Aus dem Künstlerroman Hier und Jetzt sofort - Page 6

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voll von hunderten Seiten Berechnungsversuchen, Betrachtungsvarianten, Messungen und Auswertungen. Ein Außenstehender sollte meine Arbeit nicht anhand dieses Zettelwustes beurteilten, ein Uneingeweihter nicht meine Konstruktion anhand der vielen Rechenfehler, selbst in den einfachsten mathematischen Operationen, anhand der vielen Irrwege und offensichtlichen Fehler gar über allgemein bekannte Sachverhalte. Erst die auf zwanzig Seiten schlüssig dargelegte Studie mit Voraussetzung und Ergebnis ist die richtige Form, in der mein Werk der Welt präsentiert werden soll. So ist es mit allem, das ich niederschreibe und was daraus werden könnte und soll.

Meine Niederschriften haben nicht die Schönheit Leonardoscher Skizzen. Es geht aber nur mich etwas an, sie für mich in den banalen Metaphern eines Gymnasiasten notiert zu haben. Sie ermöglichen mir eben eine erstaunlich schnelle Fixierung, so als spräche ich auf Tonband.

Metaphorische Phrasen gelingen mir viel schneller, als die exakte Darlegung einer ungewöhnlichen Situation. Hoffentlich steht diese beim Lesen meines Phrasen-Stenogramms wieder vor mir, um eines klaren Tages ihre Formulierung neu zu versuchen.

Niemand kann aus meinen Banalitäten das Gemeinte erkennen. Wer nicht verstanden wird, hat aber selber Schuld oder die Voraussetzungen, unter denen er spricht.

Alles Gesagte ist eine Übersetzung, wobei das Wesentliche nicht übersetzt werden kann. Eine Übersetzung kann das Gegenteil vom Gemeinten wachrufen. Dennoch sind es Signale, wecken vielleicht die Neugier. Die chinesische Sprache ist nicht übertragbar, ihre Übersetzungsversuche zeigen uns aber, daß es noch andere Betrachtungsweisen gibt.

Ich bin mein eigener Übersetzer. Ich spreche gegen die Qual des Übersetzens. Ein einziger Erfolg macht tausend Mißverständnisse vergessen.

Andauernd reißen die Funkverbindungen ab, doch an manchen Tagen herrscht plötzlich klarer Empfang. Infolge idealer metereologischer Bedingungen oder einer Sender-Empfänger-Resonanz.

Ein Code reduziert meinen Text. Ich beherrsche den Code nicht wirklich und er ist wahrscheinlich auch nicht der richtige. Das zeigt die Fülle von Blanks und Äquivokationen.

Welche Sprache wird die Menschheit in zweihundert Jahren sprechen. Ich erhebe keinen Anspruch auf meine Sprache, doch daß sie zumindest aufbäumende Romantik vermittelt, ist unabdingbar. Denn tot ist, was nicht übersetzt werden kann.

Ich kann nur in eingefahrenen Metaphern sprechen und denken. Welch eine Mühe, das freizumeißeln. Doch der übermittelte Gemeinplatz ist meist schließlich auch wirklich der ganze Inhalt. Da bleibt sonst nichts übrig nach Klärung und Reinigung. Welch kärgliche Schwerarbeit. Ergebnislos in Metaphern und Allgemeinplätzen ringen. Dennoch weiterhin Drang und Hoffnung nach Ausdruck und Sinn.

Was kann diese Sisyphus-Qualen beenden? Was soll dieser Ehrgeiz?

Was ich geschrieben habe, ist noch lange nicht veröffentlichungsreif, dennoch muß ich es herausgeben, bevor die Bombe fällt. Erst war das zum Lachen, jetzt nicht mehr.

Wie kann man sich entschließen, Schreiber zu werden. Kann man im Laufe seines Lebens denn mehr als zwei neue Sätze schreiben? Wie soll man dann gar ununterbrochen Aussage produzieren, zum Broterwerb noch dazu!

Könnertum in der Sprache ist widerliches Bla, l’art pour l’art. Das mühsam Gedrechselte ist demgegenüber ein richtiger Schatz.

Im Gespräch mit dir schreiben und alles klären. Da bleibt dann nicht viel. Ehrlich und fürchterlich wüten. Wenn etwas bleibt, sich um Worte bemühen. Steingemeißelt mit eigener Hand. Das kann notgedrungen nur sehr wenig sein. Ohne Bla dann vielleicht überhaupt wortlos.

