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verspürte. Bis jetzt hatten nämlich noch all ihre Träume sie in Panik versetzen lassen, wenn sie etwas gesehen hat, das ihr so gänzlich unbekannt war. So lag sie noch einige Zeit im Bett und versuchte das Gesicht aus ihrem Traum einer vertrauten Person ihrer Vergangenheit zuordnen zu können. Noch in Gedanken versunken und an die Decke starrend, schreckte sie im nächsten Augenblick auf. Ihre lang verstummte Wohnungsklingel ertönte und ließ Sophie den Atem stocken. Sie hatte schon ewig keinen Besuch mehr bekommen und auch an diesem Tag keinen erwartet. Umso unwohler fühlte sie sich dabei, als sie den Unbekannten an der Gegensprechanlage in Empfang nahm.
„Hallo?“,
hauchte Sophie nervös in den vergilbten Hörer.
„Hey! Hier ist Jacob!“
Kurz musste Sophie überlegen, dann fiel ihr wieder ein, dass es der Mann von Simone war. Doch was er von ihr wollte, hatte sie sich nicht denken können. So fragte sie vorsichtig nach:
„Hi. Was gibt’s?“
„Ich wollte mal nachsehen, wies dir so geht. Die letzten Tage waren sicher nicht leicht für dich.“
antwortete er ihr und hoffte dabei, sie würde ihm die Haustüre öffnen. Sophie wohnte im vierten Stock von insgesamt fünf Etagen und nur eine kleine Steintreppe mit losem Geländer führte zu ihrer Wohnung nach oben. Doch ehe sie den Türöffner ihrer Klingelanlage betätigen wollte, hakte Sophie genauer nach:
„Das ist lieb. Aber woher weißt du denn überhaupt wo ich wohne?“
und für kurze Zeit verstummte Jacob und man konnte ihn tief atmen hören. Einige Sekunden später entgegnete er ihr dann:
„Von meiner Frau. Ich dachte, wir können uns ein wenig unterhalten. Würde mich sehr freuen.“
Sophie war skeptisch, denn gerade Simone wäre wohl der letzte Mensch auf Erden gewesen, der wollte, dass sich ihr Mann mit der Frau trifft, die sie selbst nicht ausstehen könne.
„Von deiner Frau?“,
fragte Sophie verwundert und machte mit ihrer überrascht klingenden Stimme kein Geheimnis daraus, dass sie ihm das nicht glauben konnte.
„Naja, auch wenn ihr euch anscheinend nicht so gut verstehen könnt, so ist Simone sicher kein Unmensch. Sie hat nichts dagegen, dass ich mich bei dir erkundigen möchte, wies dir geht.“,
versuchte Jacob sie zu überzeugen und nach kurzer Pause konnte man das Surren des sich entsperrenden Türschlosses hören, das Sophies mit den Worten:
„Na dann komm hoch. Zweiter Stock. Ich mach dir die Tür auf.“
begleitete. Von oben vernahm Sophie die allmählich lauter werdenden Schritte von Jacob, die sie etwas nervös gemacht hatten. Sie zweifelte zunächst, ob es eine gute Idee gewesen wäre, ihm so schnell den Zutritt gewährt zu haben. Zwar fand sie ihn von Anfang an sympathisch und auch äußert attraktiv, doch eigentlich wusste sie nichts über ihn. Als er nur noch ein Stockwerk von Sophie entfernt war, überlegte sie, wie sie ihn begrüßen sollte. Eine Umarmung wäre wohl zu intim gewesen, aber nur ein Händeschütteln in Anbetracht der Umstände zu förmlich. Sie wollte ihm die Entscheidung überlassen und hoffte insgeheim, dass er sie trotzdem umarmen würde. Nicht nur, weil Sophie feuchte Hände hatte, sondern auch, weil sie sich schon lange nach körperlichem Kontakt sehnte. Neugierig aber mit Vorsicht blickte Sophie über die Türschwelle in den Flur. Erneut spürte sie, wie Anspannung in ihrem Körper die Glieder versteifen ließ, doch schon kurz darauf löste sie sich wieder, als am Treppenende das Gesicht von Jacob zu sehen war. Sein Lächeln strahlte Sophie entgegen und durchdrang sie mit einer außergewöhnlichen Energie. Im hell erleuchteten Flur kam seine Schönheit noch deutlicher zur Geltung, als es damals schon im Restaurant der Fall gewesen war. Auch seinen Körper konnte man nun besser erkennen, der seinem Gesicht in nichts nachgestanden hat. Auf seinem weißen Hemd