Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 96

Seiten

Mädchen Vergnügen; er bearbeitete sie während ihrer schmerzlichen Zuckungen, während zwei Männer ihn abwechselnd sodomisierten und peitschten. Wenn das Mädchen nicht während dieses Aktes starb, tötete er sie durch Dolchstiche. Wenn sie nahe daran war zu sterben, wartete er auf ihre letzten Atemzüge, um seinen Samen in ihren Hintern zu ergießen.

Ich entartete vollkommen und wurde ganz blasiert bei diesen guten Leuten; ja ich war schon nahe daran,[220] durch nichts auf der Welt mehr in Erektion geraten zu können.

»Mein Freund,« sagte ich eines Tages zu Bonifacio, nachdem ich zwei Jahre lang dieses epikuräische Leben geführt hatte, »alles, was wir tun, ist köstlich; aber wir machen uns die Gegenstände unseres Genusses durch Gewalt willfährig; nun muß ich gestehen, daß sie mich dann nicht in solche Erregung versetzen, als wenn es durch Listen und Ränke geschähe. Ich möchte gerne Beichtiger werden. Ich beschwöre dich, mich instand zu setzen, diesen Posten zu versehen, was du mir ja in Aussicht gestellt hast. Es ist unglaublich, wie mich diese Idee anregt; ich rechne darauf, alles, was mir das neue Amt bietet, in außerordentlicher Weise ausnützen zu können, um zugleich meine Habgier und meine Geilheit zu befriedigen.« – »Nun gut!« meinte Bonifacio, »nichts einfacher als das.« Acht Tage später übergab er mir den Schlüssel des Beichtstuhles in der Marien-Kapelle. Er sagte: »Gehen Sie, glücklicher Sterblicher, in das wollüstige Boudoir, nach dem Sie sich sehnten, machen Sie davon reichlichen Gebrauch; verspeisen Sie ebenso viele schöne Gegenstände, als ich ebendort in acht Jahren verschlungen hatte; dann werde ich es nicht bereuen, es Ihnen verschafft zu haben ...«

Die Begeisterung, in die mich meine neue Stellung versetzte, war so groß, daß ich nachts kein Auge zu schließen vermochte. Am folgenden Morgen, gleich bei Tagesanbruch, stand ich an meinem Posten; da wir gerade in der Osterwoche waren, war der Besuch nicht schlecht. Ich will Euch nicht mit allen Dummheiten langweilen, die ich in Anwendung bringen mußte; ich will Eure Aufmerksamkeit nur auf ein vierzehnjähriges Mädchen, namens Frosine, lenken; sie war adelig und von solcher Schönheit, daß sie sich nie entschleiert zu zeigen vermochte, um der Menge zu entgehen, die sie jedesmal umdrängte, wenn sie sich unverhüllt zeigte. Frosine gab sich mir mit der ganzen Unschuld und Grazie ihres Alters preis. Ihr Herz hatte noch nicht gesprochen, obwohl kein Mädchen in Messina von so vielen Anbetern umringt war; wohl aber begann sich ihr Geschlechtstrieb zu regen. Sie war noch sehr unerfahren; ich wußte aber meine Fragen so geschickt zu stellen, daß ich ihr alles, was sie nicht wußte, dadurch beibrachte. »Sie leiden, mein schönes Kind,« sagte ich voll Anteilnahme, »ich sehe es, aber das ist Ihr Fehler: das Schamgefühl ist nicht so anspruchsvoll, daß man ihm die natürlichen Triebe opfern muß; Ihre Eltern täuschen Sie über diese strenge Tugend. Das Bild, das sie Ihnen davon entwerfen, ist ebenso grausam als ungerecht. Sie sind ja[221] von der Natur geschaffen, nur ihr verdanken Sie die Gefühle der Wollust, die Sie beleben; warum sollten Sie sie denn erzürnen, wenn Sie sich jenen überlassen? Alles hängt von der Wahl ab, die Sie treffen; wenn diese gut ist, werden Sie es nie zu bereuen haben. Ich biete Ihnen zugleich meinen Rat und meine Dienste an; aber Sie dürfen niemandem etwas davon verlauten lassen; nicht allen meinen Beichtkindern gewähre ich diese Gunst; und die Eifersucht, die dieser Vorzug in ihnen erregen würde, wäre Ihr sicheres Verderben – Kommen Sie morgen Mittag pünktlich in diese Kapelle; ich werde Sie in mein Zimmer führen und ich bürge Ihnen dafür, daß Glück und Seelenfrieden durch meine Maßregeln in Ihr Herz einziehen werden. Insbesondere entledigen Sie sich dieser unbequemen Last, die Ihnen auf Schritt und Tritt folgt; seien Sie durchaus allein; sagen Sie, ich erwarte Sie wegen einer frommen Besprechung, und man möge Sie nach zwei Stunden abholen.« Frosine ging auf alle meine Vorschläge ein und sagte mir zu. Sie hielt Wort, ich aber ergriff folgende Maßregeln, um mich des Besitzes dieser jungen Person zu versichern und sie an der Rückkehr in ihre Familie zu verhindern.

