Stromausfall - Page 2

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werden kann. Ab neun wird es vielleicht zu hektisch für ein gemütliches Abendmenü. Ich bin ja neugierig wer Gamma ist. Hoffentlich können wir ohne Stress zusammen arbeiten, auch wenn es nur für ein paar Stunden ist, hofft Beta.

Der Agent öffnet wieder die zweiflüglige Tür zur Dachterrasse. Die abendliche Frühsommerluft ist mild und windstill. Er wischt mit seinem weißen Taschentuch den Staub vom Terrassentisch und einem Stuhl. Aus dem Pilotenkoffer holt er sein Rauchutensilien und zündet sich eine Zigarre an.
Erste entspannte Züge und sein Blick über den Acker zum Wald bis hin zum Horizont lassen ihn den Stress des Jobs vergessen. Doch nur für einen kurzen Moment. Dann erinnert er sich an die Anstrengungen der letzten Tage. Warum immer diese Anspannung? Immer nur einhundert oder besser hundertfünfundzwanzig Prozent geben. Und dann passiert etwas vollkommen Unvorhergesehenes. Da kann ich noch so viel planen und absichern. Dann muss ich mich auf meine Erfahrung und meinen sechsten Sinn verlassen.
Mike nimmt einen Schluck Wasser, das er mit auf die Terrasse gebracht hat und pafft einen kräftigen Zug an der Zigarre. Seinen Kopf gegen das hohe Teil des Terrassenstuhl gelehnt, schweift sein Blick zurück zu den wenigen Wolken an diesem Abend.
Warum immer anstrengen? Geht es nicht auch ohne Anstrengung? Die Amerikaner sagen >work harder<, arbeite härter, stärker, disziplinierter. Vor einigen Jahren kam der Ausdruck >work smarter< auf. Smarter, also schlauer, cleverer. Erst überlegen, dann loslegen und die beste, vielleicht auch die einfachste Möglichkeit, erkenne.
Seine Augen sind sehnsüchtig in die Ferne gerichtet. Gibt es darauf eine qualifizierte Antwort? Was war richtig? Work harder oder work smarter?
Er zieht kräftig an seiner Zigarre und fragt sich, was ihn in seiner Agententätigkeit am anstrengendsten ist. Jemanden körperlich zu überwältigen, das ist anstrengend. Körperlich, je nachdem wie schwer und kampferfahren derjenige ist. Jemanden zu überwältigen verlangt von allen Tätigkeiten die stärkste Konzentration.
Während er sich im Terrassenstuhl aufrichtet nimmt er wieder einen Schluck Wasser.
Ein Schusswechsel ist auch nicht gerade eine Erholung. Dabei gibt es keine körperliche Anstrengung, die psychische Anstrengung ist groß. Aber bei einer Festnahme ist sie größer. Auch, weil ganz weit im Hinterkopf die Angst lauert, selber überwältigt zu werden.
Mike sieht Situationen von Festnahmen vor seinem geistigen Auge. Bei BlackWater ist für mich bisher alles gut gegangen. Ich musste in der Zeit erst drei mal jemanden überwältigen.
Bei diesem Gedanken zieht er genüsslich an seiner Zigarre.
Es ist anstrengend. Wer sich anstrengt macht etwas falsch. Was mache ich falsch? Seinen Mund geschlossen, die Augen etwas weiter auf, blickte er ziellos zu dem Wald gegenüber.
Wenn ich mich nicht oder weniger anstrengen will, dann muss ich etwas anders machen als bisher. Ich muss dazu lernen oder mir zumindest ein anderes, effektiveres Vorgehen antrainieren. Sich anzustrengen ist deshalb falsch, weil das Ziel wahrscheinlich auch leichter erreicht werden kann. Nur, diese Alternative muss entdeckt werden.
Wenn sich die Menschen früher zum Beispiel beim Bau einer Kathedrale keine Gedanken darüber gemacht hätten, wie sie ihre Arbeit, die Steine zig Meter hoch zu wuchten, vereinfachen könnten, also weniger anstrengend machen, dann hätte nie einer einen Kran mit Umlenkrollen erfunden.
Und wenn die Steinzeitmenschen es sich nicht hätten leichter machen wollen, ihre Steine zu schleppen, dann hätte nie einer das Rad erfunden und wir wären heute noch Steinzeitmenschen. Und anstatt einer Pistole hätte ich eine Steinschleuder im Koffer. Dieser Gedanke lässt Mike etwas schmunzeln. Jetzt gönnt er sich wieder einen kräftigen Zug an seiner Zigarre. Der Satz ist doch wahr. Wer sich anstrengt macht etwas falsch, bestätigt sich Mike seine Erkenntnis.
Ein breites Lächeln steht in seinem Gesicht. Doch was kann ich bei einer Überwältigung vereinfachen?

