Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 123

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»wie sind wir vom Unglück verfolgt! ... Doch danken wir dem Himmel; das ist das letzte und wird unseren Leiden ein Ende machen.« Alle drei vergossen bittere Tränen. Indessen guckte d'Esterval still durch eine Spalte der Türe, beobachtete voll ruhigen Frevelmutes und rieb sich wollüstig im Angesichte dieses Gräuels. »Sehr gut,« sagte er zu Justine, als sie hinausging, »du hast dich diesmal gut aufgeführt; komm, rege mich auf, lege deinen hübschen Hintern auf meine Hände, neben mein Glied ... diese Szene ist einzig für mich.« Er sah weiter zu, als aber die Schmerzensausbrüche durch Stille unterbrochen wurden, fürchtete d'Esterval einen plötzlichen Entschluß. »Ziehen wir uns zurück,« sagte er zu Justine, »es ist Zeit zu handeln.« – »Sie haben nicht genachtmahlt.« – »Sie würden mir das Souper nicht bezahlen; wozu auch sollten sie Kräfte schöpfen für die friedliche und rasche Reise, die sie unternehmen werden?« – »Können Sie nicht solchen Unglücklichen gegenüber Gnade walten lassen?« – »Gnade?« »Gerade solche sind die richtigen Opfer für Wüstlinge; es täte mir recht leid, sie mir entgehen zu lassen.«

Sie begeben sich hinab. Justine und d'Esterval treffen unten Dorothéa, die in dem köstlichen Gedanken des zu begehenden Frevels schwelgend sich rieb. Doch, da sie nicht wollten, daß unsere Heldin das Spiel der Falltüre gewahre,[289] sperrten sie sie in ein Zimmer ein; erst dann holte sie eine der Mägde, als der Fußboden des unheilvollen Zimmers sich vollständig im Keller befand. »Du siehst, Justine,« sagte d'Esterval, »daß es unnütz war, ihnen zu sagen, sie sollten sich am Bette festhalten, um der Falltüre zu entgehen. Sie, haben ja so getan, aber da ist das Zimmer mit dem Bett ...«

Indessen flehten die drei wehrlosen Opfer seufzend und schluchzend d'Esterval an. Das Mädchen warf sich der grausamen Frau jammernd zu Füßen ... doch nichts konnte die Ungeheuer erweichen. Sie ist die Erste, die d'Esterval opfert. Er entjungfert sie ohne Erbarmen; beide Vergnügungsbahnen betritt er. Ebenso wird die Mutter behandelt; dem Vater wird Gnade in Aussicht gestellt, wenn er bereit ist, Dorothéa zu ficken. Justine wird genötigt, die Triebe des Unglücklichen anzufachen. Es gelingt ihr. Man hat ganz Recht, wenn man sagt, es stecken oft mehr Schätze in der Hose eines Bauern, als in der eines großen Pächters. Ein mächtiges Glied bäumt sich hoch auf; Dorothéa bohrt es voll Feuer in ihre Scheide, d'Esterval stützt die Tochter auf den Rücken des fickenden Vaters und bearbeitet sie von hinten. Justine wird beauftragt, die Mutter zu reiben. Diesmal tötet d'Esterval zugleich Eltern und Tochter, und zwar im Momente, da er entladet; mit seiner Rechen erdolcht er Vater und Kind, mit seiner Linken schießt er eine Kugel in den Kopf der Mutter, die fortgesetzt von Justine gerieben wurde. Unsere Heldin hält diesen entsetzlichen Massenmord nicht aus und fällt in Ohnmacht; in diesem Moment wird sie von dem wilden d'Esterval gepackt und von hinten bearbeitet. Seine Frau häuft die Leichname über ihn, worauf das Scheusal, sein Opfer quälend, um sie (wie er sagt) wieder zu sich zu bringen, entladet.

