Jona

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von Lara Preis

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Blitze zuckten in unregelmäßigen Abständen am Himmel und erhellten jeweils für wenige Sekunden die eiserne Brücke. Darunter tobte ein schwarz-grauer Fluss, aufgepeitscht durch starke Windböen, getroffen von unzähligen harten Regentropfen. Nur noch wenige Fahrzeuge wechselten an diesem Sonntagabend die Seiten, um in den jeweils gegenüberliegenden Stadtteil zu gelangen.
„Jetzt halt doch mal an! Den kenn ich!“
Theresa nötigte ihren Bekannten, unmittelbar vor dem Mann die Weiterfahrt zu unterbrechen. Scheinbar unbeeindruckt ging dieser jedoch an ihnen vorbei, den Blick streng geradeaus gerichtet. Einige völlig durchnässte Strähnen seiner schulterlangen Haare hafteten ihm dabei förmlich im Gesicht.
„Hey Jona, wie siehst du denn aus! Komm, wir nehmen dich mit!“
„Jetzt lass ihn doch und steig endlich wieder ein!“
Max klang völlig genervt, zumal die Beifahrertür offen stand und es spürbar ins Auto hineinregnete. So schnell gedachte Theresa jedoch nicht aufzugeben. Sie versuchte Jona wiederholt in ein Gespräch zu verwickeln, aber der Mann schien offensichtlich verstummt zu sein. Exakt in der Brückenmitte blieb er dann unerwartet stehen, zog sich die Schuhe aus und erklomm das Geländer.
„Nein!!! Tu das bitte nicht!!!“
Lähmende Panik überkam Theresa und machte ein rettendes Eingreifen ihrerseits unmöglich. Erst im letzten Moment rissen zwei starke Arme Jona wieder zurück auf den sicheren Boden.
„Danke, das war knapp!“
Max hatte die Warterei nicht mehr ertragen. Als sich dann auch noch die ihm unbekannte Person äußerst merkwürdig verhielt, eilte er schnell herbei und konnte gerade noch rechtzeitig eingreifen.
„Wollte der sich etwa umbringen?!“
Theresa widmete sich ohne zu antworten schnell wieder Jona zu, der jetzt im strömenden Regen eingeigelt vor sich hin kauerte.
„Du kommst jetzt erst einmal mit uns!“
Widerstandslos ging er mit ihnen und setzte sich ohne ein Wort zu sagen auf die Rückbank des am Straßenrand verwaisten Fahrzeugs.
„Zieh dir doch bitte die nassen Klamotten aus. Wir können auch gerne die Heizung anschalten.“
Jona blieb unbeeindruckt und rührte sich nicht von der Stelle. Dafür schien er seine Stimme wiedergefunden zu haben.
„Ich habe völlig versagt ...“
Seine Blicke fixierten die Mittelkonsole des Wagens.
„Kannst du dich wenigstens anschnallen, wenn du dich schon nicht ausziehen willst?“
Theresas Blicke straften Max, während Jona sich keinen Deut rührte.
„Jetzt fahr schon los!“
Max vermied eine Eskalation der Situation und konzentrierte sich wieder auf den Straßenverlauf.
„Jona, du hast nicht versagt und ich habe das neulich wirklich nicht so gemeint! Ehrlich …“
„Ich muss es jetzt ein für allemal zu Ende bringen … “
Ein Blick zum Innenspiegel rief leichtes Kopfschütteln bei Max hervor. Wer war dieser Mann, der ein wenig wie ein Obdachloser aussah? Was bewegte ihn dazu, sich bei Gewitter von einer Brücke stürzen zu wollen? Und vor allem, warum sagte er zuerst kein Wort und gab dann auf einmal dieses wirre Geschwätz von sich?
„Wer ist dieser Typ?“
Sein Flüstern fiel deutlich zu laut aus, was ihm aber mittlerweile völlig gleichgültig war.
„Wenn du von hier wärst, würdest du ihn kennen ...“

