Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 112

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Schnitt in die rechte Wange seiner Tochter machte.

Jérome peitschte beide mit einer mit Eisenstacheln durchflochtenen Klopfpeitsche, bis sie mit Blut überströmt waren; ganze Stücke Fleisch wurden aus ihren Hintern gerissen; hierauf steckte er sein Gied in beider Mund.

Die Rundgänge beginnen von neuem wieder; die Mönche begeben sich wieder in ihre Nischen mit Knaben oder Mädchen, je nachdem, wonach es sie gelüstete.

Justine war bei Ambroise. Sollte man es glauben, daß dieser Frevler so grausam war, von ihr zu verlangen, sie möge ihre vielgeliebte Octavie martern! Und als Justine sich entschieden weigerte, wurde sie der Versammlung angezeigt, die sich auf der Stelle zusammentat, um eine so schwere Vergehung gebührend zu bestrafen. Man öffnete das Strafbestimmungsbuch: der Fall Justinens stand unter Artikel sieben. Aber da es sich nur um vierhundert Peitschenhiebe handelte, waren drei Mitglieder der Meinung, man solle sie nach Artikel zwölf bestrafen; die drei anderen widersetzten sich diesem Vorschlag, nicht weil sie die Strafe für zu grausam hielten, sondern nur, weil diese Handlung die Sitzung zu lange unterbrechen würde. Justine wurde also nur zu je zweihundert Peitschenhieben verurteilt, die ihr jeder Mönch verabreichen sollte; sie bekam sie sofort, und zwar mit der Kraft, die gewöhnlich die Erektion verleiht, was bei den Herren der Fall war.

Fleur-d'Épine, die Sylvestre Beistand leistete, verübte bald das gleiche Vergehen. Der barbarische Vater Mariettens wollte die Freundin seiner Tochter zwingen, dieser die Brüste mit einem Glüheisen zu verbrennen. Fleur-d'Épine weigerte sich. Sylvestre raste; sein Glied stand wie das eines Esels, alle seine Poren schienen Sperma auszuschwitzen; er nahm die Ausführung der Strafe auf sich; er bediente sich eines dicken Knüttels, mit dem er die Unglückliche dermalen durchpeitschte, daß man sie fast tot vom Platze tragen mußte. Es war dies ein Verstoß gegen die Vorschriften des Klubs. Severino zog Sylvestre wegen seines Vorgehens zur Verantwortung; die Strafen sollten von der Versammlung bestimmt und gemeinsam[261] vollzogen werden. Doch wenn man nachwies, daß man in Erektion gewesen war und daß die Beleidigung gar zu unerträglich gewesen war, wurde man sofort freigesprochen. Natürlich bediente sich Sylvester dieses Mittels. Man ließ ein anderes Mädchen kommen und dachte nicht weiter an einen Vorgang, der dieser Unglücklichen vielleicht das Leben kostete. Doch zogen sich die Mißhandlungen dermaßen in die Länge, daß die Opfer niemals den für derlei Orgien vorgeschriebenen Schlußeffekt erlebt hätten, wenn man sich nicht zu Tische begeben hätte.

Sie wurden den Aufseherinnen überlassen, die sie badeten, wieder belebten, verbanden und abermals nackt auf den Schemel stellten, wo sie während des ganzen Soupers allen Beschimpfungen seitens der Mönche ausgesetzt blieben.

Es ist leicht begreiflich, daß bei dieser Art von Festen die Wollust, die Geilheit, der Greuel an das äußerste grenzten. Bei diesem wollten die Mönche durchaus auf den Hintern der Mädchen essen; andere mußten ihren Glied und Hoden lecken; die Kerzen wurden in die Hintern von kleinen Knaben gesteckt; die Servietten waren zwei Wochen lang zum Auswischen von Aerschen benutzt worden; an den vier Tischecken waren große Näpfe mit Kot aufgestellt. Die drei Aufseherinnen bedienten nackt die Mönche und verabreichten ihnen nur solche Weine, mit denen sie sich vorher die Hinterbacken, die Scham, die Achselhöhlen, den Mund und das Arschloch gewaschen hatten. Außerdem hatte jeder Mönch einen kleinen Bogen und mehrere Pfeile neben sich, die er von Zeit zu Zeit auf die Opfer abschoß; dadurch entstand sofort eine kleine Blutlache, die die Gerichte bespülte.

