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lange damit der Betrieb aufrecht gehalten werden kann“, sagt die Pilotin.
Beta geht zur Eingangstür und öffnete sie etwas. Im Flur leuchten nur die Hinweisschilder zu den Notausgängen schwach. Es ist nichts zu hören.
„Gamma, kommst du bitte einmal.“
„Gamma, bleibe bitte an der Tür stehen und lasse sie einen Spalt offen. Ich gehe ins Treppenhaus und in den anderen Etagen gucken.“
„Nimm deine Waffe mit“, flüstert die Agentin.
„Oh, wie besorgt du um mich bist.“
„Nicht um dich, um mich.“
Beta geht ins Schlafzimmer, zieht sein Hemd aus und den weißen Bademantel vom Hotel über. Dann steckt er seine Pistole in den Hosenbund und nimmt seine Taschenlampe.
„So okay, Frau Kollegin?“
„Nein. Die Straßenschuhe fallen auf.“
Merde. Da habe ich schon wieder gepennt. Nach diesem Einsatz muss ich mir klar werden, warum mir so viele Patzer passiert sind. Vielleicht sollte ich mit meinem Coach darüber sprechen, überlegt er während er seine Schuhe und seine Strümpfe auszieht und in die vom Hotel bereit gestellten Hausschuhe schlüpft. Die Hose ziehe ich jetzt nicht aus, wohin mit der Waffe sonst. Der kurze Blick in den Spiegel bestätigt ihm, dass er nun trotz der Anzughose, wirklich wie jemand aussieht der aus seiner Suite geht, um nach zu sehen.
Die beiden Aufzüge sind außer Betrieb. Im Treppenhaus sind auch nur die Hinweisschilder zum Notausgang schwach beleuchtet. Der Agent geht in das 5. Stockwerk. Auch hier leuchten nur die grünen Hinweisschilder. Es sind keine Geräusche zu hören. Vielleicht sind nicht alle Zimmer belegt oder die Gäste schlafen schon. Er geht durchs Treppenhaus in das 4. Stockwerk. Beta öffnet die Feuerschutztür und sieht den Lichtschein einer Taschenlampe. Es ist ein älterer Gast im Hotelbademantel und mit Schlappen an den Füßen, der die Aufzugtüren begutachtet.
„Good Night, Mister“, sagt Beta in seiner tiefen Bassstimme. Etwas erschreckt der ältere Herr und leuchtet Beta direkt an. Der Agent ist auf solche Situationen trainiert und hält sich schon vorher die linke Hand vor die Augen. Seine Taschenlampe lässt er direkt in die Augen des Gastes strahlen, so dass dieser jetzt geblendet ist. Beta ist sich sicher, dass der Mann in Schlappen kein Agent ist.
„Hallo. Can I help you?“
Der Gast spricht ein gebrochenes englisch und erklärt mehr durch zeigen als durch sprechen, dass er die Ursache für den Stromausfall sucht.
Beta verdeutlicht ihm, dass so etwas schon mal vorkommt und er wieder in sein Zimmer gehen soll. Bald ist sicher alles wieder hell; lügt er.
Bei einem kurzen Blick in das Zimmer des Älteren erkennt er zwei Zielfernrohre, wie sie auf Jagdgewehre montiert werden. Beta beschließt, dass der Gast Jäger ist und sieht keine Gefahr in ihm.
Das dritte, zweite, und erste Stockwerk lässt er aus und geht direkt ins Erdgeschoss. Wie gewohnt ist der Empfangsbereich hell beleuchtet. Die zwei Aufzüge sind geöffnet, aber unbeleuchtet. Der Weg zu den Speiseräumen und die Speiseräume sowie der Treppenabgang zum Wellness-Bereich sind dunkel. Sieht alles unauffällig aus, resümierte der Agent. Doch es kann nicht sein, dass im ganzen Haus der Strom ausfällt und im Eingangsbereich Normalität herrscht.
