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sind wir heute angelangt. Die Menschheit muß drastisch reduziert werden. Der kulturlos egoistische Zustand des Individuums muß beendet werden - das klingt altvaterisch nach achtzehntem Jahrhundert, für eine Besinnung scheint es schon zu spät, das ist doch alles bereits versucht worden, aber das ist eine Täuschung. Die Gründungsväter vor 200 Jahren scheiterten, weil sie elitär waren und Kapitalismus und Technik erst ihren Siegeszug begannen - am Beginn einer Entwicklung ist auch ihre Alternative besonders offensichtlich - in Wahrheit jedoch ist die frühe Alternative die Vorwegnahme des Endes der Entwicklung und man darf eine Alternative nicht deshalb ausschließen, weil sie früher schon einmal unwirksam gewesen ist. Wenn wir nun wieder am Scheideweg stehen und den Weg zu einer alten Alternative einschlagen, dann müssen wir auch die jetzt sichtbaren Alternativen synthetisieren - Cyberspace, Science Fiction, Neue Nazis - um den neuen Weg nicht in einer Katastrophe enden zu lassen wie vordem den aufklärerisch-technischen. Die Alternative des achtzehnten Jahrhunderts ist heute realisierbar, da von der Masse der Menschen - und nicht elitär - gewollt. Mit dem bestehenden Menschenschlag ist eine Weltkultur nicht möglich. Die Stammeskultur konnte das Individuum noch erreichen. Größere Kulturräume - Nationen - haben diese Aufgabe nicht erfüllt. Das Individuum wurde entwurzelt, vereinsamt, heimat- und gottlos, Gemeinschaft wurde zu Bürokratie. Der Übergang von der Stammeskultur zu größeren Einheiten brachte selbst die Bürokratisierung Gottes, Vergesetzlichung anstelle emotionaler Identität jedes Einzelnen im Stamm, die im Thing, an dem noch alle teilnahmen, erreicht war. Jesus brachte die Lösung. Er bietet sich als Führer an, mit dem sich jeder identifizieren kann - in Konkurrenz mit den Kriegsführern Kaiser und Hitler - und er verspricht, daß sein Weg des Guten - der persönlichen Barmherzigkeit - nicht zur Vernichtung der Gemeinschaft durch das Böse der um die Macht kämpfenden jeder gegen jeden Strategen - der den kriegerischen Weg gehenden Nachbarmenschheiten - führt. Gott wird das nicht zulassen. Jesus zur Identifikation als Fürst im Stammessinn für die Gesamtmenschheit. Der Weg des Guten, weg vom Schmarotzerkrieg, wenn Jesus gesamtmenschheitlich wirkt, da dann Gott helfen wird. Daß erst die Weltkultur das Problem seelisch-emotionaler Anbindung des Individuums an die Gesamt-Gemeinschaft lösen solle, hat totalitären Charakter. Eine Menschheitskultur muß geschaffen werden, obwohl es der Nationalkultur nicht gelang. Wie die emotionale Bindung jedes einzelnen Individuums gelingen soll, ist der derzeitige Kampf - nicht rekursiv mittels Repräsentation der Cleveren, das Phantom der Gemeinschaft erscheint nur in den demokratischen Palavern. Menschen verbrennen sich, um übernational im virtuellen Medienraum am Himmel als Phantom der Menschheit zu kommunizieren und so wieder seelisch-geistige Gemeinschaft - anstatt Egoismus, Interessengemeinschaft - zu begründen. Ein wie immer anfangs, als auch einst im Christentum, lächerliches Unterfangen mit unsicherem Ausgang - von Individuen, die sich nur sterbend lieben können. In allen Betrachtungen steckt der Haß auf das Bestehende. Als Minimalprogramm die noch bestehenden Sprachkulturen der Menschheit erhalten - ihren Weisheits- und Erfahrungsschatz als das wesentlich Menschliche, um das schmarotzerisch, imperialistisch, internationale einzugrenzen. Das ist nicht einfach, haben sich doch schon genug Interessengemeinschaften