Aus dem Künstlerroman Hier und Jetzt sofort - Page 2

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allzu große Entrücktheit der Heroen oder von Respektpersonen gemildert wird durch kleine Anekdoten oder kleine Sünden und Schwächen, die sorgfältig ausgewählt in Umlauf gebracht, die Zuneigung des Volkes erst so recht erringen nach dem Motto: ein Mensch wie du und ich.

Ich erinnere mich - so wie ja jetzt Vieles im nachhinein nach den zum Teil geklärten oder enthüllten Vorgängen plötzlich geklärt und gleichsam im anderen - richtigen - Licht aus der Erinnerung aufsteigt, auch im Gespräch nun mit Freunden und anderen, die ihn gekannt haben, aufsteigt - ich erinnere mich deutlich, daß Max mehr als einmal eine gewisse Unzufriedenheit mit seinem Familiennamen andeutete oder vielmehr keineswegs Unzufriedenheit - nein, das meinte er wirklich nicht - sondern vielmehr sprach er vom Schicksal seines Familiennamens mit der Erdverbundenheit seines Klanges. So wie Rainer Maria Rilke kein Bauer oder Mechaniker sein konnte, sagte er zu mir, so fühle ich ein peinliches Lächeln hinter den Minen des Zuhörers, wenn ich, Kainzbauer, in den sogenannten höheren Sphären schwebend, hauchzarte Bilder von Liebe und Weltschmerz entrolle. Nein, so sagte er zu mir, einen Kainzbauer, wenn ich ihm als Fremden begegnete, würde mein Geist zur Realität verpflichten und ich würde ihn der Drückebergerei bezichtigen, wenn er auf anderen Wegen einherschritte.

Aber sind wir nicht alle der Realität verpflichtet, auch Rainer Maria Rilke und Oskar Maurus Fontana? Ja, aber Kainzbauer wird irdischer gemessen - mißt sich selbst seinem Namen entsprechend - seine Worte werden härter den Schmiedehämmern als den akademischen Diskussionen ausgesetzt und so bin ich verpflichtet, die Worte, die ich setze, erst selber unter den Hämmern zu testen, erst mich unter die Hämmer zu stellen, ehe ich es wage, zu sprechen. Es wäre sonst Anmaßung. So sagte er lächelnd.

Wer aber nimmt solches ernst? Wer will einen Vorwurf mir machen?

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Ein Weg derartig:
Mikrig, minder, dünnknochig, Pickel, schwammigfahl, kurzatmig, feige, kneifend. underdog.
Im Umgang mit Gesundheit, Kraft:
Feige, lächelnd, schmeichelnd. Andrerseits gemein, auf kleinen Vorteil bedacht. Ohne Freunde, kontaktlos.
Daraus:
Lügenhaft, faul, intelligent gleichsam. Gleichsam gerissen. Hinterhältig. Faul vor allem, anstrengungsmeidend bis zur Kriminalität. Gemein. Verlogen. Unfair im eigentlichen Sinn. Minder. Nicht in die Augen blickend. Neid. Angst. Gemein nochmal.

Dann aber:
Positivismus. Beweis, daß Energiewille sinnvoll. Trainierbarkeit. Veränderung. Veränderung seiner selbst. Veränderung des Menschen.
Fünfzehn Jahre Aufbau:
Bodybuilding. Kraft, Schönheit, Willenskraft, Persönlichkeit.
Dabei:
Endlos die Qual. Einsamkeit, trostlos die Aschenbahn, die abgezählten Turnusse der Körperertüchtigung.
Genuß braucht Kraft. Sie läßt letztenendes fetten Glatzkopf stehen für harten Arm und die Schenkel Apolls.
Letztenendes muß Apoll gewinnen. Es muß um Himmels Willen so sein. Nicht der schmierig fette Geschäftemacher darf das Rennen um die Schönheit machen. Die Zucht darf nicht diese Richtung gehen.
Dies darf kein Wunschdenken sein. Dies hier sei Beweis für Apoll.
In Wirklichkeit, nicht nur als Rohmaterial einer Gesellschaft, als Fassade mit völlig anderem Mechanismus hinter den Kulissen - Geld, Cleverness: Den Weg der Schönheit gehen.

