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der Tugend die Wagschale, der Tugend, die der Feind des Weltalls ist. Archimedes suchte eine Maschine zu erfinden, um die Welt aus den Angeln zu heben, der Mechaniker, der etwas erfinden würde, um sie zu zerstören, würde der Natur den größten Dienst erweisen, die nur darauf bedacht ist, eine Welt zu vernichten, die von Haus aus verfehlt ist« – »Oh, mein Vater, mit solchen Grundsätzen ...« – »Ist man ein Verbrecher, nicht wahr? Aber der Verbrecher ist der Mann der Natur.« – »Leider besitze ich nicht genug Verstand,« seufzte die Unglückliche, »um eure Sophismen zu bekämpfen. Aber die Wirkung, die sie auf mein Herz, ein unberührtes Herz, und mindestens ebenso geschaffen von der Natur, wie eure Verkommenheit, ausübt, beweist mir am besten, wie schlecht und gefährlich sie sind.« – »Gefährlich ist möglich, schlecht ist falsch. Nichts, was gefährlich ist, ist schlecht; es gibt sehr nützliche Sachen, die gefährlich sind.[171] Schlangen, Gifte, Schießpulver, alles ist gefährlich, aber von großem Nutzen. Die besten Sachen, mißbraucht, können gefährlich werden, meine Philosophie, je mehr man sie anwendet, desto nützlicher wird sie. Das Verbrechen allein ist tätig und setzt in Bewegung, die Tugend aber ist lässig und kann nie zum Glücke führen.« Mit diesen Worten schlief Clement ein.
»Er wird bald erwachen,« sagte Amande, »und dann wird er noch wütender sein. Nach einer kurzen Ruhe erwacht die Natur von neuem und noch heftiger; noch eine Szene und dann haben wir bis morgen Ruhe.« – »Warum sollen wir nicht auch mittlerweile schlafen?« fragte Justine, – »Du kannst es, du bist nicht Ehrenfräulein, lege dich ganz nahe zu ihm, den Arsch zu seinem Gesicht und schlafe ruhig. Wir aber müssen wachen; wenn er aufkäme und uns schlafen finden würde, würde er uns erwürgen, und alle würden ihm recht geben.« – »Gerechter Himmel,« sagte Justine, »selbst wenn er schläft, müssen andere leiden.« – »Gewiß, denn der Gedanke an diese Leiden läßt ihn so aufgeregt erwachen. Er ist so wie jene perversen Schriftsteller, welche durch ihre Schriften auch nach ihrem Tode ihre Verbrechen noch fortpflanzen wollen. Sie können nichts mehr tun, aber diese Idee läßt sie ruhig ins Grab hinuntersteigen.« Justine schlief in einem Lehnstuhl möglichst weit von dem Ungeheuer. Nach zwei Stunden erwachte er und als er sie nicht bei sich sah, ergriff er sie mit den wütenden Worten: »Warum bist du nicht hier, du Hure, hat man dir nicht gesagt, wo dein Platz ist?« Seine Augen leuchteten, sein Atem keuchte. Er sprudelte eine Reihe Gottlosigkeiten heraus. Er ließ sich Ruten bringen, band die drei Mädchen mit den Bäuchen zusammen und schlägt ein halb Dutzend Rutenbündel entzwei. Er bindet sie erst los, als er ihm steht. Amande muß ihn schlecken, Justine seinen Arsch lecken und Luzinde seine Zunge beißen und seinen Speichel aufsaugen.
Durch diese wollüstigen Empfindungen besiegt, verliert der Schweinkerl zugleich mit seinem Samen alle seine Lust und sein Feuer. Aber die drei unglücklichen Frauen tragen die Spuren seiner Entladungswut. Die eine hat die ganze rechte Brust zerschunden, die andere die Zunge fast in Stücke gebissen und Justine, der er das Gesicht fast mit seinem Arsch zerdrückt hat, blutet heftig aus der Nase. Der Rest der Nacht war ruhig, in der Früh ließ sich der Mönch peitschen. Die drei Frauen erschöpften hierbei ihre ganze Stärke. Er betrachtet dann noch die Spuren seiner Grausamkeit und als er fortging, die Messe zu lesen, gingen sie ins Serail.
Nachdem die Direktorin durchaus Justine in dem Zustand von schmutziger Erregung sehen wollte, zog sie sie gleichzeitig mit der berühmten Honorine, derselben, die vor kurzem den Mord begangen hatte, zu ihrem Frühstück bei. Honorine war ebenso verliebt in unsere Heldin, wie die Direktorin. Beide bemächtigten[172] sich unserer armen Unglücklichen und bewiesen ihr, daß zwei Fräulein in einer solchen Schule die ganz Scham ihres Geschlechtes vergessen und ebenso schamlos und grausam werden können wie ihre Meister. Honorine hatte einen ganz männlichen Geschmack und die arme Justine mußte alle ihre Kaprizen mit derselben Geduld hinnehmen, als wäre sie bei einem Mönch oder bei einem Supée. Die zwei Megären quälten die Arme mit einem solchen Uebermaß an Unzucht, daß sie ermüdeter fortging, als wenn sie mit zehn Wüstlingen zu tun gehabt hätte. Diesmal entließ sie die Direktorin etwas zufriedengestellter und Justine bemerkte, daß es besser sei, sich mit dieser Sultanin auf guten Fuß zu stellen. Zwei Nächte später schlief sie bei Jerome. Sie war nur mit zwei Ehrenmädchen, Olympia und Eleonore. Die erste neun, die zweite dreizehn Jahre alt. Vier Schandknaben von zwölf bis fünfzehn Jahren und drei Vögler von zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren vervollständigten die schamlosen Szenen. »Siehst du dieses Kind,« sagte der alte Verbrecher zu Justine, indem er auf Olympia zeigte. »Du hast keine Ahnung, wie vielfach dieses Kind mit mir verwandt ist. Ich habe meiner Cousine ein Kind gemacht, dieses Kind, meine Nichte, habe ich gevögelt und von dieser habe ich dieses Kind. Sie ist daher meine Großnichte, meine Tochter und meine Enkelin, denn sie ist die Tochter meiner Tochter. Komm her, Olympia, und küsse den Arsch deines Papas.« Die Kleine folgte und küßt den scheußlichen, ganz zerfetzten Arsch des alten Bockes; er fartzt ihr auf die Nase und die Szene beginnt. Jerome legt sich auf eine schmale Bank. Auf ihn setzen sich mit dem Arsch zu seinem Gesicht abwechselnd ein kleiner Knabe und ein kleines Mädchen. Ein größerer Bursch prügelt diese Kinder, so daß die Schläge am Gesicht Jeromes vorbeisausen. Justine mußte ihn während dieser Zeit schlecken und mit jeder Hand geilte er einen Schwanz auf den Busen Justinens. Die Prügel wurden solange fortgesetzt, bis das Blut in den Mund des Scheusals floß, er wirft sich wütend auf Justine und prügelt sie mit der Hand so heftig, daß sie acht Tage lang die Spuren davon trug. Darauf packte er seine Enkelin und puseriert sie, während er mit jeder Hand auf einen Arsch losschlägt. Aber die verbrauchten Kräfte des alten Mannes erwachen nicht so geschwind. Die Geschichte dieses Ungeheuers, welche wir bald aus seinem eigenen Munde hören werden, wird uns lehren, daß sein Körper, nur der Einbildung folgend, erst bei den äußersten Erhitzungen des Geistes