Angewidert von der üppigen Auswahl an belangloser Unterhaltung warf er die Fernbedienung im hohen Bogen aus dem weit geöffneten Fenster. Zu dieser Zeit befanden sich gewöhnlich keine Menschen in dem schmuddeligen Innenhof, lediglich eine Katze musste zur Seite springen, um nicht getroffen zu werden. Vier Stockwerke Höhenunterschied hatten den freien Fall des Geschosses beschleunigt, dann schlug es auf und zerlegte sich in mehrere Fragmente.
„Am besten schmeiße ich die Glotze gleich hinterher.“
Diese tropische Nacht brachte keinerlei Abkühlung. Immerhin wehte ein angenehmer Wind, mit dessen Hilfe Jona gerne Durchzug in seiner Wohnung erzeugt hätte, was aber leider aus bautechnischen Gründen nicht möglich war. Er streckte daher einfach seinen Kopf aus dem Fenster und schaute zum Sternenhimmel empor. Lange hafteten seine Blicke an dem großen Wagen. Möglicherweise zu lange, denn dieser begann sich unerwartet um neunzig Grad nach rechts zu drehen.
„Verdammter Mist!“
Jona eilte ins Schlafzimmer, nahm die Tabletten aus der Dosette und versuchte sie ohne Flüssigkeit in den Magen zu befördern. Erst mehrere Schlucke abgestandenes Bier führten letztlich zum Erfolg.
„Pah, einfach nur ekelig das Zeug.“
Der große Wagen hatte wieder seine Ausgangsposition eingenommen. Sichtlich beruhigt versuchte Jona daraufhin vergeblich einzuschlafen. Nach wenigen Stunden verließ er verzweifelt sein Bett, um sich als Ersatzbefriedigung den Sonnenaufgang beim Spaziergang anzuschauen.
Im Innenhof wurde erst einmal die zerstörte Fernbedienung entsorgt, bevor es dann durch die leicht quietschende Haustür und entlang der kleinen Gasse in Richtung Fluss ging. Dieses fließende Gewässer gab der Stadt einen zusätzlichen Charme, was sich ebenfalls in den stetig steigenden Touristenzahlen widerspiegelte.
Auf einer vereinsamten Bank an der Flussuferpromenade hatte er es sich gemütlich gemacht, den Blick erwartungsvoll nach Osten gerichtet. Wie aus dem Nichts tauchte statt des kurz bevorstehenden Sonnenaufgangs unerwartet ein Mann auf, der Jona ziemlich ähnlich sah. Die Haare waren länger als seine und zerzaust, statt Stoppeln im Gesicht wie er, trug der Fremde einen ungepflegten Vollbart. In der Ferne kündigte sich derweil eine Menschenmenge an, die den Mann verfolgte. Jona sprang auf und wollte helfen, aber sein Gegenüber schenkte ihm keinerlei Aufmerksamkeit. Ungefragt versuchte er die linke Schulter des Mannes zu berühren, griff dabei aber nur ins Leere.
„Irgendetwas stimmt doch mit diesen scheiß Tabletten nicht.“
Mehrere Schläge mit der geballten Faust landeten in seinem Gesicht.
„Jona, komm zu dir, du hast gerade eine Halluzination.“
Er intensivierte die Autoaggression, aber weder der Mann noch die Menschenmenge verschwanden wieder. In nur wenigen Minuten müsste seinen Berechnungen folgend die Meute ihr Opfer eingeholt haben.
„Jetzt lauf schon weiter, sonst schlagen die dich noch tot!“
Der Fremde dachte nicht daran, sondern stieg zielstrebig über die Abgrenzung, um das leicht abfallende Flussufer zu betreten. Als seine Füße in den Fluss eintauchten färbte sich der gesamte Strom in Fließrichtung rot. Die aufgehende Sonne verschwand rasant hinter einer mystischen Wolke und stand bereits wenig später im Zenit. Aus der Wolke heraus wurden jetzt kometenartige Geschosse auf die Stadt gefeuert, begleitet von majestätisch zuckenden Blitzen. Unzählige Gebäude standen bereits kurz darauf in Flammen und der Mob suchte vergeblich nach Schutz, indem sämtliche Verfolger des Mannes wie die Lemminge in den Fluss sprangen und dort mit dem Leben rangen, denn die rote Flüssigkeit verschlang sie wie ein Moor …
Jona stand erstarrt vor Angst wie angewurzelt da und fixierte mit weit geöffnetem Mund seinen mutmaßlichen Zwilling.
„Es muss so geschehen, denn diese Menschen haben es nicht anders verdient! Statt sich von

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