Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 113

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in die Speisen!« sagte Clément. – »In meinen Mund!« rief Sylvester. Unsere Mönche legen sich unter die Aersche der Alten, die vom Tische herabscheißend, die Gesichter jener bald mit Kot, hörbaren und unhörbaren Farzen bedeckten.

»Daß wir uns dieser alten Luder bedienen,« sagte Jérome, »wenn uns so viele junge und hübsche Dinger zur Verfügung stehen, ist meiner Meinung nach der beste Beweis unserer schauerlichen Perversität.« – »Wer zweifelt daran,« warf Severino ein, »daß das Alter, die Unreinlichkeit und Häßlichkeit oft ebenso viel Vergnügen bereiten wie die Jugend und die Schönheit? Die von solchen[263] Körpern ausgehenden Miasmen haben eine viel beißendere Schärfe. Sehen Sie denn nicht, wie häufig die Leute das einen Geruch besitzende Wildpret dem frischen Fleische vorziehen?« – »Ich meinerseits bin ganz dieser Ansicht,« sagte Sylvester, indem er auf die rechte Seite seiner Tochter einen Pfeil abschoß, so daß das Blut herausspritzte, »je häßlicher, älter und ekelhafter ein Gegenstand ist, desto mehr erregt er mich, was ich Euch beweisen will.« Damit packte er den alten Jérome und steckte sein Glied in dessen Hintern.

»Ich fühle mich sehr geschmeichelt,« erwiderte Jérome, »stoße nur immer zu, mein Freund; müßte ich den Genuß, einen Penis im Hintern zu haben, durch noch mehr Erniedrigung erkaufen, ich würde das Vergnügen doch nicht zu teuer finden.« Der Ruchlose drehte sich um, um seinen teueren Partner zärtlich zu lecken, und stieß rulpsend einen Schluck Wein in dessen Nase, was auf Sylvestre so heftig wirkte, daß er sich in Cléments Gesicht erbrach; doch dieser war mehr an dergleichen gewöhnt und aß ruhig sein Kompot weiter, in das die ganze Sauce gespritzt war. »Sehet nur die Fassung dieses Lumpenkerls,« sagte Ambroise, der an der anderen Seite stand; »ich wette, ich könnte in seinen Mund scheißen, ohne daß er sich rührt.« – »Scheiße hinein!« rief Clément. Ambroise gehorchte; Clément verschlingt den Kot, worauf man die Tafel aufhebt.

Der erste Vorschlag war der, alle jungen Knaben auf die Hinterbacken, alle Mädchen auf die Brüste zu peitschen. Diejenigen, welche die Knaben peitschen sollten, müßten auf dem Boden bleiben; die anderen sollten auf Fauteuils gestellt werden, gegen die sich die Mädchen mit dem Rücken lehnen müßten. »Wunderbar!« sagte Antonis; »aber die Lustknaben sollten gezwungen werden, während der Auspeitschung zu scheißen, die Mädchen zu pissen, und zwar unter Androhung der schwersten Strafen.« – »Sehr gut!« schrie Jérome, dermaßen besoffen, daß er sich kaum vom Tische zu erheben vermochte. Die Sache wird ausgeführt. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie barbarisch diese Ruchlosen die hübschesten Hintern der Welt und die rosigweißen Busen, die ihrer Brutalität ausgeliefert waren, auspeitschten. Da wurde Severino, der heftig erigierte, von einem reizenden dreizehnjährigen Lustknaben angezogen, von dessen Hinterbacken das Blut in Strömen rann. Er ergreift ihn, geht mit ihm in ein Kabinet und bringt ihn nach Verlauf einer Viertelstunde in einem solchen Zustande zurück, daß die Versammlung fest davon überzeugt war, der Prior habe seiner Gewohnheit mit Knaben gemäß so grausame Handlungen an jenem[264] vollführt, daß der Junge sich kaum würde davon erholen können. Jérome genoß nach dem Beispiele Priors ebenfalls abseits sein Vergnügen; er hatte Aurore und eine andere siebzehnjährige Schöne mit sich geschleppt und beide so schmählichen Demütigungen, so monströsen Roheitsakten unterworfen, daß alle beide in ihr Zimmer gebracht, werden mußten.