Was die Speisen betraf, so waren sie erlesen. Alles war köstlich und in Hülle und Fülle vorhanden; die seltensten Weine wurden bloß bis zum Nachtisch aufgetragen; dann kamen die stärksten Liqueure an die Reihe; bald stieg ihnen der Alkohol zu Kopfe.

»Ich kenne nichts,« sagte Ambroise stammelnd, »was besser zusammenpaßte als die Freuden der Trunkenheit, der Feinschmeckerei, der Geilheit und Grausamkeit; es ist unerhört, was man ersinnt und tut, wenn man berauscht ist; die Kräfte, die Bacchus der Göttin der Geilheit leiht, schlagen immer zum Vorteil der letzteren aus.« – »Das ist so wahr,« sagte Antonis, »daß ich Ausschweifungen stets nur im volltrunkenen Zustande begehen möchte; nur dann fühle ich mich so recht im Zug.« – »Unsere Huren,« sagte Severino, »könnten sich mit diesem Vorbehalt nicht befreunden; denn es wird mit ihnen übel umgesprungen, wenn unsere Köpfe von Wein oder Liqueur elektrisiert sind,«[262] im selben Augenblicke vernahm man einen gräßlichen Schrei in der Nähe der Füße Severinos. Dieses Ungeheuer hatte ohne jeden Grund und Ursache, nur um Böses zu tun, sein Messer in die linke Seite eines schönen achtzehnjährigen Mädchens gestoßen, das ihn leckte. Das Blut floß in Strömen; die Unglückliche fiel in Ohnmacht. Severino, befragt. »Sie hat mich beim Lecken gebissen,« erwiderte befragt. »Sie hat mich beim Lecken gebissen,« erwiderte er; »die Rache hat mich zu dieser Tat veranlaßt.« – »Herrgott!« rief Clément, »das Vergehen ist entsetzlich; ich verlange, daß die Hure auf Grund des Artikels fünfzehn unseres Gesetzbuches bestraft werde, der bestimmt, daß jedes Mädchen, das es an Respekt gegenüber den Mönchen fehlen läßt, eine Stunde an den Füßen aufgehängt werde.« – »Gut!« sagte Jérome, »aber das gilt nur für gewöhnliche Verhältnisse; wenn es sich um den Dienst bei Wolllustakten handelt, ist die Strafe bedeutend schwerer: zwei Monate Gefängnis bei Wasser und Brot, täglich zweimalige Auspeitschung; ich verlange die strikte Befolgung dieser Vorschrift.« – »Ich sehe nicht,« meinte Sylvester, »daß der Fall vom Gesetz vorgesehen ist; daher verlange ich eine strenge Strafe, die ebenfalls nicht vorgesehen ist. Ich will, daß die Delinquentin von allen bestraft werde; man lasse sie daher mit einem jeden von uns eine Viertelstunde lang in eines der dunkelsten Zellen des Kellerraumes gehen, mit der Bestimmung, daß jeder sie derart mißhandeln solle, daß sie davon ein Jahr lang das Bett hüten müsse; Severino soll als letzter an die Reihe kommen.« Dieser Vorschlag wird genehmigt. Das Opfer, das zu verbinden man absichtlich unterläßt, befindet sich bereits in einem solchen Zustande, daß man sie an ihren Bestimmungsort tragen muß. Alle die Frevler gehen der Reihe nach hinab; nach schrecklichen Qualen wird sie ins Bett gebracht, wo sie am folgenden Tage stirbt.

Kaum waren unsere sechs Wüstlinge von ihrer höllischen Expedition zurückgekehrt, als die Aufseherinnen mitteilten, sie müßten scheißen. »In die Speisen!

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Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
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