»Wir sind einer Mühe überhoben,« sagte d'Esterval, als er den Raum verließ. – »Welcher denn?« fragte Dorothéa. – »Diese da zu plündern.« – »Wer weiß?« erwiderte eine der Mägde. »Oft schützen solche Lumpen Armut vor, um nicht zahlen zu müssen.« – Aber diese hatten nur zu wahr gesprochen; die genauen Nachforschungen ergaben nur einen Thaler. – »Entsetzliche Tat!« sagte Justine zu dem Ehepaar, »gestehen Sie nur, daß das ein unnötiges Verbrechen war!« – »Gerade solche sind gut,« antwortete d'Esterval, »wenn man das Verbrechen um seiner selbst willen liebt, bedarf es keines Motivs.«

Die nächste Woche war besser. Fast alle Tage kamen Fremde, aber trotz aller Warnungen Justinens vermochte keiner zu entkommen; alle fielen der Raubgier und den Lüsten des infernalischen Paares zum Opfer. Da kam eine Persönlichkeit in die Herberge, die merkwürdig genug war, um die Aufmerksamkeit unserer Leser zu fesseln.

Es war ungefähr sieben Uhr abends; die ganze Gesellschaft atmete auf einer Bank nahe der Tür die reine, heitere Luft eines[290] schönen Herbstabends, als ein Reiter in Galopp heransprengt und ungeduldig fragt, ob er in diesem Hause Unterkunft finden könne. »Ich bin eine Meile von hier angefallen worden,« rief er mit einer Art Entsetzen, »man hat meinen Diener getötet und sein Pferd geraubt! Glücklich stark genug, um denjenigen, der den Zügel des meinen faßte, zu Boden zu werfen, vermochte ich nicht mehr, meinen Diener zu rächen; sein Mörder war verschwunden, ich selbst floh.« – »Welche Unvorsichtigkeit!« sagte d'Esterval, »mit so schwachem Geleite einen so gefährlichen Wald zu durchreiten.« – »Ich habe umso mehr Unrecht,« sagte der Mann, »als ich Leute genug zur Verfügung habe, um mich ein wenig besser geleiten zu lassen, aber ich will einen Onkel besuchen, den ich sehr gern habe und der mich seit langem schon einladet, ich sollte seine Genüsse auf seinem schönen Landsitz in der Franche-Comté teilen: da ich nun weiß, daß er die Einsamkeit liebt, führte ich nur wenig Leute mit mir. Kurz, Herr können Sie mir Quartier geben?« – »Gewiß, mein Herr,« erwiderte d'Esterval. »Treten Sie nur ein meine Gattin und ich werden Ihnen die möglichst beste Aufnahme bereiten.« Der Reiter steigt ab und begibt sich in den Salon; da stößt Justine, ihn genauer betrachtend, einen Schrei der Ueberraschung aus, da sie ihn erkennt. »Bressac!« schrie sie. »Sie sind hier! Ich bin verloren ...« – »Bressac!« rief d'Esterval »wie, mein Herr, Sie sind der Marquis de Bressac, der Besitzen des schönen Gutes in der Umgebung des Waldes von Bondy?« – »Jawohl!« – »Umarmen Sie mich, ich habe die Ehre, Ihnen nahezustehen; erkennen Sie in mir Sombreville, den leiblichen Bruder Ihrer Mutter!« – »Oh, mein Herr, solch ein Zufall ... Ach! Sie wissen, durch welches Geschick ich meine zärtliche Mutter einbüßte; aber was Sie zweifellos nicht wissen und was Sie nicht ungestraft lassen werden,« setzte Bressac hinzu, auf Justine weisend, »ist, daß hier die Mörderin dieser ehrwürdigen Mutter steht. Wie ist es möglich, daß Sie ein solches Scheusal bei sich hielten?« – »Oh, Herr, glauben Sie das nicht!« rief Justine weinend. »Ich bin zu solchem Frevel nicht fähig, und wenn man mir erlaubt,

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Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
Prosa in Kategorie: 
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