Beta geht auf den Nachtportier hinter der Rezeptionstheke zu.
Der Portier sieht entspannt aus. Freundlich fragt er was er für ihn tun kann.
„In der sechsten Etage ist nur die Notfallbeleuchtung an und die Aufzüge kommen auch nicht. Was ist los?“
Der über einen Meter und neunzig lange dürre Portier erklärt, dass es schon mal vorkommt, dass der Strom ausfällt und dann ein Notstromaggregat für Ersatz sorgt. „Deshalb wird nur ein Teil des Hauses beleuchtet. Das dauert meistens nicht lange und alle Lichter sind wieder an. Dann fahren auch die Aufzüge wieder.“
„Fällt der Strom nur im Hotel aus oder in der ganzen Straße?“
„Darauf habe ich noch nie geachtet. Es dauert meistens nicht lange.“
Beta macht zwei Schritte zur Drehtür und sieht, dass die Straßenbeleuchtung aus ist und auch sonst kein Licht zu erkennen war.
„Auf der ganzen Straße ist es dunkel.“
„Dann wird wohl im ganzen Viertel der Strom ausgefallen sein. Es haben nicht alles Gebäude eine Notstromanlage wie wir. Das kommt halt schon mal vor, warum auch immer. Aber, es dauert nie lange.“
„Danke für die Auskunft. Dann werde ich mal wieder hoch steigen. Ich wünsche ihnen bald einen schönen Feierabend.“
„Danke. Und wie gesagt, es dauert nie lange.“
Beta spurtet im Schein der grünen Hinweisschilder die Stufen hinauf. Im sechsten Stockwerk öffnet er vorsichtig die Feuerschutztür. Er sieht nichts Verdächtiges. Die Tür zur Suite ist einen Spalt geöffnet.
„Ich bin´s“, kündigt er sich bei Gamma an.
„Wie sieht es aus?“
„Auf allen Etagen ist nur die Notfallbeleuchtung an. In der Eingangshalle ist es hell wie immer. Der diensthabende Portier war vollkommen entspannt und erklärte mir, dass so ein Stromausfall öfters vorkommt und nichts Besonderes ist. Es dauert nicht lange und alles ist wieder beleuchtet.“
„Diesmal wird er kein Recht behalten. Die Ursache für diesen Stromausfall ist einmalig und wird nicht so schnell zu beheben sein“, erwidert Gamma.
„Ja, das war irgendwie ein besonderer Einsatz. Mit neun Agenten in zwei Tagen ein ganzes Land lahm legen. Für einige Tage ein völliges Chaos entstehen zu lassen. Und das ohne Waffengewalt oder überhaupt Gewalt. Der direkte Sachschaden beläuft sich vielleicht auf einige hunderttausend Euro“, erzählt Beta.
„Wann seit ihr eingereist?“
„Gestern. Wir haben anhand von Luftaufnahmen, Google und Flugkarten die möglichen Standorte vorsortiert. Gestern haben die Teams die Standorte in Augenschein genommen. Danach und heute Vormittag habe ich mit ihnen abgestimmt, welche Standorte genommen werden. Der erste Standort sollte um einundzwanzig Uhr dreißig und der letzte Standort um dreiundzwanzig Uhr fünfundvierzig präpariert werden. Selbst wenn um zweiundzwanzig Uhr die Bomben am ersten Standort entdeckt worden wäre, hätte die Zeit nicht ausgereicht, zu erkenne das es kein Einzelfall ist und dann andere Standorte zu entschärfen.“
„Ein sehr guter und sehr effektiver Plan“, lobt Lucia. „Hat Peter den Plan ausgeheckt?“
„Weiß ich nicht. Vielleicht auch der Auftraggeber. An zwei Hauptmaste für die Überlandleitungen haben wir je drei Bomben gelegt. Immer in die Ecke der Stützen auf dem Betonsockel. Eine Stütze blieb leer. So knickt der Mast in eine bestimmte Richtung um und reißt die Stromleitungen mit. Zwei oder drei Maste weiter haben wir es genau so gemacht. Die Stromleitungen sind also auf einem Stück von fasst vier Kilometer völlig zerstört. Der Funkenschlag und die Blitze von den sich berührenden und anderes berührenden Leitungen wird wahrscheinlich Brände auslösen. Das sind leider Kollateralschäden. Aber nichts im Vergleich zu einem Krieg. Nichts geht mehr und es müssen pro Leitung zwei neue Maste errichtet und zig Starkstromleitungen erneuert werden. Das an vierzehn Leitungen. Das dauert Wochen.“
Wer sich anstrengt macht etwas falsch, kommt es Mike in den Sinn. Der Plan ist absolut ohne Anstrengung und absolut effektiv.