Und dann:
Synthese aus Sport und Wollust.
Tagleben.
Nachtlust, Erquickung, rückhaltloses, hinterhaltloses, geborgenes. Voraussetzung wiederum für Kraft und Schlaf. Dann erst wieder Schönheit des Tages, der Frühe, der Sonne, nackte Gesundheit, Wasser, gerüsteter Kampf, Schwimmen, Sport, neugierig dem Nichtvertrauten des Tages gegenüber - aus vertrautem Nachtlager kommend - Forschen, Erkennen, Taten, Kampf, erfolgreich, Unterliegen nicht endgültig, Ruhm, Apoll, keine Niederlage tödlich, ihm, der aus solcher Nacht Fell Teppich Erquickung Kraftauffüllungshöhle sich erhebt, sich gürtet.

Synthese gelingt. Mens sana in corpore sano ist kitschig dagegen. Supermann, Superscheich, Scheheresade, orientalische, slawische Swastika als Klang davon, weißgrüner, tobender Atabaska, begehrte, hüftrollend, kindgebärende, ölig geschmeidig das Haar, im Meer dein Körper, Sonne, Felsen, in der Höhle dein Haar, dein Körper im Feuerlicht, die Schatten des erhobenen Körpers.
Abende, Nächte Kerzen. Nächte und erquickend der Schlaf an dieser Seite, im Morgen erwacht an den Konturen des Körpers Apollo, Leonardo, Herkules, Marx, Gargarin, Einheit von Körper und Gipfel menschlichen Gehirns zur Handhabung einer gigantischen Maschinerie.

Erhebt sich vom lustvollen Sanatorium, Paradies der Fleisch-Höhle so warm und tritt an die Schalttische elektronischer Geräte mit der Erwartung optimaler - überraschender - Ergebnisse, legt an die Übertragungsstrecken mit Überlegung seine Hand, bedacht, ihre hochempfindlichen Schleifen nicht zu stören, Millineper, Mikrovolt, Picofarad.
Mit ruhiger Hand, ruhigem Geist, ohne Schludrigkeit, denn die Ruhe ist im kräftigen Arm, Ruhe im Geist dessen, der sich von feuererhellter Höhlennacht erhebt, vom Kissen solcherart bei Morgengrau.

Da ist ein Weg von Jahrzehnten aus fahligschwammigdürrer Verbiesterung zu solcher Kraft und Tat aus Lust und Ertüchtigung, Sonne und Teppichen beim Licht der Kerze. Wege in Schönheit, Kraft Gesundheit in diesem Körper sowie in meinem.

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Wo aber Ekel ist vor dem Speichel der Sippe, Abscheu, dasselbe Besteck zu benutzen, zu küssen, die Seele hinzulegen, nackt den Körper als ganzer Mann auf das Fleisch der Mutter, als ganze Frau in die Arme des Vaters, da erfaßt Kummer, Unglück, Trauer, Verlassenheit das Herz und es ist ein Hindernis alles, woran er fortan durch sein Blut gebunden ist, in die Geborgenheit eines mütterlichen Fleisches, eines väterlichen Armes zu treten, wenn solches irgendwo begegnet auf dem jugendlichen Weg. Er sieht welche, an die er das Sohneshaupt vertrauensvoll legen würde, Geborgenheit der Seele, Hände, die ihm in väterlicher Freundschaft hingehalten werden, doch er erfaßt sie nicht aus unglückseliger Sippenpflicht.

Er ist in die Einsamkeit gestoßen, kontaktarm, heißt es, durch auferlegte Kindespflicht und tausend Zufallsbande, die der Alltag flocht mit den Hausgenossen von Geburt an. Nie mehr wird er die Mauern durchstoßen und die Kapselung ist dem Herzen angelegt immerdar.

Die wahre Mutter für die verwirrten Schläfen. Der Mann dem Jüngling mit wohlwollender Achtung hingeneigt, er hat euch vorübergehen gesehen vor den vergitterten Fenstern, ihr lächeltet ihm zu, aber es war wie Verrat, euch zu antworten. Er wendete sich ab, hochmütig, mit Scham, euch die Ungeborgenheit zu zeigen.

Nun nach Jahren geht er einsam den Weg und eignet euch rückhaltlos Liebe zu, dem wahren Mutterfleisch, dem väterlichen Geist, der sich an der Entfaltung der Sohneskraft freut. Wohlwollende Liebe rückhaltloser Umarmung, euch zugeeignet das was ihm je gelingen sollte. Er weiß, daß es euch gibt. Daß ihr seid, ist der Grund des Weiterlebens. Denn es gibt euch wirklich. Ihr seid kein Gespinst.

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Was zu tun bleibt ist:
Weg mit den dürren Ästen und den Schößlingen bleich und fahl, die nur verhutzelte Früchte tragen. Was der Gärtner vom Unkraut weiß, von den alten Ästen und den wilden, bleichen

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