An der Eingangstür summt es.
Das wird Gamma sein, ziemlich pünktlich.
Beta steht auf und geht ins Wohnzimmer. Er ist noch einige Schritte von der Tür entfernt, als die geöffnet wird.

Das Smartphone auf dem gläsernen Couchtisch vibriert. Der Agent macht einen Schritt auf den Couchtisch zu und erkennt, dass Peter der Anrufer ist. Er geht einen Schritt weiter und hebt das Smartphone an sein linkes Ohr.
Aus dem Augenwinkel heraus beobachtet er, wie jemand in die Diele kommt.

„Ja bitte.“

„Ich bin´s. Ist Gamma schon da?“

„Sie kommt gerade zur Tür herein.“

„Okay. Arbeitet professionell zusammen, keinen Stress. Verstanden!“

„Ja.“
Bevor ihm bewusst wird was Peter gemeint hat, starrt er mit großen Augen auf die Tür.

„Guten Abend du Mistkerl!“ schallt es ihm entgegen.
Wie in Trance nimmt er das Smartphone von seinem Ohr und legt es auf den Tisch. Seine Augen bleiben dabei starr auf den Eindringling gerichtet.
„Du bist Gamma?,“ bringt er fast tonlos hervor.

Die vollkommen in schwarz gekleidete Agentin zeigt ihr künstliches Lächeln. „Überrascht?!“

Der Blick in ihr weißes schmales und von kurzen tiefschwarzen Haar umrahmtes Gesicht mit dem knallrote Lippenstift löste schlagartig ein flaues Gefühl in seinem Magen aus. Ihre schneeweißen Zähne leuchten ihn an. So wie damals, als sie sich am Ende eines Einsatzes näher kamen.

„Mit mir hast du wohl nicht gerechnet. Sind ja nur ein paar Stunden. Ich lasse dich überleben.“

„Miststück!“ zischt er mehr, als er spricht. „Du wusstest, dass ich Beta bin.“

„Ja, und ich habe mir während des Flugs ausgemalt, wir wir beide den heutigen Abend verbringen werden.“ Es klingt wie eine Drohung.

„Mit der Durchführung der letzten Aufgaben für diesen Einsatz,“ führt Beta den Satz ohne Kraft in seiner tiefen Stimme zu Ende.“

„Auch, aber das ist nur ein Teil.“

Die Agentin hat inzwischen die Tür hinter sich geschlossen und geht auf Beta zu. Während er wie eine Statue mitten im Wohnraum steht, flüstert sie drohend in sein linkes Ohr. „Wir rechnen ab.“

Der Einsatzleiter dreht sich weg und blickt auf ein Bild an der Wand. Er nimmt es nicht wirklich wahr; ihn kam der Anruf von Peter in den Sinn. >Arbeitet professionell zusammen. Kein Stress. Verstanden?!<

Lucia geht zur Bar und nimmt sich einen Orangensaft und ein Glas. „Oh, die Bar ist gut gefüllt. Ab heute Nacht haben wir Zeit und vorerst keinen Einsatz. Vielleicht können wir, kannst du dann noch, einen Piccolo aufschrauben.“

„Gamma“, und flüsternd „Lucia“, Peter weiß von uns.“
Er hat mich gerade telefonisch gewarnt.“

Die Agentin öffnet die kleine Flasche und füllte sie in

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