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ihn daher verraten. Im Hause selbst konnte Justine, eingeschlossen wie die anderen Frauen, jede für sich nichts ausplauschen. Daher bot nur ihre Freiheit ihm Gefahr und Bandole dachte nicht daran, sie ihr jemals zu schenken; man wird sich leicht vorstellen, daß die Art, seine Wollust zu befriedigen, bei einem solchen Manne viel von der Wildheit seines Charakters an sich trug. Nur an die Befriedigung seiner Wollust denkend, hatte Bandole niemals die Liebe gekannt. Eine der Alten band gerade das Tagesopfer auf die Maschine. Man verständigte ihn hievon, er ging ins Boudoir, onanierte ein wenig vor ihrer Scheide, fluchte, schimpfte, begann dann zu vögeln, stieß Verzückungsschreie aus und begann im Momente der Ejakulation wie ein Stier zu brüllen, dann ging er hinaus, ohne nur das Weib anzuschauen und wiederholte dies noch drei bis viermal an demselben Tage mit derselben. Am nächsten Tage kam eine andere an die Reihe und so ging das fort, immer dasselbe: ein langer Coitus, Schreie, Flüche, Samenerguß, immer dasselbe.[120]
Dies war also der Mann, welcher eine Rose pflücken wollte, die zwar durch die grausamen Angriffe des Saint-Florent etwas entblättert, aber durch, die, lang andauernde Keuschheit wieder erfrischt, sich geschlossen hatte und daher recht wohl noch als die Blume der Jungfernschaf gelten konnte. Bandole gab nämlich sehr viel darauf; seine Agenten hatten den Auftrag, ihm nur Jungfern zuzuführen, sonst wurden sie nicht angenommen Im übrigen war Bandole für jedermann unsichtbar; ihm behagte nur das zurückgezogenste Leben, einige Bücher und Spaziergänge waren das einzige, womit er seine Lust unterbrach. Er besaß Verstand, einen festen Charakter, keinerlei Vorurteile, keine Religion. Despot in seinem Serail, ohne Schamgefühl und Menschlichkeit, verherrlichte er sein Laster. Dies war Bandole, das Grab, welches die Vorsehung für Justine als Belohnung dafür, daß sie dem Scheusal ein Opfer hatte entreissen wollen, gegraben hatte. Vierzehn Tage verflossen, ohne daß unsere Unglückliche von ihren Verfolgern etwas gehört hätte. Eine der Alten brachte ihr die Nahrung und antwortete ihr, wenn Justine sie befragte, kaltblütig–. »Du wirst bald das Vergnügen haben, den Herrn zu sehen, dann wirst du das nähere erfahren.« – »Aber, meine Liebe, wozu bin ich denn da?« – »Zum Vergnügen des Herrn.« – »O Himmel, er wird mich doch nicht zu Dingen zwingen wollen, an die zu denken mich schon schaudern macht?« – »Du wirst machen wie die anderen und du wirst nicht mehr zu beklagten sein wie sie Alle.«
– »Die andern? Es gibt also noch welche hier?« – »Gewiß, du bist nicht allein; nur Mut und Geduld!« Darauf schloß sie die Tür.
Am sechzehnten Tage endlich verständigte man Justine. Die Tür öffnete sich und Bandole, gefolgt von einem alten Weib, kam in das Zimmer. »Lass deine Scheide anschauen,« sagte die Alte, und Justine wurde, ohne daß sie sich wehren konnte, gepackt und entblößt. »Ah,« sagte Bandole gleichgiltig, »ist das nicht die, die mich überrascht hat, und die daher ewig hier blieben muß?« – »Ja,« antwortete man ihm. – »Wenn dem so ist,« sagte er, »braucht man nicht viel Vorbereitungen. Ist sie noch Jungfer?«
– Daraufhin bückte sich die Alte, eine Brille auf der Nase. »Man hat es bereits verletzt,« sagte sie, »aber es ist noch genug eng und frisch, um Vergnügen zu schaffen.« – »Spreize sie auseinander, damit ich selbst sehen kann,« sagte Bandole und das Scheusal, kniend vor der Fut, steckt nacheinander seine Finger, seine Nase und seine Zunge hinein. »Greife ihr an die Hüften,« sagte er zur Alten, aufstehend, »und sage mir, ob du glaubst, daß sie trächtig werden wird?« – »Ja,« sagte die Alte, »sie ist sehr gut gebaut, du kannst mit Bestimmtheit in neun Monaten ein Kind erwarten.«
– »Himmel!« rief Justine aus, »man behandelt mich ja wie ein Tier, und womit habe ich das verdient, daß Ihr mich so mißhandelt, welche Gewalt habt Ihr über mich?« – »Hier ist es,« sagte Bandole und zeigte sein Glied; »es steht mir und ich will vögeln.« – »Wie verträgt sich Ihr Verlangen mit der Menschlichkeit?« – »Ja, was[121] ist denn die Menschlichkeit, meine Tochter?« – »Die Tugend, welche dir Hilfe bringen wird, wenn du einmal im Unglück bist.« – »Das ist man nie mit meiner Gesundheit, meinen Prinzipien und einer halben Million Rente.« – »Man ist es immer, wenn man andere unglücklich macht.« – »Sieh einmal,« sagte Bandole, »die raisonniert ja!« Er zog seine Hose wieder an. »Ich will mit dir ein wenig plauschen; zieht euch zurück!« sagt er zu der Alten. »Woher nimmst du, mein Kind,« fragte Bandole, »mir gegenüber, der ich doch körperlich und durch meine Ansichten stärker bin, den Mut, zu solcher Rede?« – »Diese Gaben,« antwortete Justine, »sollten erst recht für sie der Grund dazu sein, die Tugend zu achten und das Unglück zu unterstützen. Ihr seid ihrer unwürdig, wenn Ihr sie nicht so verwendet.« – »Ich will dir sagen, mein liebes Kind, daß diese Denkungsart mir ganz fern liegt; um mit dir so leben zu wollen, müßte ich in deinem Geiste Spuren meiner Neigungen und meines Geschmackes finden, und das ist ja unmöglich. Ich kann dich nur als fremd fühlen und dich nur soweit schätzen, als du mir nützlich bist. Da ich der Stärkere bin, besteht diese Nützlichkeit in der vollständigen Unterwerfung unter meinen Willen. Der Natur der Dinge folgend, büße ich an dir meine Lust und du hast sie zu ertragen. Die Menschlichkeit, von der du sprichst, ist die Philosophie des Schwachen; die Menschlichkeit besteht nicht darin, andern zu helfen, sondern sich, soweit es geht, auf Kosten anderer zu ergötzen; verwechsle daher nie die Zivilisation mit der Menschlichkeit; die eine ist die Tochter der Natur, übe sie daher aus ohne Vorurteil und du tust das Rechte; die andere ist Menschenwerk und daher ein Gemengsel aller Leidenschaften und Interessen. Die Natur gibt uns nur das Nützliche und ihr Gefällige ein; immer, wenn wir ihr folgen und ein Hindernis finden, ist es Menschenwerk. Wozu diese Hindernisse beachten? Das kann nur Furcht und Schwäche uns eingeben, niemals aber die Vernunft, denn diese nimmt alle Hindernisse. Wäre es denn, vernünftig, daß die Natur uns eine Begierde eingibt und zugleich die Möglichkeit schafft, sie durch dieselbe zu verletzen?