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uns bei unserem netten Museumsführer.
In der Eingangshalle sahen wir ein Kind Eis essen. Wir wurden auch heiß auf Eis, gingen zum Kiosk und erfuhren, dass man gerade das letzte Eis verkauft hatte. Wir holten unseren Rucksack, aßen unseren letzten Apfel und tranken die Wasserflaschen leer. Wir hatten nicht viel gegessen heute und wahrscheinlich auch zu wenig getrunken, wie meistens. Wir kompensieren das am Abend zu Hause.
Wir wollten noch zur Innenstadt laufen, in dem uns bekannten, feinen Supermarkt einkaufen und an der bekannten Haltestelle den Bus nehmen. Bis dorthin waren es allerdings ca. 3 km in unbekannter Umgebung.
Der Anfang war angenehm, da es durch den hübschen Park mit vielen farbigen Büschen und Riesenbäumen bis zum Ende ging. Ein Mann sah, dass ich vor einem Riesenbaum posierte (wie fast immer, wenn wir eine Riesenbaum begegnen) und Gullan Fotos machte. Er kam zu uns und erzählte uns freundlich, dass es im Albert Park noch dickere Bäume gab. Die Leute sind nett hier. Wir zeigten uns erfreut. Dass wir dort schon waren sagten wir jedoch nicht. Danach ging es steil den Abhang hinunter, einfach über den Rasen. Der alte Vulkankrater machte sich auf diese Weise bemerkbar. Wir kamen auf eine sehr kurven- und verkehrsreiche Straße ohne Bürgersteig. Es wurde kritisch. Ständig kamen Autos um die scharfen Kurven. Wir mussten die Straßenseite wechseln aber Gullan weigerte sich, zu gefährlich. Ich wurde ungeduldig und lief zwischen zwei Autos hinüber. Nun hatte ich besseren Überblick und konnte Gullan lotsen. Es wäre wohl klüger gewesen, die Abkürzung über den Hang nicht zu nehmen.
Nun kam der unangenehme Teil des Spazierganges. Eine achtspurige Autobahn musste überquert werden. Ein ordentliches Stück Weg bis wir einen Übergang fanden. Dies war kein Spazierweg für normale Rentner-Touristen. Wir sind wahrscheinlich nicht normal.
Danach ging es wieder ziemlich steil nach oben, verkehrsreiche Straßen, wir steuerten steuerbord um zur Quay Street zu kommen, die wir kannten. Wir fanden sie und dann auch den "Countdown"-Supermarkt, wo wir unseren Rucksack mit gutem Brot und anderen Leckereien füllten. Zurück zur Quay Street, gingen wir auf der linken Seite, weil der Verkehr ein Überqueren nicht erlaubte und der Ampelübergang weiter zurück lag. Langgezogene Baustellen versperrte den Bürgersteig. Durchgang für Fußgänger nicht erlaubt. Umkehren oder weiter? Weiter! Notfall! Auto bremst gefährlich scharf neben uns und gibt uns eindeutig zu verstehen, dass wir unverantwortlich handeln. Wir sehen das ein, gehen zurück bis zum Übergang. Kommen endlich zum Ferry Building und zur Bushaltestelle. Wählen wieder falsche Seite im Bus. Die schräg stehende Sonne scheint uns unangenehm ins Gesicht. Diesmal richtigen Bus erwischt, hält fast direkt vor unserem Haus. Müde, trinken, duschen. Ich mache mich auf zu unserem Einkaufszentrum, um Fish and Chips zu kaufen. Wartezeit für dieses einfache aber frische Gericht 20 Minuten. Die Wartezeit verbrachte ich auf der anderen Straßenseite an einem Tisch vor einer kleinen Kneipe. Die zwei kalten Biere waren die besten seit Langem.
Gullan wartete schon ungeduldig, das Essen schmeckte gut. Kurzer Blick ins Fernsehen. Ich muss einen verbotenen Knopf gedrückt haben: Der Fernseher war nicht mehr bedienbar. Gute Nacht, es war ein intensiver Tag.
