfach nur besorgten Lungen-, HNO-
oder Hausärzten kennen, die versuchten ihre Stimme hörbar zu machen. In dieser
zweiten Gruppe hörte ich viele vernünftige Darstellungen, die mir weitaus
ausgewogener klangen als die Drastik, die der Hauptstrom im Angebot hatte.
Weiterhin äußersten sich Juristen, Journalisten und weiß Gott welche
Berufsgruppen, die die Vorgänge kritisch beäugten.
Nachdem ich über viele Tage hinweg meinen Tauchgang in die Informationsfluten
vollzogen hatte, kam ich zu meinem vorläufigen Schluss. Die Beherrscher dieses
Landes gingen von einem schlimmsten anzunehmenden Fall aus, der lautete, dass
wir es mit einem Virus zu tun hatten, welches sich extrem schnell ausbreiten
und dabei auch noch einen großen Anteil an Toten oder Schwerkranken
produzieren würde. Belastbare Daten hatte dafür praktisch niemand im Angebot.
Abgesehen von eher beruhigenden, jedoch jederzeit vom ARD Faktenfinder
widerlegbaren Studien, die keinen großen Unterschied zwischen der Königsgrippe
und der guten alten Influenza sehen konnten. Aber wo man keine belastbaren
Daten hatte, konnte man jederzeit dramatische Bilder aus Norditalien oder
Spanien einfügen. Ein Bild spricht mehr als tausend Worte; oder in diesem
Falle mehr als tausend Belege.
Im Prinzip handelte es sich um eine akademische Schreibtischarbeit: Man hatte
eine zusammengereimte Sterblichkeitsrate angesetzt, diese auf ein Volk von 83
Millionen Menschen hochgerechnet und dann den Alarmknopf gedrückt. Wann hatte
man zuletzt in dieser Gesellschaft in einem nennenswerten Bereich den
schlimmsten anzunehmenden Fall zur Grundlage erklärt? Hätte man dies bei der
Atomkraft getan, hätte niemals ein Atomkraftwerk gebaut werden dürfen (und es
wäre auch besser gewesen!). Man hätte sofort alle Innenstädte vom Autoverkehr
befreien müssen, denn eine ganz ähnlich schreckliche Rechnung konnte man mit
Feinstaubtoten machen; da waren die Unfalltoten noch gar nicht dabei. Gleiches
galt für die Opfer durch Passivrauchen. Wie war das doch gleich mit Glyphosat
in unserem Essen? Das konnte man nie ganz widerspruchsfrei zeigen, dass das
wirklich schädlich war. Also verwendete man es weiter. Die Gefahr eines
zufällig ausgelösten Atomkrieges war schon im alten kalten Krieg mitunter groß
gewesen. Heute im neuen kalten Krieg bei verkürzten Reaktionszeiten durch noch
irrsinnigere Waffen-Technologie, ließ man unter Umständen Computerprogramme
selbstständig entscheiden, wann der (Gegen-)Schlag auszulösen war, um sich zu
rächen. Wie würde hier der schlimmste anzunehmende Fall aussehen und was
müsste die Gesellschaft auf der Stelle tun, um sich zu retten?
Andrei Sacharow, ein großer Kopf des sowjetischen Atomwaffenprogramms wurde
einst vom gefeierten Staatshelden zum totgeschwiegenen Dissidenten. Er stellte
Berechnungen an, dass die Durchführung von Atomwaffentests zu zahllosen Opfern
in der Bevölkerung führt. 10.000 Tote je Megatonne Sprengkraft getesteter
Atomwaffen war seine Annahme. Das nukleare Wettrüsten wurde jedoch noch lange
nicht eingestellt. Und man kann davon ausgehen, dass die auf der westlichen
Seite ausgeführten Atomwaffentests ihrer Wesensart nach nicht
menschenfreundlicher sein konnten. Und finden heute eigentlich noch
Atomwaffentests statt?
Da gab es Mikroplastik in den Meeren. Weichmacher im Plastikspielzeug.
Multiresistente Keime in den Krankenhäusern. Wer hatte nicht schon mal einen
kleinen Artikel beiläufig darüber gelesen? Antibiotika-Missbrauch: Sollten
wir bald alle wieder an einfachen Krankheiten sterben, weil Penicillin nicht
mehr wirkte? Alles halb so wild. Denn wir hatten nun eine Pandemie und nur das
zählte jetzt! Nur weil wir es akzeptierten, dass unsere Gesellschaft ständig
zahllose Tote forderte und Gefahren heraufbeschwor, hieß das nicht, dass man
nun Opfer wegen eines Virus in Kauf nehmen durfte.
