Das Antlitz des Tigers - Page 4

Bild von Magnus Gosdek
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des Lagerfeuers flackerte über das Ufergelände und tatsächlich schien es eine besondere Atmosphäre heraufbeschwören zu können, dass die Partygäste unwillkürlich davon angelockt wurden. Sie versammelten sich vor dem Feuer, während aus den Lautsprechern um den Pavillon herum Popsongs der letzten zwei Jahre dröhnten.
Ulla war sich noch nicht einig, ob es ihr gefiel. Doch ihrer Natur folgend war sie gewillt, dem Abend das Beste abzugewinnen. Karin hingegen wartete ab, dass Winton zurückkam. Lars schien dies zu spüren, auch er wusste in diesem Augenblick nicht, was er sagen sollte. Dann aber meinte er:
„Das ist der richtige Rahmen für solch ungezwungene Treffen.“
Ehe die beiden Frauen etwas erwidern konnten, kamen Christian und Winton mit den Getränken zurück. Christian drückte Ulla eine Flasche Bier in die Hand. Er wusste, dass sie aus der Flasche trinken würde. In dieser Beziehung war Ulla unkompliziert.
„Danke“, sagte Ulla und setzte eine Miene auf, als hätte sie sich nun durchgerungen, diese Party gut zu überstehen. Winton reichte Karin das Wasser.
„Verteilt euch einfach“, sagte Lars, als habe er es mit einem Spähtrupp der Bundeswehr zu tun. Weitere Gäste waren angekommen und er wandte sich ihnen zu.
Ulla wartete nicht die Reaktion ihrer Begleiter ab. Sie setzte sich in Bewegung und ging hinüber zu dem Lagerfeuer, an dem einige Gruppen zusammenstanden und die zwei Frauen immer noch über die Witze des Bärtigen lachten. Christian folgte ihr und einen Augenblick später auch Karin mit Winton.
Christian ärgerte sich, dass er sich hatte überreden lassen, mitzukommen. Er mochte diese Zusammentreffen nicht, bei denen sich alle gezwungen sahen, ungezwungen zu wirken.
„Hallo“, sagte ein schlaksiger Kerl, den er aus einem der Parallelsemester her kannte.
„Hallo“, erwiderte Christian und ging weiter hinter Ulla her.
Er kam sich ein wenig verloren vor. Es gab Menschen wie ihn, denen dies etwas ausmachte. Andere wiederum schienen diese Probleme nicht zu besitzen. Vielleicht kannten sie dieses Gefühl der Verlassenheit nicht oder trugen sie nicht zur Schau. Zu diesen Personen gehörte die junge Frau, welche sich zu dem Bärtigen und den beiden kichernden Studentinnen gesellt hatte. Sie hörte jedoch den Witzen des Mannes nicht zu. Sie gab sich nicht einmal Mühe, still daneben zu stehen. Sie hatte die Augen geschlossen und tanzte einsam am Lagerfeuer, dass ihre blonden Locken ihr um das Gesicht wirbelten.
Christian kannte sie nicht. Sie gehörte keinesfalls zu den Studenten seines Semesters. Aber das schien ihr nichts auszumachen. Möglicherweise war sie mit einem von ihnen gekommen, doch wenn es einen Begleiter gegeben haben mochte, so war er nicht zu entdecken. Sie war allein, doch konnte dies ihr Selbstbewusstsein nicht mindern.
„Macht euch locker!“ rief sie und lachte in die Flammen hinein.
Niemand schien sie weiter zu beachten. Niemand, außer Christian, der sie weiterhin beobachtete, wie sie den Kopf von einer Seite zur anderen wirbelte und die Arme hoch darüber kreisen ließ. Dann drehte sie um die eigene Achse.
Die Frau trug ein mattrotes Sommerkleid mit Spagettiträgern. Als sie nun ihre Schultern sehen ließ, stierte ein Tigerkopf Christian entgegen. Es war ein zweifarbiges Tattoo. Zwischen den schwarzen Streifen war gelbe Farbe eingestochen worden. Im Schein des Feuers flackerte es ein wenig und ließ den Kopf lebendig erscheinen.