Der nächste Tag war ein Ruhetag. Nach meinem Morgeneinkauf ging ich bei Rot über die Kreuzung. Ein Mann auf der anderen Seite hatte seinen Blick auf mich gerichtet. Polizei in Zivil oder eine Privatperson, der mein Handeln nicht gefiel? Der Mann sprach mich an: "Do you have any pains? I can pray for you." Ich antwortete: "Nein ich habe keinerlei Kummer. Sie brauchen nicht für mich zu beten. Aber es gibt sicher viele andere auf der Welt, für die Sie beten können." Er hatte eine freundliche Art und wir unterhielten uns eine Weile. Er war Isländer und als wahrer Christ unterwegs, um Mitmenschen auf nette Art seiner Kirche näher zu bringen. Er freute sich, einen Schweden getroffen zu haben. Die Nordeuropäer fühlen sich im Ausland irgendwie als ein Volk. Ich merkte wieder einmal, dass es viel einfacher ist englisch zu sprechen mit einer Person, die auch eine andere Muttersprache hat.
Nostalgischer Rückblick
Den Tag verbrachten wir mit Lesen, Internet und Nichtstun. Zum Abendessen gab es gebratenen Lachs mit saftigem Salat und Bratkartoffeln. Dazu neuseeländischen Wein, den unsere Tauschpartner für uns in den Kühlschrank gestellt hatten. Wir saßen auf dem Balkon in der warmen Abendluft und fühlten uns wohl. Wir prosteten uns zu und begannen etwas zu philosophieren: Ist das nicht eigenartig, wir sitzen hier auf der anderen Seite der Erde, keiner kennt uns, wir sind allein, wir wohnen flott und fühlen uns wohl. Wenn Sohn Axel nicht die Initiative ergriffen hätte und via einem Stipendium nach Australien gekommen wäre, wären wir nie nach Australien gekommen und säßen jetzt auch nicht hier in Auckland. Wir hätte nie diesen wundersamen Kontrast zu unserem normalen Leben erfahren. Wir sprachen über unser zufälliges Zusammentreffen in Ravensburg und unsere schöne gemeinsame Zeit dort im Sommer 1970. Alles setzt sich nur aus Zufälligkeiten zusammen. Nur ein etwas anderer Verlauf eines bestimmten Geschehens im Laufe der Jahre und das Leben wäre ganz anders verlaufen. Das gilt ja für alle Menschen.
Wir ließen unser bisheriges Leben im Schnelldurchlauf passieren: Meine Geschichte beginnt in Rumänien, obwohl ich in Deutschland geboren bin. Meine Eltern verließen im Kriegsjahr 1940, zusammen mit den meisten anderen Rumäniendeutschen dort, die Kleinstadt Mihaileni, da man in Deutschland eine sicherere Zukunft in Aussicht gestellt bekam. Dies bewahrheitete sich bis zum Ende des Krieges jedoch nicht. Es wurde eine lange Reise durch Süddeutschland (wo ich 1943 geboren wurde) und Polen, ohne beständigen Wohnsitz. Es grenzt an ein Wunder, dass unsere Mutter, alleingestellt mit ihren fünf kleinen Kindern, die chaosartige Flucht vor den russischen Truppen nach Westen unbeschadet überstand. Unser Vater und andere Verwandte befanden sich bei der überstürzten Flucht am 18. Januar 1945 an anderen Orten in Polen.
Anfang Mai (Deutschland hatte am 8. Mai kapituliert, der Krieg war zu Ende) bekamen wir in dem Dorf Segringen bei Dinkelsbühl in Bayern ein vorläufiges Zuhause. Auch unser Vater und Verwandte mütterlicherseits kamen nach dort, wenn auch auf unterschiedlichen Wegen.
Ende 1951 zogen wir nach Düsseldorf, wo mein Vater eine Arbeit bekommen hatte. Grundschule, Realschule, Lehre als Technischer Zeichner, einige
© Willi Grigor, 2010/11 (Rev. 2017)
Gedichte und Prosa:
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