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seiner Wut. Er wechselt wiederholt das Mädchen, auf welchem er sitzt, so daß er alle drei in gleicher Weise mißhandelt. Die Unglücklichen können die furchtbaren Schmerzen kaum aushalten. »Erhebet euch,« sagte er, »und fliehet.« Er nimmt wider seine Ruten, seine Augen leuchten, er schäumt vor Wut. Sie flüchten sich vor ihm, er eilt ihnen nach und auf alle drei wie wütend losschlagend, treibt er sie blutend gegen das Bett zu. Hier kennt sein Wahnsinn keine Grenzen mehr, er schlägt auf ihre Gesichter los und trifft ein Auge Amandens. Sie stößt einen wütenden Schrei aus, das Blut strömt aus dem Auge. Dies beendigt endlich seine Krise. Während er die Hüften und den Busen der andern grausam weiter zerfleischt, bespritzt sein Samen den Kopf und die Haare seiner unglücklichen Nichte, welche von furchtbaren Schmerzen laut schreiend sich auf der Erde wälzt. »Legen wir uns schlafen,« sagt er ganz kühl. »Es scheint für euch zu viel zu sein, für mich ist es aber nicht genug. Soweit uns auch die Grausamkeit führen kann, welche Wonne uns auch der Schmerz anderer bereiten kann, es bleibt nur immer ein unvollkommenes Bild dessen, was man wirklich möchte. So sucht man sich selbst zu übertreffen und wird nie müde.«
Nachdem Justine sah, daß seine Sinne bereits beruhigt waren, wagte sie diesen Worten zu widersprechen. Die Antwort, die er darauf gab, ist wert, sie dem Leser mitzuteilen: Das lächerlichste auf der Welt wäre, den Geschmack eines Mannes zu schelten, oder ihn zu strafen, wenn er mit Sitte oder Gesetz im Widerspruch steht. Die Menschen werden nie verstehen, daß auch der bizarrste Geschmack ein Geschenk der Natur ist. Darum werden sie auch immer glauben, daß man ihn strafen dürfe. Und doch können weder Gesetz noch selbst der eigene Wille unseren Geschmack ändern. Denn so wie der körperliche Mensch nicht vollkommen ist, ist auch unser Geschmack verschieden. Dein entwickelter Verstand wird mir wohl folgen können. Zwei Absonderlichkeiten sind dir gewiß in unserem Kreise schon aufgefallen. Die erste, daß wir nur durch Schmerzen anderer zur wirklichen Wollust gelangen können, die zweite, daß wir eine Vorliebe für all das besitzen, was man gewöhnlich schmutzig und widerlich nennt. Befassen wir uns genauer damit, vielleicht gelingt es mir, dich zu überzeugen.[167] Vor allem muß man die Ansicht festhalten, daß die Gegenstände nur den Wert haben, den ihnen unsere Einbildung verleiht. Daher können uns die absonderlichsten, ja auch die schmutzigsten Sachen ergötzen. Die Einbildung ist eine Geistesgabe, wodurch der Mensch über die durch seine Sinneswerkzeuge wahrnehmbaren Dinge seine Gedanken bildet. Diese Einbildung verarbeitet aber die empfangenen Eindrücke nur nach der von der Natur erhaltenen Veranlagung. Du hast wohl doch auch schon Spiegel gesehen, die die Gegenstände vergrößern, verschönern und verzerren. Jeder dieser Spiegel gibt ein anderes Bild und wenn dieser Spiegel fühlen könnte, würde jeder dieser Spiegel für ein und denselben Menschen, der sich darin abspiegelt, verschiedene Empfindungen haben. Der Spiegel, der ihn verschönert sieht, würde ihn lieben, der ihn verzerrt sieht, ihn hassen; und doch war es nur ein und derselbe Mensch. So ist es auch mit der Phantasie des Menschen. Der eine Mensch liebt, weil seine Phantasie das verschönert sieht, was der andere Mensch haßt, dessen Phantasie denselben Gegenstand verzerrt erblickt. Der Mensch gleicht darin eben dem Spiegel. Daher muß man sich nicht über die verschiedenen Geschmacksrichtungen wundern und auch nicht über die verschiedenen Passionen, welche die Verirrung des Geschmackes zeitigt. Sowohl was die Genüsse des Tisches, als auch was die des Bettes anbelangt, kann ein Mann himmlisch finden, was der andere verabscheut. Dreiviertel der Menschheit finden den Geruch einer Rose angenehm, ohne daß dadurch bewiesen ist, daß er wirklich angenehm ist. Daher muß man sich nicht wundern, wenn man Menschen antrifft, deren Phantasie alle Gesetze, alle Sitten, jegliche Religion verhöhnt, die kein anderes Vergnügen kennen, als das Verbrechen, weil es das einzige ist, was ihnen Vergnügen bereitet. Man soll diese Leute nicht nur nicht daran hindern, sondern ihnen auch alle Möglichkeit gewähren, ihren Geschmack zu huldigen, weil sie genau so wenig dafür verantwortlich sind, wie für die Dummheit oder den Verstand. Die ersten im Mutterleib empfangenen Eindrücke, die ersten unseren Augen dargebotnen Objekte, die ersten mit angehörten Gespräche bilden und entscheiden unseren Geschmack. Nichts wird ihn mehr ändern, auch nicht die sorgfältigste Erziehung. Der Tugendhafte bleibt tugendhaft, und der in den ersten Empfindungen das Böse eingesogen, wird ein Verbrecher, und der eine verdient ebenso wenig Lob wie der andere Strafe. In Kleinigkeiten wundern wir uns nicht über die Geschmacksunterschiede. Aber sobald es sich um die Wollust handelt, geht der Lärm los. Gerade die Frauen, die infolge ihres geringen Wertes ängstlich darüber wachen, daß man ihnen nicht irgend etwas wegnimmt, ereifern sich am meisten, wenn man auch noch so wenig von der ihnen beliebten Verehrung abweicht. Und warum sollte gerade[168] in der Zeugungstätigkeit, in der Sinnenlust der Mann weniger Geschmacksschwankungen unterworfen sein, als in den andern Vergnügungen? Kann er dafür, wenn ihn das anwidert, was andern gefällt, und er das aufsucht, was andere abscheulich finden. Er ist dafür gerade so verantwortlich, als wenn er blind oder hinkend wäre. Wenn die Anatomie genügend vorgeschritten wäre, würde sie uns die Absonderlichkeiten genau so als im Zusammenhang mit der natürlichen Veranlagung erklären, wie das den andern natürlich erscheinende. Wo ist dann eure Weisheit, eure Gesetze, eure Strafen, euer Paradies, eure Hölle, euer Gott, Ihr Gesetzgeber, Pedanten, Henkersknechte, Mörder, wenn erwiesen ist, daß diese oder jene natürliche Veränderung im Blutkreislauf oder im Nervensystem aus einem Menschen das macht, was man mit schrecklichen Strafen verfolgt?
Jetzt kommen wir zur Grausamkeit. Was ist das Ziel des Mannes bei seiner Lust? Doch gewiß nur, seinen Nerven jene Erregung zu geben, die die letzte Krise so heiß als möglich gestalten. Ist es daher nicht lächerlich zu behaupten, sie müsse, um voll genossen zu werden, von der Frau geteilt werden. Es ist doch klar, daß die Frau uns ebensoviel nimmt, als sie uns gibt. Wozu soll auch die Frau eine Lust empfinden bei unserer Wollust? Nur dummer Stolz kann dies verlangen. Werden wir nicht viel mehr ein höheres Vergnügen darin finden, die Frau zu zwingen,