zeichnete sich deutlich jede einzelne Struktur seiner Oberkörpermuskulatur ab und seine aufgerichtete Körperhaltung signalisierte dabei, dass er über sein perfektes Aussehen bestens Bescheid wusste. Trotzdem wollte Sophie sich nicht erneut die Blöße geben und ihm nur peinliches Gestotter als Begrüßung entgegen bringen. Umso erleichterter war Sophie, als Jacob vor ihr stand, kein Wort sagte und nur seine Arme vor ihr auszubreiten begann. Sie fokussierte seine Brust und als hätte ein Magnet sie magisch angezogen, versank Sophie stillschweigend zwischen seinen starken Armen. Währenddessen stieg ihr der sinnliche Geruch seines Aftershaves in die Nase, sodass sie deutlich hörbar tief ein- und wieder ausatmete. Egal wie sehr sie sich auch dagegen wehrte, es war ihr unmöglich seinem Zauber zu entkommen. Als Jacob merkte, wie gut ihr die Umarmung tat, drückte er sie noch etwas fester an sich heran. Nachdem sie sich wieder von ihm lösen konnte, bat sie ihn in ihre Wohnung. Stillschweigend ging Sophie voraus und Jacob folgte ihr in die Küche. Sie setzte eine Kanne Kaffee auf und war sich unsicher, was sie erzählen soll. So wartete sie darauf, bis er anfangen würde, etwas zu sagen. Nach einigen Minuten als der Kaffee durchgelaufen war und sie Jacob eine Tasse davon brachte, herrschte immer noch Stille. Sie saß sich zu ihm an den kleinen Klapptisch, den sie extra für eine weitere Person vergrößern konnte. Nervös begann Sophie den Nagel ihres kleinen Fingers abzukauen. Jacob indessen nahm schon seinen dritten Schluck Kaffee ohne bis dahin etwas gesagt zu haben. Sophie wollte der peinlichen Situation dadurch entgehen, dass sie seinen Blicken schamhaft versuchte auszuweichen. Doch seine Augen zogen sie magisch an und als sie sich gegenseitig ansehen mussten, fing sie an zu lächeln. Sophie wunderte sich, warum es viel unangenehmer für sie war, Jacob nicht direkt anzustarren. Auch er schien von ihrem Anblick sehr angetan zu sein, was er ihr durch häufigen Augenkontakt signalisierte. Plötzlich liefen Tränen über Sophies Gesicht. Verwundert fragte Jacob:
„Tut mir leid. Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen.“
Sophie musste sich mehrmals mit der Hand über die Augen wischen. Wie bereits bei ihrer ersten Begegnung reichte er ihr ein frischen Taschentuch und sagte dabei leicht grinsend:
„Jetzt schuldest du mir bereits zwei.“
Sophie musste lachen und weinen zugleich. Worauf sie antworte:
„Am besten du lässt mir gleich die ganze Packung hier.“
Es verging einige Zeit und als das Eis zwischen den Beiden gebrochen schien, fing Sophie an, sich in seiner Umgebung nicht mehr unsicher zu fühlen. Jacob sagte nicht viel, sondern hörte meistens nur Sophie dabei zu, wie sie über Katherine sprach. Sie erzählte ihm, wie sehr sie sie vermissen würde und was für ein liebevoller Mensch sie gewesen ist. Die Beiden unterhielten sich noch mehrere Stunden und Sophie begann allmählich offener zu werden. Als sie sich dann voneinander verabschiedeten, bedankte sie sich bei Jacob. Von sich selbst überraschte, konnte Sophie sogar den Mut dazu aufbringen, ihn zu fragen, ob sie sich mal wieder treffen könnten. Jacob freute sich über ihr Angebot und tauschte mit ihr die Nummern aus.
„Ich hoffe deiner Frau ist das auch recht.“,
äußerte Sophie kritisch. Sie war sich sicher, dass Simone etwas dagegen gehabt hätte. Nur wollte sie auch nicht auf darauf verzichten, nun jemanden gefunden zu haben, mit dem sie sich so gut verstand.
„Natürlich.“,
antwortete Jacob mit einem Zwinkern. Wie ernst gemeint jedoch seine Antwort war, wollte Sophie nicht hinterfragen. Ihr war es aber eigentlich auch nicht wichtig, was Simone denken würde. Bei der Verabschiedung umarmten sie sich erneut und Sophie atmete noch einmal tief seinen Duft ein.
Leseprobe aus: Schwarzes Kolorit