Vor einigen Wochen war der angekündigte Untergang der Welt durch Klimawandel
und Artensterben nicht groß genug, um auf die reizvoll günstige Flugreise über
ein Wochenende hinweg, zu verzichten. Greta Thunberg immerhin hatte nun,
gewollt oder ungewollt, eines ihrer erklärten Ziele erreicht: „I want you to
panic“, das war nun zweifellos geschafft. Wer wäre vor einem Monat bereit
gewesen auf den Ausweis des eigenen Erfolgs, etwa eines wuchtigen
Stadtgeländewagens vor dem Haus, zu verzichten? Heute blieben alle tapfer zu
Hause und schränkten sich ein oder ließen sich einschränken. Früher wurde der
Untergang des Abendlandes ausgemacht, wenn eine Partei die Idee hatte, den
Menschen eine gesundere Ernährung ans Herz zu legen. Das sei die Sache jedes
Einzelnen trompetete es überall. In diesen Tage betonte der bayerische
Faschingsprinz jedoch, dass die Menschen vor C notfalls auch gegen ihren
Willen „gerettet“ werden müssen.
War es vielleicht möglich, dass unsere Gesellschaft, die daran gewöhnt war, an
den Fehlfunktionen des eigenen Systems zu darben und dem still zuzusehen, es
nicht ertragen konnte, dass nun eine Gefahr aus der Natur drohte? Eine Gefahr,
die der Mensch sich nicht selbst auferlegt hatte? Wenn das System beschloss,
dass es zumutbar war, wenn den Menschen strukturell Schäden zugefügt wurden,
war es in Ordnung. Es entsprach einem unsichtbaren Willen der Menschheit. Und
stand ja auch irgendwie unter der Kontrolle der Menschen. Auch wenn es
offenbar niemand verstand, diese Schädigungen abzuschalten. Doch wenn ein
wildes Virus auftauchte, welches auf eigene Faust entschied, einige genau
jener strukturell geschädigter Menschen früher von der Erde abzuberufen, war
das ein Weltuntergangsszenario. Es war nicht menschengemacht, deshalb musste
es verhindert werden. Dabei war man sich nicht einmal diesbezüglich sicher.
Denn es gab schon sehr früh Vermutungen, dass dieses Virus in einem Labor
hergestellt worden sein könnte. Doch wer sollte das im Missklang der Experten
und der verzerrten Medien jetzt noch ernsthaft belegen können? Vielleicht in
ein paar Jahrzehnten einmal, wenn das Spiel längst gelaufen war.
Was die Gründe auch waren, meine Gesellschaft hatte sich in kürzester Zeit
vollkommen verkehrt. Um die Großeltern und Eltern zu schützen wurde nun das
Leben mal auf Pause gesetzt. Der „Lockdown“ oder „Shutdown“ war der neueste
Begriff für das Unwörterbuch des Jahres 2020 dafür. Nein es ging dabei nicht
um den regelmäßig praktizierten Shutdown der US-Regierung, weil das vom
Kongress genehmigte Budget ausging. Es ging dabei um die weitgehende
Einstellung und Einschränkung des wirtschaftlichen und öffentlichen Lebens.
Wobei ich mir noch nicht ganz sicher war, ob die Vorgänge nicht auch
hintergründig irgendetwas mit Geld zu tun haben könnten. Diese Pandemie bzw.
die Reaktionen darauf eröffneten immerhin die Möglichkeit für eine massive
Wirtschaftskrise mit Ansage. Vielleicht war das sogar von gewissen Kreisen
gewünscht? Es knirschte immerhin schon seit Jahren im Gebälk des modernen
finanzkapitalistisch angetriebenen Weltwirtschaftssystems. Ich wählte als
Ersatzbegriff dafür jedenfalls lieber „Gesundheitsschlaf“, um weiterhin die
Nutzung von Unwörtern zu vermeiden.
Nein, ich kaufte meiner Regierung so leicht nicht ab, dass sie plötzlich ihr
Herz für die Gesundheit ihrer Bevölkerung entdeckt hatte. Oder wie mein Freund
Bernhard es ausdrückte: „Wenn der Staat sich um meine Gesundheit Sorgen macht,
mache ich mir Sorgen“. Entweder war der Staatsapparat genauso Opfer einer
Panik oder er nutzte das aktuelle Geschehen zu anderen Zwecken aus. Oder es
war eine bizarre Mischung aus beidem. Ich bekam jedenfalls den Eindruck, dass
einige der Führungsfiguren in diesen Tagen das erste Mal begriffen, dass in
ihren Ländern täglich tausende