„Okay Gamma. Der Einsatz vor Ort hier ist beendet. Wir müssen nur noch das Land verlassen und dann haben wir unsere Aufgabe erfüllt und BlackWater kann abrechnen. Wir können morgen mit dem Auto oder mit dem Hub ausreisen. Das müssen wir noch planen.“
„Wir fahren mit dem Auto zum Flughafen. Ich gucke wie die Lage ist und ob wir unauffällig starten könnten. Wenn ja holen wir unser Gepäck und hauen ab. Die Kisten werfen wir unterwegs raus.“
„Das wäre die bequemste Lösung, Gamma. Du kommst dann zurück und wir geben den Wagen an der Mietwagenstation am Flughafen ab. Einfach den Schlüssel irgendwo einwerfen.“
„Und wenn ich nicht starten kann, dann fahre ich mit dir mit zur Grenze. Wir brauchen noch einen Plan, wie wir in diesem Fall die Kisten aus dem Hub bekommen.“
Beta reibt sich das Kinn. Langsam sagt er: „Bei dem Chaos wird keinem auffallen, dass jemand ein Paket aus einem Hubschrauber nimmt. Ist sogar logisch, wenn er nicht abfliegen kann. Die müssen wir dann unterwegs entsorgen. Das wird aber kein Problem sein.
„Aber geht es nicht einfacher?“, fragt Gamma.
Die hat´s drauf. Geht es nicht einfacher? Wahrscheinlich, aber wie? Er überlegt wie es gehen könnte, während sei Blick auf den Wald gerichtet ist. „Ich denke wir fahren zum Flughafen, steigen in den Hubschrauber und starten. Möglichst schnell, ohne die übliche Inspektion vor einem Flug. Unterwegs werfen wir die Kisten raus und landen wie angemeldet drüben.“
„Mich wird wohl niemand am Starten hindern können. Die haben alle Hände voll zu tun, das Chaos unter Kontrolle zu bekommen. Außerdem können die nicht miteinander kommunizieren oder Anweisungen erteilen“, plant Lucia weiter.
„Wir sollten bewaffnet zum Flughafen fahren. Hier gelten ab morgen kein Gesetze mehr. Während des Fluges packe ich die Waffen in die Geheimfächer. Vielleicht werden wir vom Zoll drüben kontrolliert.“ Mike ist froh, wieder eine konstruktive Idee gehabt zu haben.