Obwohl Christian keine Tattoos mochte, fand er dieses beeindruckend. Es hatte Klasse und zeigte wohl das wahre Wesen der Frau. Winton mochte derselben Meinung sein. Er stand mit Karin zusammen und starrte zu dem Lagerfeuer hinüber. Dann beugte er sich zu seiner Freundin hinunter und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Karin zögerte, aber sie nickte, woraufhin Winton zu der Frau ans Lagerfeuer schlenderte.
Ohne eine weitere Aufforderung begann er, mit ihr zu tanzen. Sie ignorierte ihn. Als der Song jedoch endete, blieb sie stehen und Winton sagte etwas zu ihr. Dabei deutete er auf das Tattoo. Die Frau lachte und Winton besorgte zwei Flaschen Bier.
„Wer ist das?“ fragte Christian Ulla. Seine Begleiterin wandte sich um und fixierte den Tigerkopf.
„Das ist Krissy“, sagte der Student, neben ihnen. „Sie ist eine Freundin von Vera. Ich habe sie auf irgendeiner Party kennen gelernt. Die ist echt durchgeknallt.“
Ulla sah Christian an und zuckte mit der Schulter. Christian lächelte und nahm einen Schluck aus der Flasche.
Winton kam zu Krissy ans Lagerfeuer zurück. Als Lars eine Atempause einlegte, nahm Karin die Gelegenheit wahr und ging ebenfalls hinüber. Sie erreichte Krissy gerade in dem Augenblick, als Winton mit den Getränken ankam.
„Findest du ihr Tattoo nicht auch cool?“ fragte er Karin.
„Ich habe es noch gar nicht richtig gesehen“, entgegnete seine Freundin.
Krissy nahm es als Aufforderung, sich umzudrehen.
„Dann faucht er“, erklärte sie und ließ ihre Schulterblätter spielen.
Er fauchte wirklich. Winton lachte.
„Das habe ich noch gar nicht gesehen!“
„Sehr nett“, sagte Karin.
Krissy schien das zu gefallen.
„Ich bin gefährlich!“ rief sie aus und begann wieder zu tanzen.
Krissy mochte es aus einer Laune heraus erwähnt haben, doch Karin nahm es ernst.
„Komm, lass uns zum See hinunter gehen“, sagte sie zu ihrem Freund.
Doch ehe dieser etwas erwidern konnte, kam Lars.
„Ich habe dich gesucht“, sagte er zu Karin.
Sie sah ihn verständnislos an und Winton lächelte.
„Ich wollte dir noch etwas zeigen. Oben im Haus.“ Er wies mit einer Kopfbewegung in die Richtung oberhalb der Anhöhe.
„Wird dir gefallen“, fügte Lars hinzu.
Für einen Augenblick war Karin unschlüssig. Sie kannte Lars nicht so gut.
„Was ist es denn?“ fragte sie.
„Du wirst schon sehen“, entgegnete Lars und grinste.
„Kommst du mit?“ wandte Karin sich ihrem Freund.
„Es dauert auch nur fünf Minuten“, erklärte Lars, als würde die Aussage an der Entscheidung des Mannes etwas ändern.
„Ich warte hier“, erwiderte Winton.
„Gut“, nickte Karin, deren Neugierde letztendlich gesiegt hatte. „Ich bin gleich wieder da. Ulla und Christian stehen dort hinten.“
Sie zeigte auf eine kleine Gruppe Studenten, die sich zwischen dem Lagerfeuer und dem Seeufer versammelt hatte. Winton nickte.
„Komm“, sagte Lars und zog Karin am Arm.
Krissy tanzte weiter und kaum war Lars mit Karin gegangen, beteiligte sich Winton wieder daran.
Christian sah, wie Lars Karin energisch mit sich zog. Sollte Ulla es bemerken, so sagte sie jedenfalls nichts darüber. Sie unterhielt sich mit einem langweiligen Kommilitonen und manchmal nickte Christian dazu und nahm einen Zug aus der Flasche.
Er sah hinüber zu dem Lagerfeuer, an dem der Bärtige nicht müde wurde, etwas von

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Kommentare

25. Mär 2016

Der Autor schuf ein Werk mit Feuer -
Und wie es wirkt. Ganz ungeheuer!

LG Axel

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