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Ihr Hund lebt ja noch, das dürfen Sie nicht. Lassen Sie das!“ Doch der Greis antwortete: „Wann ich meine alte Töle zu begraben wünsche, geht ja Niemanden etwas an. Und Sie schon gleich gar nicht! Halten Sie sich aus Ihnen fremden Dingen heraus, junger Mann!“ Immer und immer wieder bat Karl diesen Mr. Wonderfresh, den Hund, dessen Schwanz wedelte, der ohne jeden Zweifel lebte, zu verschonen. Doch jener uralte Mensch führte diese entsetzliche Tat aus. Und Karl konnte nichts dagegen unternehmen. Schließlich ward der arme Hund unter einer dicken Schicht von Erde begraben. Und Karl weinte bitter, versuchte noch, nachdem der Mann gegangen war den Hund mit den Händen wieder auszugraben. Aber je mehr er sich bemühte, je heftiger er grub und grub, desto tiefer sank der Hund ab, und schließlich gab es keine Rettung mehr für ihn. Ein letzter und arg zu Herzen gehender Klagelaut, dann erstarb das klägliche Jammern des Hundes. Karl konnte für die restliche Zeit der Nacht keinen Schlaf mehr finden. So grausam schien ihm das Verhalten des schrecklichen Greises. Warum hatte er das getan??
Und warum musste Karl solch einem Traumgebilde anheim fallen?? Was liegt dem zugrunde? Worauf weist solch ein Traum hin? Welche Lehren sind daraus zu ziehen, welche Moral leitet sich daraus ab? Die schiere Angst um das Leben des ja so alten Hundes hatte Karl letztlich aus dem Traum gerissen, ihn geweckt. Schweißnass lag er im Bett, und konnte hernach keinen Schlaf mehr finden. Mich dünkt, ich träumte, dass mir träumte, ich sei selbst dieser Hund gewesen, so Karls Fazit. Erschreckend.
Unruhig ging er auf und ab, in seinem winzigen Zimmer. Trank Cola, rauchte auch noch eine Pfeife, und beschloss dann, den Konsum dieser neuartigen Coca Cola, so erfrischend das Getränk auch war, deutlich einzuschränken. Einen solchen Traum mochte er nicht noch einmal träumen müssen. Am folgenden Tag, in der Freizeit, ging er zur OK City Bücherei, um in einem Traumbuch nachzuschlagen, was dieser merkwürdige Albtraum denn nur zu bedeuten hätte. Er las, erschüttert: Unglück für einen nahen Freund. Und Karl versuchte, den Gedanken sofort wieder aus seinem Kopf zu tilgen.
Die Zeit schritt voran. Und eines Tages war Karl nun selbst ein Vorarbeiter für einige der leichteren Aufgaben im technischen Bereich der Bühnenarbeit. Ihm unterstellt, so erfreulich das auch war, schienen allerdings ausgerechnet die schwierigen, langsam arbeitenden und äußerst begriffsstutzigen Burschen zu sein. Es waren Jock, Milton, Stryde, Mason, Klayton, und Keller Thompson. Letzterer war als Aufwiegler und als Tunichtgut bekannt. Es gab nicht selten größere Probleme mit diesem Thompson. In all der Zeit, die Karl nun schon technischer Arbeiter am Theater war, hatte er bereits von vier Vorfällen gehört, in die Keller Thompson verwickelt gewesen sein sollte. Die Intendanz hatte ihm eine letzte Chance eingeräumt, da er ja, an und für sich, keine Arbeit ablehnte, immer pünktlich anrückte, niemals betrunken zum Dienst erschien.
Der ausgleichende und freundliche Charakter des Roßmann, so schien es, war nun die letzte Möglichkeit für Thompson, sich zu bewähren. Sollte es hier, unter Karl, nun auch zu einem Eklat, zu einer Unstimmigkeit kommen, dann würde man diesen Mr. Keller Thompson zu entlassen wissen. Karl hatte so seine Probleme mit dem Mann. Doch letztlich rauften sie sich alle zusammen. Hinter vorgehaltener Hand machten sich alle sechs schon ein wenig lustig über Karls Aussprache, und den gestelzten, arg gespreizten Sprach-Stil, aber man erkannte auch die Fähigkeiten des Arbeiters, die hohe Kunst im Bereich aller Arbeiten, zum Beispiel der diffizilen Arbeit vor allem im Schnürboden, an. So verdiente sich der Neu-Amerikaner Roßmann seinen Respekt bei seinen Untergebenen, er lobte fleißig, wenn es gut lief, und er konnte durchaus auch mahnende Worte erbringen, wenn einer der Männer sich etwas zuschulden kommen ließ. Alles in allem war Karl ein sehr angenehmer Vorarbeiter. Mit der neuen Stellung gab es auch deutlich mehr Gehalt. Karl konnte jetzt aber nicht mehr so viel Geld an Johanna und Jakob übersenden. Er hatte deutlich höhere Ausgaben. Doch darüber wird gleich noch zu berichten sein. Es waren jetzt nur mehr 30 $ im Quartal. Aber auch das reichte noch immer, um die gewichtigsten Bedürfnisse des Kindes, und seiner Mutter, zu befriedigen. All die Briefe, die er von Johanna, aus Prag, erhielt, bewahrte er in einer großen Holzkiste auf. Es war bereits ein dickes Bündel.
Er selbst schrieb eifrig nach Hause. Zunächst den Eltern, dann Johanna, schließlich auch einem Freunde, den er wirklich sehr vermisste. Mitunter bedauerte Karl es sehr, dass die Daheimgebliebenen leider nicht in dieser Währung zurück zahlen wollten - oder konnten, was die Briefleidenschaft betraf. Schrieb er nahezu wöchentlich, erhielt er nur 1 x im Monat eine Antwort. Vom Freunde sogar nur 1 x im Quartal. Er frug die Johanna auch danach, denn seine Eltern wollte er nicht darauf ansprechen. Und die sagte ihm frank und frei, seine Briefe seien wahre Kunstwerke, die zu lesen schon sehr viel „Grips abnötigten“ (die gute Johanna, dachte Karl), man könne unmöglich solch schöne Briefe schreiben, in der Heimat. Daher belasse man es bei dem einen oder anderen Antwort-Brief, hoffend, er möge dennoch das Briefeschreiben niemals unterlassen. Als Karl das las, wurde es ihm leicht ums Herz. Dann las man also die Briefe von ihm mit großem Vergnügen, mit aller Begeisterung? Nun, dann wollte er sich nun noch mehr anstrengen. Gern beschrieb er das „amerikanische Leben“, das er ja, als Amerikaner, nun führte. Er schrieb von seiner Arbeit, von den Aufführungen und natürlich auch von der Stadt, Oklahoma City. Als ihn Johanna bat, ihr offen zu sagen, ob es da nicht vielleicht auch „eine Maid an seiner Seite gäbe“, konnte er der armen Johanna Brummer, die ja auch selbst ebenfalls ohne jeden Lebensgefährten geblieben war, teils aus der Hoffnung heraus, Karl könnte sie und das gemeinsame Kind eventuell nach Amerika holen, teils aus dem Bewusstsein heraus, dass nur ein Fehler reiche, um sich das ganze, komplette Leben völlig zu ruinieren, in aller Ehrlichkeit mitteilen, dass es keine Frau in seinem Leben gäbe. Johannas Meinung nach hatte sie kein Glück an der Seite eines guten Mannes verdient. Auch die Mutter Roßmanns ist niemals auch nur