Sogleich nach dem Gespräche verließ ich Messina; ich begab mich auf mein Schloß und teilte dem Kloster mit, daß unaufschiebbare Geschäfte mich für mehrere Tage fernhielten. Clementia trat an meine Stelle; sie mußte antworten, wenn Frosine nach mir fragen sollte; sie mußte an der Verführung unserer jungen Unschuldigen weiter spinnen und sie unmerklich dazu bringen, mich auf meinem Gute aufzusuchen. Hierauf verbreitete sich durch die Vermittlung Bonifacios, dem ich bei seinen Abenteuern behilflich war, um mich dafür seines Beistandes bei den meinen zu versichern, das Gerücht von Frosinens Entführung in der ganzen Stadt. Ein unterschobener Brief des Mädchens sollte ihren Eltern zugestellt werden; sie teilte ihnen darin mit, daß ein vornehmer Florentiner, der ihr schon seit langem nachgestellt habe, sie wider ihren Willen auf eine Genueser Barke gebracht hätte, die sich mit großer Schnelligkeit entfernt hatte; dieser Herr begründe ihr Glück, indem er sie heirate; da in diesem Vorhaben nichts Unehrenhaftes liege, habe sie eingewilligt und bitte ihre Eltern, ihr keine Hindernisse in den Weg zu legen; übrigens mögen sie ganz beruhigt sein; sie würde ihnen sofort nach ihrer Ankunft schreiben.

Es gibt einen Gott, der die Ränke der Wollust unterstützt; die Natur liebt und beschützt sie; selten sieht man sie scheitern; aber von allen, die man je ersonnen hatte, war keine so vollständig geglückt. Frosine kam gleich am folgenden Tage, da ich ihr in der erwähnten Kapelle ein[222] Rendezvous gegeben hatte, auf mein Landgut; noch am selben Abend machte ich sie meinen Lastern dienstbar. Aber wie war ich erstaunt, als ich bemerkte, daß Frosine mit dem denkbar schönsten Gesichte höchst unscheinbare Reize verband! Nie hatte ich einen dürreren Hintern, eine unreinere Haut gesehen; der Hals war unschön, die Scham teigig weich und häßlich geformt. Von ihren schönen Gesichtszügen verführt, bearbeitete ich sie dennoch; doch mißhandelte ich sie, denn man liebt es nicht, sich betrogen zu sehen. Frosine sah ihre Torheit ein und beweinte sie bitterlich; als ich mich genötigt sah, abzureisen, um durch meine Anwesenheit jedem Verdacht zu begegnen, wurde sie von der Clementia in ein dunkles Verließ

Seiten

Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
Prosa in Kategorie: 
Thema / Klassifikation: