Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 120

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ergießen, wenn er so lange hier liegen bliebe.« – »Ach Gott!« schrie Justine, »gehen wir weg von diesem Schreckensorte.« – »O nein, hier will ich ficken. Diese blutigen Opfer meiner Frevelhaftigkeit entfachen meine Geilheit; ich erigiere nie so gut, als wenn ich jene betrachte. Ihr seit vier Frauen, leget euch je zwei auf einen Kadaver; auf solchen Ruhebetten will ich euch bearbeiten, alle viere.« Der Schurke tut so; Scham, After, alles wird von ihm bearbeitet; er treibt die Scheußlichkeiten so weit, noch auch die Hintern der Opfer zu bearbeiten; er entladet Drei-oder viermal, worauf man sich wieder hinaufbegiebt.

Die Bestattung der Leichname wurde durch die Mägde besorgt. D'Esterval und seine Frau raffen das Geld zusammen und werfen die Reiseffekten in ein großes Loch neben dem Hause, das zu diesem Zwecke bestimmt ist.

»Ach, mein Herr,« sagte Justine, als ein wenig Ruhe eingetreten war, »wenn Sie wollen, daß es mir gelinge, Ihre Opfer zu retten, wenn Sie wünschen, daß ich wenigstens den Versuch dazu mache, dann belehren Sie mich über den Mechanismus Ihrer Fallen, denn wie könnte ich sonst etwas dagegen tun?« – »Das wirst du nie erfahren, mein Kind,« sagte[281] d'Esterval. »Gehe in das Zimmer dieser Fremden, und du kannst dich überzeugen, ob nicht alles in der nämlichen Ordnung ist. Ich bin ein Zauberer, meine Tochter; niemand kann meine Fallen stören oder erraten. Setze deine Versuche fort; die Tugend, die Religion, die Ehre, alles treibt dich dazu; aber ich fürchte, du wirst nie Erfolg haben.« Sie begeben sich zu Bette. Da sowohl der Wirt, als auch seine Frau Lust zeigen, den übrigen Teil der Nacht mit Justine zu verbringen, wurde beschlossen, sie sollte, damit ein Einverständnis erzielt werde, bei beiden im Ehebett liegen. Von beiden mit Liebkosungen überschüttet, mußte die gehorsame Justine zugleich ihre Scham ihr, ihren Hintern ihm überlassen. Bald gerieben, bald gefickt, bald liebkost oder geschlagen, konnte die Unglückliche sich überzeugen, daß all das, was sie im Marienkloster getan hatte, nur ein Vorspiel der Wollustszenen war, die sich bei diesen unerhörten Vorbildern der Geilheit und Frevelhaftigkeit abspielten. Die grausame Dorothéa, voll Wildheit in ihren Lüsten, wollte Justine peitschen. Ihr Gatte hielt diese, die dann gestäupt wurde, wie noch nie zuvor. Das Verbrecherpaar gefiel sich darin, sie nackt und im Dunkeln von einem Ende des Hauses zum anderen zu jagen und sie durch die Phantome der eben Ermordeten zu erschrecken. Beide versteckten sich, um ihr noch mehr Furcht einzuflößen; sobald sie aber an den Winkeln vorbei kam, wo jene ihr auflauerten, wurde sie mit kräftigen Ohrfeigen oder mächtigen Fußtritten in den Hinteren regaliert. Sodann schleuderte sie der Gatte in die Mitte des Zimmers und bearbeitete sie von hinten auf der Erde, während sich die Frau beim Lärm dieser nächtlichen Szene rieb. Anderemale nahmen sie Justine in die Mitte; das eine leckte ihren Mund, das andere ihre Scham und so wurde sie zwei Stunden lang abgemattet. Endlich erhebt sich Justine, ganz erschöpft. Aber durch ein treffliches Frühstück neubelebt, gut behandelt, soweit es sich nicht um Akte der Wollust handelt, beruhigt durch die Gewißheit, an keinen dieser Missetaten freiwillig teilzunehmen, darauf rechnend, daß es ihr eines Tages doch gelingen würde, die Opfer zu retten, besänftigte sich das arme Mädchen, und fügte sich ins Unvermeidliche.

Zwei Tage vergingen, ohne daß ein Reisender erschienen wäre. Während dieser Zeit ließ Justine nichts unversucht, um zu enträtseln, durch welchen merkwürdigen Mechanismus d'Esterval die Unglücklichen aus dem Zimmer in den Keller stürzte. Wohl dachte sie an eine Falltüre; aber wie sehr sie auch spähte, nichts vermochte sie von dieser Möglichkeit zu überzeugen. Gesetzt aber den Fall, es war dem so, wie wollte sie dem entgegentreten? Sollte sie den Reisenden[282] sagen, sie müßten diesen oder jenen Platz vermeiden? Aber waren nicht vielleicht mehrere Falltüren vorhanden? Vielleicht war der ganze Fußboden von einer solchen gebildet; nie aber gab man den unglücklichen Todesopfern andere Zimmer. In dieser schrecklichen Ratlosigkeit schien es ihr sogar unnütz, die Leute zu warnen. Sie teilte dies der Frau d'Esterval mit, die ihr aber versicherte, sie täusche sich; wenn man ihr einen solchen Auftrag erteilt habe, würde sie sicher das Geheimnis des Erfolges ausfindig machen. »Ach, Madame, so erklären Sie mir doch die Sache!« – »Das hieße auf unsere Genüsse verzichten ... ich würde meiner größten Vergnügen verlustig werden.« – »Solche Gräuel können Sie ergötzen?« – »Es ist köstlich, einen Mann zu hintergehen ... ihn während der Umarmung sterben zu sehen ... es ist göttlich, ihm den Tod zu geben in dem Augenblick, da er das höchste Entzücken kostet; dieser Kampf zwischen den Parzen und Venus erhitzt den Kopf zum Staunen; ich versichere dir, du wirst dich rasch daran gewöhnen, wenn du den Versuch machen wolltest.« – »Ach, welche Entartung!« – »Aber gerade die Entartung befriedigt den Trieb; sie belebt ihn erst. Was wäre die Wollust ohne Ausschweifung?« – »Ach, kann man es so weit treiben?« – »Beklage mich ... meine Teure, daß ich es nicht noch ärger tun kann, wenn du wüßtest, wohin sich meine Einbildungskraft verirrt, wenn ich einmal im Genießen bin! Was alles ich dann ersinne! Sei überzeugt, Justine, all das, was ich tue, bleibt weit hinter meinen Wünschen zurück. Warum müssen sich meine Begierden auf dieser Welt beschränken? Warum bin ich nicht die Herrin der Welt? Warum kann ich dieses rasende Verlangen nicht auf die ganze Natur ausdehnen? Jede Stunde meines Lebens wäre durch einen Frevel geheiligt, jeder meiner Schritte durch einen Mord. Wenn ich je nach unumschränkter Gewalt Verlangen getragen habe, so geschah dies, um mich an Freveln zu weiden. Ich möchte durch meine Greueltaten alle grausamen Frauen des Altertums übertreffen; von einem Ende der Welt zum anderen sollten die Menschen vor meinem Namen, meinen Missetaten zittern. Genügt nicht die bloße Analyse des Verbrechens, um es lobenswert zu finden? Was ist ein Verbrechen? Eine Handlung, die die Menschen uns fügsam macht und uns unfehlbar über sie erhebt; eine Handlung, die uns zu Herren über Leben und Tod der anderen macht und die daher zu dem Glück, dessen wir uns freuen, das des geopferten Wesens hinzufügt. Kann man mir einwerfen, daß das auf Kosten

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Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
Prosa in Kategorie: 
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