„Das wir aber eng im Hub. Das ist ein sehr kleines Ding.“
„Dann landest du irgendwo und wir packen alles um. Bei dem Ausnahmezustand wird sich keiner um einen Hubschrauber kümmern, der irgendwo in der Pampa kurz landet. Außerdem wie auch, jede Möglichkeit der Kommunikation ist unterbunden. Die haben wesentlich massivere Sorgen, als sich um einen landenden Hubschrauber zu kümmern. Außerdem gibt es keine Flugaufsicht und keine Fluglotsen mehr. Ohne Strom ist alles, absolut alles, außer Betrieb. Die Fluglotsen kümmern sich um ihr eigenes Hab und Gut und sind wahrscheinlich gar nicht in die Tower gefahren.“
„Wahrscheinlich“, sagte Gamma Gedankenlos. „Es ist unvorstellbar, dass ein Land mit elf Millionen Einwohner auf einer riesigen Fläche von ein paar Agenten völlig ausgeschaltet werden kann. Nichts, absolut nichts geht mehr.“
„Die neue Art der Kriegsführung.“ erklärt Mike.“Keine Wasserversorgung, keine Ordnungskräfte, keine Müllabfuhr, keine medizinische Versorgung, keine Tankstelle, kein Militär, absolut nichts, außer Plünderei. Und das für Wochen.“
„Ich denke, dass in den nächsten Tagen eine Übernahme des Gebietes durch ein anderes Land stattfindet. Dann wissen wir auch, wer der Auftraggeber war. Der Angreifer braucht nur die Stromversorgung wiederherstellen und hat bis auf die Schäden durch die Plünderungen ohne Aufwand ein erhaltenes Land eingenommen. Das ist der Wahnsinn. Wenn das Schule macht, sind alle Kriege vorbei.“ spekuliert Gamma.
„Das wird in den nächsten mindestens zehn Jahren nur sehr wenig Nachahmer finden“, erklärt Mike. „Die Länder müssen ihre Rüstungsindustrie aufrecht halten, sonst gibt es Millionen von Erwerbslosen und ungeheure Steuerausfälle. Und die vorhandenen Waffen müssen vernichtet werden. Dafür zettelt man gewöhnlich einen Krieg an. Der Verlierer muss dann die Waffen indirekt bezahlen. Und dieses System wird weltweit nicht so schnell abgeschafft werden.“
„Ja, und Stromleitungen werden die am besten Bewachten Objekte in jedem Land werden“, ergänzt Lucia.
„Da hast du wahrscheinlich Recht. Man könnte diese Art von Kriegsführung bei abtrünnigen Republiken oder Landesteilen anwenden. Vielleicht wird das hier gemacht, es gibt den Ost-West-Konflikt. Irgendjemand wird dahinter stecken. Unser eigentliche Einsatz ist jetzt beendet. Der Agent guckt zu seiner Partnerin und nickt kurz.
Während er ins Schlafzimmer geht spricht er laut zu Lucia: „Vielleicht erfahren wir, wie gut unsere Arbeit vor Ort war. Das wir unseren Auftrag erfolgreich erledigt haben, wissen wir jetzt. Und alles ohne Konfrontation und Lebensgefahr.
Wieder im Hemd geht er an die Bar. Das Beste daran ist, dass direkt keine Menschen zu Schaden kamen. Vielleicht gibt es durch die Konsequenzen des Stromausfall Menschenschaden, aber sicher tausendmal weniger als wenn das Land mit herkömmlichen Mittel zerstört worden wäre.“
Lucia liegt noch immer auf der Couch. „Ob alle Strommasten umgekippt sind, werden wir vielleicht nie erfahren. Wie viele Masten habt ihr präpariert?
Der Agent flüstert als er sagt, dass einundzwanzig Masten umstürzen sollten. Die haben hier nur vier Kraftwerke, das hat gereicht. Auf jeden Fall sind genug umgestürzt, um das Land lahm zu legen. Einundzwanzig Strommasten, das sind alle ausgehenden Hauptleitungen von den Kraftwerken und ein paar Leitungen, die vom Ausland kommen. Der notdürftige Aufbau und die endgültige Wiederinbetriebnahme des Stromnetzes wird wohl Wochen dauern. Bis dahin hat sich das Land selber vernichtet. Die Bevölkerung wird ab morgen revolutionieren und plündern, sobald sie bemerkt, dass die Infrastruktur landesweit vollkommen vernichtet ist. Ich genehmige mir jetzt auf der Terrasse eine Zigarre. Die habe ich mir verdient.“
ENDE