In richtig guter Erinnerung von zuhause, was die Mahlzeiten anging, habe ich eigentlich nur immer wieder den Freitagabend. Das wurde schon zum Ritual, besonders in der kalten Jahreszeit.
Da kam auf den schon erwähnten Tisch in der Küche, um den sich dann alle gleichzeitig versammelten, eine wahre Schlemmerparade:
Frische knusprige Bäckerbrötchen verschiedenster Ausformung und Geschmacksrichtung, ein Toaster und Toastbrot, manchmal Knoblauchzehen zum Darüberreiben (was besonders Mama mochte), Pumpernickel und Schwarzbrot in dünnen Scheiben, Bauernbrot, das die Oma vor der Brust mit dem Messer ganz gleichmäßig in Scheiben schnitt, nicht, ohne vorher mit der Messerspitze drei Kreuze in den Brotboden anzudeuten, Dosenfisch, auch schon mal fetter geräucherter Aal oder sogenannte Schillerlocken, von denen ich heute weiß, dass sie aus Hai-Fleisch bestehen, Butter im Schälchen, Salz, Kresse, als Highlight eine unglaublich variantenreiche Käseplatte (!) und – ganz wichtig – ein Topf mit viel Kakao! Das war jedes Ma(h)l ein Fest!
Endlich Wochenende! Keiner dachte an die Schufterei am Samstagvormittag (schön, wenn wir mehr als drei Stunden Schule hatten...), wenn die gesamte Wohnung geputzt werden musste, bis es nachmittags um halb vier endlich Kaffee und Kuchen gab und damit eigentlich schon der Sonntag begonnen hatte.
Ich dachte noch nicht an die Schinderei, die regelmäßig mein Ressort war – neben dem Aufklaren des Kinderzimmers: Die Treppe.
Die alte, knaatschende Holztreppe mit dunkelrotem Anstrich, die, weil auf jeder Etage nur eine Familie wohnte, jede Woche gefegt, gewischt, auf den Knieen mit rotem Bohnerwachs „eingecremt“, danach mit dem Bohnerklotz geklotzt und zum Schluss – wieder auf den Knieen - Zentimeter für Zentimeter mit einem weichen Tuch blankpoliert werden musste, 15 und 12 Stufen im Halbrund und zwei spitzwinklige Podeste. Rotbraune Farbe blieb an den Händen und der Wachsgeruch umwehte mich bis in den Abend, da half auch wiederholtes Waschen wenig.
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