Da ist eine Sehnsucht nach steingemeißelten Sätzen, um durch die Wüste und zu seltenen Oasen zu ziehen. Trostlos und einsam. In Liebe zur belebten und unbelebten Natur. Wer hatte denn gleichermaßen eine Chance zu Technik und Natur wie ich?

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Wie oft habe ich gedacht, wenn jemand seinen Inhalt ausgoß, und die einzelnen Brocken paßten genau in die Schalen und Gefäße, wie sie überall herumstehen öffentlich bei Graß und Neckermann. Wie oft war ich betrübt, wenn ich meinen Inhalt ausgoß, und siehe, die einzelnen Brocken paßten genau in die Schalen und Gefäße wie sie überall herumstehen öffentlich.

Wie oft habe ich gelacht, wenn jemand seinen Inhalt ausgoß, der Meinung, die einzelnen Brocken paßten nicht in die Schalen und Gefäße, wie sie überall herumstehen öffentlich, doch sie paßten genau in die Schalen derer, deren Brocken nicht in die öffentlichen Schalen paßten. Wie oft war ich betrübt, wenn ich meinen Inhalt ausgoß der Meinung, die einzelnen Brocken paßten nicht in die Schalen und Gefäße wie sie überall herumstehen öffentlich, doch sie paßten genau in die Schalen derer, deren Brocken nicht in die öffentlichen Schalen paßten.

Selbst das Genialste paßt formschlüssig in eines der sorgfältig bemessenen Gefäße, wie sie in den pathologischen Fachzeitschriften aufgeführt sind. Die Gefäße werden nicht geändert. Es können nur andere auf den öffentlichen Plätzen aufgestellt werden.

Ich dachte früher, meine geistigen Ergüsse in künstlerische Form bringen zu müssen, aber dabei verfiel ich erstens der Imitation bis zur Selbstverleugnung und zweitens dem Drang zur Ausschmückung, l’art pour l’art, so daß sich der möglicherweise kraftvolle Strahl zu feiner Limonade verdünnte.

Zuerst wurde meine Substanz über die eingängigen Bilder der Zeit verstreut. Nach Erkenntnis von deren Hohlheit erfaßte mich eine wahrhafte Entrümpelungswut. Dabei ging aber auch die ursprüngliche Substanz verloren. Nur mühsam konnte vom Verworfenen einiges vom über die hohlen Figuren versprühten Schleier in Konservatorenmanier abgekratzt werden, um wenigstens noch den Hauch einer mächtigen Zeit zu bewahren.

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Ein Mensch befindet sich immer innerhalb eines begrenzten Raumes der Gesamtheit, gleichsam eingekerkert. Außerhalb seines Daseins geschieht ein Millionenfaches seines Erlebens. Außerhalb seines Daseins existiert ein Millionenfaches seiner Existenz. Milliarden Menschen gibt es, in deren Bahn er nicht tritt. Unweigerlich befindet er sich immer in einer kleinen Kammer.

Keiner kann überall hin, alles erleben, jeden Menschen kennen, jeden Gedanken. Weder ein einziges Mal, schon gar nicht andauernd und alles gleichzeitig. In einer Situation entgehen ihm alle anderen auf der Erde. Schlimm ist dabei, von den anderen zu wissen. Nur was einer nicht weiß, macht ihn nicht heiß.

Seit Jahrhunderten kennen wir die Mannigfaltigkeit des Existierenden. Die Neugier danach erfaßt die Menschheit mit unheilbarer Unruhe. Um nichts zu versäumen, starren wir ins Fernsehen, überall Zaungast, gelähmt für eigene Aktion. Doch alle Weisheit lehrt, nach Betrachtung der Umwelt die Schemata zu erkennen und sich selbst zu beschränken. Alles ist irgendwie geschwisterlich.

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Eine Aufgabe der europäischen Dichter unserer Zeit ist, nur solche lyrischen Ausdrucksformen zu verwenden, die in die Brudersprachen übersetzbar sind, also eine europäische Kontinentale des Fühlens zu schaffen, um der Kontinentale der Intelligenz das gefühlsmäßige Äquivalent zu bieten und es nicht den Reaktionären, Rückwärtsgewandten, Vergangenheitsträumern, Nationalisten und Lokalmythologen zu überlassen. Aufgabe einer neuen Lyrik ist,

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