gebildet, die von der Vernichtung der Stammeskulturen leben. Sie setzen weiterhin alles daran, ihren Vernichtungsweg fortzusetzen. Medien, Macht, Konsum, alles wird hemmungslos zur Weltmacht und zur Polarisierung der Menschheit eingesetzt und diese Polarisierung wird durch höheren Wohlstand belohnt. Wer am Kulturellen festhält wird als Hindernis des Fortschritts und Querulant beseitigt. Die Sprache ist die zentrale Verteidigungslinie. Hoffnung besteht nicht viel. Die Medien werden siegen. Deutsche geben ihren Reportern Interviews in Englisch, hoffend, so der persönlichen Karriere willen international beachtet zu werden. Wer auch nur einen dialektischen Akzent hat, ist nicht mehr ganz dabei, ist nur ein Salontiroler und ein Quotenexot. Die Anprangerung dieses Übelstands überläßt man den Reaktionären. Auch wenn die vergangene Kultursprache nicht wieder vollständig hergestellt und in den Alltag zurückgeholt werden kann – das wäre Historismus und Steinzeiturlaub in Dänemark - so ist die eigene Kulturvergangenheit dennoch der Seelengrund eines jeden Individuums. Wer die Kultur zur Rettung der Zukunft aufrecht erhält, kann keinen Massenerfolg erwarten - hier die Dichteranthologie eingefügt - aber das ist abzuwarten, denn es ist eine Sehnsucht danach in den jungen Menschen. Jeder Eingeweihte ist ein unersetzbarer Priester der Massen. Er muß den Weg finden, die einst massenrelevante Kultur in Gemeinschaft zu pflegen und sie in seiner Einsamkeit nicht nach persönlicher Vorliebe zu interpretieren. Er muß die Kultur den lebenden Massen zugänglich erhalten. Ein Dichterpriester zelebriert in der Verlassenheit des mitteleuropäischen Industriewaldes die angestammten Dichtungen, so wie auch ein Einsiedler in der tiefsten Einsamkeit Tibets ganz und gar an die Menschheit angeschlossen ist. Die Menschen werden kommen, an den Messen teilnehmen und die Lesungen werden im Sprachcyberspace der Gemeinschaft verbreitet, aus Solalinden online in Hamburg und Hütteldorf. Wie ja auch das Britische Museum den Parthenonfries priesterlich zelebriert und nicht einer antiken Schule zugesellt oder den nachherigen Zeiten. Romanische Skulpturen wurden wie das Gurker Tympanon von späteren Epochen zu Baumaterial, was das Kulturpriestertum schon immer hätte verhindern müssen. Selbstredend kann nicht das ganze vergangene Schaffen weiter bestehen, zentraler Platz braucht auch das Neue. Doch das nicht ohne Schaden für die Zukunft verlorene Gepäck muß erhalten bleiben - wenn auch unbelohnt, denn der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Jetzt ist vor allem die Sprache zu retten. In ihrem Verlust liegt seit eh die größte Gefahr, denn sie ist das Zentralste, zu äußerst bezogen auf Emotion. Die Priester der Kultur sind Heroen, wenn auch je nach Mode als Gurus gefeiert, sind sie meist Rufer in der Wüste, in den Industriewäldern und Bahnhöfen. Mönche, Heilige, Heilende des Volkes, auch wenn außer Gott keiner mehr liest und hört.
II. Leben in einem besetzten Land
Nicht als Folge des verlorenen Krieges ist das Land besetzt, sondern die fremde Kultur siegt, weil die aktuellen Probleme durch sie bequemer gelöst werden können, als durch die angestammte - man muß die Menschenvernichtung bei uns zeigen und nicht die in Algerien, sie ist hier viel verachtender. Schizophrenie und Alkoholismus.
Die neuen Techniken schnell und perfekt aneignen, sich auf jeden Fall nicht abhängen lassen, denn Krise, Arbeitslosigkeit betreiben das gegenteilige Geschäft. Wer sich der neuen Zeit verweigert – und wehe dem, der der Grund dafür ist, weshalb er