Aller Augen richteten sich nunmehr auf die beiden Opfer. Man gestatte uns, einen Schleier auf die Greueltaten zu werfen, die diese verabscheuungswerten Orgien beschlossen. Unsere Feder wäre unzureichend, sie zu schildern, unsere Leser zu mitleidig, sie kaltblütig anzuhören. Es genüge daher zu wissen, daß die Marterung sechs Stunden lang dauerte, während deren die unglaublichsten Grausamkeiten, die wütesten und monströsesten Ausschweifungen stattfanden, wie sie nicht einmal Nero oder Tiberius hätten erfinden können.

Sylvestre fiel durch die unglaublichen Quälereien, mit denen er seiner Tochter zusetzte, auf; das schöne, gefühlvollen und reizende Geschöpf starb dem schauerlichen Wunsche des Ruchlosen gemäß unter seinen Händen. So ist der Mensch, wenn ihn seine Leidenschaften verführen, so, wenn seine Reichtümer, sein Einfluß, seine Stellung ihn über die Gesetze stellen. Justine war bei ihrer Ermattung glücklich, bei niemandem schlafen zu müssen. Sie zog sich in ihre Zelle zurück, vergoß bittere Zähren über das schreckliche Schicksal ihrer besten Freundin und beschäftigte sich nur mehr mit dem Plane, zu entweichen. Zu allem fest entschlossen, um dieser abscheulichen Stätte zu entfliehen, konnte sie nichts von ihrem Projekte zurückschrecken. Was konnte ihr drohen, wenn sie diesen Plan ausführte? Der Tod; was war ihr sicher, wenn sie blieb? Der Tod. Wenn sie aber Glück hatte, vermochte sie sich zu retten; sollte sie also schwanken? Doch konnte sie nicht vermeiden, daß vor dieser Unternehmung die traurigen Beispiele belohnten Lasters vor ihre Augen traten. In das große Buch des Schicksals, in dieses unbekannte Buch, in das kein Mensch Einblick hat, war es geschrieben, daß alle die, welche sie gequält, erniedrigt, in Ketten gehalten hatten, unaufhörlich vor ihren Augen für ihre Freveltaten belohnt werden sollten, als ob die Vorsehung es sich zur Aufgabe gemacht hätte, ihr die Gefahr oder Nutzlosigkeit der Tugend zu zeigen. Doch diese unheilvollen Lehren änderten sie keineswegs; sie sagte, daß sie stets diesem Idol ihres Herzens treu ergeben sein werde, wenn es ihr gelingen sollte, dem über ihrem Haupte dräuenden Schwerte zu entrinnen.

Eines Morgens erschien Antonis im Serail und machte[265] zur allgemeinen Ueberraschung die Mitteilung, daß Severino, ein Verwandter und Schützling des Papstes, soeben von seiner Heiligkeit zum Ordensgeneral der Benediktiner ernannt worden sei. Gleich am folgenden Tage reiste der Priester ab, ohne jemanden zu sprechen. Es ging das Gerücht, daß ein weit grausamerer und ausschweifenderer an seine Stelle treten würde, ein weiterer Grund, um Justine zur schleunigen Ausführung ihres Planes anzuregen.

Am Tage nach Severinos Abreise veranstalteten die Mönche noch eine Opferung. Justine wählte diesen Augenblick, um ihren Plan auszuführen, damit jene, während sie beschäftigt waren, ihr weniger Aufmerksamkeit zuwenden könnten.

Man befand sich im Frühlingsanfang; die Nächte schienen noch lang genug zu dauern, um ihre Maßregeln zu begünstigen; seit zwei Monaten bereitete sie diese in aller Heimlichkeit vor. Sie durchschnitt allmählich die Gitter ihres Gemaches mit einer schlechten Scheere, die sie gefunden hatte; schon konnte sie ihren Kopf ohne Mühe durchstecken; aus ihrer

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Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
Prosa in Kategorie: 
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